Im Test: Android-Riese HTC Desire HD
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Mit dem Galaxy S hat Samsung ordentlich vorgelegt. Erstmals gab es ein Premium-Smartphone mit Android-Betriebssystem, dass mit den Geräten von HTC mithalten konnte. Weltweit wurde es bereits an die zehn Millionen mal verkauft. Doch was unterscheidet das Galaxy S von anderen, aktuellen Smartphones? Am Offensichtlichsten das Display. Während etwa das iPhone 4 mit 3,5 Zoll und das HTC Desire mit 3,7 Zoll Bildschirmdiagonale auskommen, bietet das Samsung-Handy 4 Zoll. Und weil man mit der Konkurrenz nicht nur gleichziehen, sondern sie übertreffen will, hat das neue HTC Desire HD (600 Euro) ein 4,3 Zoll-Display.
Größenwahn
Eines Vorweg: Sobald das Desire HD eingeschalten ist, verliebt man sich als Technik-Begeisterter in den riesigen Bildschirm. Doch dafür muss man gleich mehrere Kompromisse eingehen. Der Größte ist, wenig überraschend, die Größe. Mit 123 x 68 x 11,8 Millimeter und einem Gewicht von 164 Gramm ist das Desire HD ein richtiger Brocken. Selbst mit mittelgroßen Männerhänden und langen Fingern fällt eine Ein-Hand-Bedienung mit dem Daumen schwer. Ebenso das Tippen mit beiden Daumen auf der virtuellen Tastatur, wenn das Handy im Querformat gehalten wird.
Kompromiss Nummer zwei: Trotz Goliath-ähnlicher Ausmaße hat der Akku eine David-Kapazität von 1230 mAh. Im Gegensatz zum Bibel-Original behält aber hier der Größere die Überhand. Das 4,3-Zoll-Display, HSDPA, WLAN, 8-MP-Kamera GPS und Co. beanspruchen den Akku, weshalb dieser bei durchschnittlicher Nutzung schon am Ende eines Tages aufgeladen werden will. Allerdings schafft auch das normale Desire mit AMOLED-Display, das einen 1400-mAh-Akku hat, oft nur einen halben Tag mehr.
Design
Der schmale Rand des Desire HD betont noch zusätzlich den großen Bildschirm. Die Front ist eben, weder Lautsprecher noch Tasten sind erhoben. Lediglich der Rand des Aluminium-Gehäuses ist kaum sichtbar - aber fühlbar - erhöht. Dadurch, dass die vier Softtouch-Tasten auf derselben Höhe wie der Touchscreen liegen und noch dazu recht leichtgängig sind, kommt es schon mal vor, dass etwa beim Scrollen unabsichtlich die Zurück- oder Menü-Taste betätigt wird.
Die einzigen physischen Tasten sind der Lautstärke-Regler an der linken Seite und die Standby/Einschalt-Taste an der Oberseite. Die ist allerdings eine Spur zu schmal ausgefallen. In Verbindung mit der enormen Größe des Geräts ist es deshalb nur schwer möglich, komfortabel mit einer Hand (die, die das Handy hält) die Display-Sperre zu lösen.
Die Verbindung aus Riesen-Display, hohem Gewicht und Aluminium-Gehäuse vermittelt ein sehr wertiges und robustes Gefühl - bis auf die Plastikkappe an der Unterseite. Diese verdeckt den MicroSD- und SIM-Kartenslot und schließt nicht optimal an das Aluminium-Gehäuse an. Die Linse der Kamera an der Rückseite ist erhoben und steht fast wie eine Warze hervor. Das ist allerdings nur für jene Nutzer störend, die das Handy zum Tippen horizontal auf den Tisch legen. Dann wackelt nämlich das Desire HD bei jedem Anschlag auf der virtuellen Tastatur.
Bildschirm
Das 4,3-Zoll-Display nutzt mit 800 x 480 Pixel dieselbe Auflösung wie der 3,7-Zoll-Bildschirm des HTC Desire. Das "HD" im Desire HD bezieht sich also nicht auf die Bildschirmauflösung. Es ist ein Super-LCD-Display. Im Vergleich zu AMOLED-Bildschirmen, wie ihn die erste Version des HTC Desire hatte, sind die Farben und Kontraste weniger kräftig. Sieht man aber die zwei Bildschirmarten nicht im direkten Vergleich, fällt das nicht weiter auf.
Software
Neben der offensichtlichen Vergrößerung der Hardware hat HTC auch an der Software gebastelt. So werden beim Desire HD in der Benachrichtigungsleiste nicht nur Benachrichtigungen gezeigt, sondern auch die zuletzt ausgeführten Anwendungen. Diese können aber auch nach wie vor durch gedrückt halten der Home-Taste eingeblendet werden.
Ebenfalls neu gestaltet wurde die Leiste am unteren Rand des Touchscreens. Neben den Symbolen zum Öffnen des Menüs und der Wähltasten, befindet sich jetzt ein Icon, dass das "Personalisieren"-Menü öffnet. Hier sind Schnell-Links für das Ändern der Anzeige, das Hinzufügen von Widgets und das Einstellen von Klingeltönen. Auf Stumm kann hier allerdings nicht geschalten werden - auch gedrückt halten der Einschalttaste erlaubt es nicht mehr auf die Tonprofile "Stumm" oder "Nur Vibrieren" zu wechseln. Schnell funktioniert dies jetzt nur noch über die Lautstärken-Tasten, indem der Ton solange leiser gedreht wird, bis das Smartphone im Vibrations- bzw. Stummmodus ist.
Szenenwechsel
Beim Personalisieren der Anzeige kann die gesamte "Szene" gewechselt werden. Hierbei wird nicht nur das Hintergrund-Motiv, sondern auch die Widgets auf allen Homescreens gewechselt. So könnte man etwa eine Szene kreieren, die nur arbeitsrelevante Widgets enthält und eine, die nach Feierabend mit diversen Games, Musik- und Social-Web-Apps gefüllt ist.
"Oberflächen" erlaubt es Form und Farbe der unteren Leiste zu ändern. Allerdings gibt es nur zwei Formen und auch die Auswahl der Farben (nur in Kombination mit Form, keine separate Auswahl möglich) ist sehr begrenzt. Klickt man die Option "Mehr erhalten" an, werden von HTC angebotene Szenen, Hintergründe, Oberflächen, Widgets und Tonschemen angezeigt. Aber auch hier ist die Auswahl sehr mager - so gibt es etwa zu den fünf bereits installierten Oberflächen noch drei zusätzliche zum herunterladen.
HTC Sense
Um die zusätzlichen Inhalte herunterladen zu können, ist eine Anmeldung bei HTC Sense nötig. Diese ist kostenlos und bietet noch andere Optionen. So ist es über HTCSense.com möglich den Standort des Smartphones auf Google Maps anzeigen zu lassen (diese Option kann im Handy deaktiviert werden), sowie es in voller Lautstärke klingen zu lassen - auch wenn es auf stumm geschalten ist. Zudem kann das Telefon gesperrt (es kann nur durch einen 4-stelligen Pincode entsperrt werden) oder alle Inhalte gelöscht werden. Im Test funktionierte beides nicht - ebenso wie die Anruf- und Nachrichtenweiterleitung.
HTC Apps und Widgets
Ebenfalls neu im Desire HD sind die vorinstallierten Anwendungen Locations, Leser, Daten übertragen und HTC Likes. Locations ist im Grunde Google Maps, nur eben von HTC. Eine Routenberechnung ist möglich, Turn-by-Turn-Lösungen sind allerdings kostenpflichtig, ebenso wie Live-Verkehrsinfos und Radarwarnungen. Ein großer Vorteil von Locations: Die Karten der Regionen können heruntergeladen und so auch offline genutzt werden. Praktisch, wenn man ins Ausland verreist. Im Locations-Widget wird der eigene Standort angezeigt, der auf Facebook oder Twitter gepostet werden kann, sowie die mit GPS-Daten versehenen Fotos ("Footprints") und Lokale und Geschäfte in der Nähe.
Leser ist eine eBook-Anwendung. Bücher werden über die direkte Anbindung an den eBook-Store Kobo heruntergeladen. Bei HTC Likes werden Android-Apps vorgestellt, die wie bei Facebook mit einem "Gefällt mir" markiert werden können. Kommentare von Freunden zu Apps können gesondert angezeigt werden. Daten übertragen ist ein nützliches Programm, das alle Kontakte gesammelt vom alten Handy per Bluetooth auf das Desire HD übertragen kann. Das alte Handy kann von den Herstellern Apple, BlackBerry, HTC, LG, Motorola, Nokia, Samsung oder SonyEricsson sein.
Fazit
Das Desire HD ist wie ein protziger Ami-Schlitten: Schön anzuschauen, aber im Alltagsgebrauch bietet die imposante Größe nicht immer Vorteile. Das Handling unterwegs fällt schwer, denn eine einhändige Bedienung ist ohne Daumenkrämpfe kaum möglich. Die Stärken spielt das Desire HD aus, wenn man sich Zeit dafür nimmt, etwa beim Browsen durch das Web oder beim Spielen von Games. Auch als Navi fürs Auto macht es sich aufgrund des großen Displays gut - solange man einen Adapter für die Stromversorgung dabei hat, da der Akku für ein Gerät dieser Größe unterdimensioniert ist.
Ebenfalls gemischte Gefühle gibt es bei HTCSense.com: Die Basisfunktionen funktionieren zwar. Das auf Screenshots gegebene Versprechen, Kontakte, Fotos und Textnachrichten organisieren und archivieren zu können, wird jedoch nicht eingelöst. Da es kostenlos ist, ist es eine nette Draufgabe, aber kein Kaufargument.
(Gregor Gruber)
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