© Thomas Prenner

Zubehör-Test

Inteliscope: iPhone 5 als Zielfernrohr im Test

iPhone-Zubehör kann grob in drei Kategorien eingeteilt werden: Nützliches, nicht Nützliches und Skurrilles – wobei Kategorie Zwei und Drei fließend ineinander übergehen. Inteliscope gehört eindeutig in die Kategorie Drei, soll aber – wenn man dem Hersteller glaubt – auch nützlich sein. Es kostet 99 US-Dollar und ist eine Halterung, mit der das iPhone 4, 4S, 5 und der iPod Touch 5 an Waffen, Airsoft-Spielzeug und Paintball-Markierer angebracht werden kann. Per Gratis-App des Herstellers wird das Smartphone dann zum Zielfernrohr mit smarten Zusatzfunktionen.

Die futurezone hat Inteliscope beim Sportklub Handelsministerium in Wien-Süßenbrunn, mit Gewehr und Pistole, getestet.

Halterung
Das Inteliscope-System besteht aus zwei physischen Komponenten: Der eigentlichen Halterung, die am Gewehr angebracht wird, und einer Hülle für das iPhone. Im Lieferumfang sind Hüllen in drei Größen, passend für iPhone 4, 4S, 5 und iPod Touch 5, enthalten. Für den Test wurde ein iPhone 5 verwendet.

Das Smartphone wird in die Plastikhülle gesteckt. Die Plastikhülle hat an der Rückseite ein Gitterraster. Damit wird es an der Halterung eingehängt. Durch das Gitterraster kann die Position des iPhones an der Halterung verändert werden – in den meisten Fällen wird man das Smartphone aber zentriert anbringen wollen. Um das iPhone abzunehmen, drückt man den Knopf an der Oberseite der Halterung nach unten und nimmt es ab. Die Hülle kann am iPhone bleiben – sie ist zwar nicht besonders hübsch, aber stört auch nicht sonderlich. Gegen Sturzbeschädigungen schützt die Hülle nur die Rückseite des Smartphones, da die Ränder nicht nach vorne überlappend sind.

Die eigentliche Halterung ist sehr groß ausgefallen und besteht fast ausschließlich aus Plastik. Auch der Teil, der mit der Picatinny- oder Weaver-Schiene der Waffe oder des Airsoft-Spielzeugs/Paintball-Markierer Kontakt hat, besteht aus Plastik. Das stimmt nicht besonders zuversichtlich für eine lange Haltbarkeit, da hier nicht besonders hochwertiger Kunstsoff auf Metall trifft. Dies wird auch deutlich, wenn man nach dem Gebrauch die Halterung abnimmt und Plastik-Abriebsspuren auf der Schiene der Waffe sieht.

Montage
Um die Halterung an der Waffe anzubringen, setzt man sie auf die Schiene und dreht den vorderseitig angebrachten Spannhebel, der ebenfalls aus Plastik besteht. Im Gegensatz zu üblichen Zielfernrohrmontagen hat die Halterung keine Querverstrebungen, um reproduzierbar auf der selben Stelle der Picatinny-Schiene angebracht werden zu können, nachdem sie einmal abgenommen wurde.

Zum Abnehmen der Halterung dreht man wieder den Spannhebel. Beim vorliegenden Testexemplar von Inteliscope öffnet sich dabei die Halterung nicht immer von alleine – es bedarf immer etwas Herumdrücken und -ruckeln, um sie von der Waffe abzunehmen. Auch das erhöht den Verschleiß des Plastiks und kann dazu führen, dass irgendwann nicht mehr genug Material vorhanden ist, um noch ausreichend fest auf der Schiene der Waffe zu sitzen. Im Test löste sich die Halterung nach etwa 20-maligem Ab- und Anmontieren so weit, dass es auf der Schiene der Waffe nach vorne und nach hinten verschoben werden konnte.

Augmented Reality Zielfernrohr
Die zum System passende App gibt es kostenlos im App Store. Die Hauptfunktion ist die eines Zielfernrohres. Über das Kamerabild des iPhones wird ein Fadenkreuz gelegt – ähnlich wie es bei einigen Augmented Reality-Apps der Fall ist. Am linken Rand gibt es ein Icon zum Aktivieren der Videoaufnahme. Hier muss man darauf achten, in den iPhone-Einstellungen der Inteliscope-App den Zugriff auf Fotos und Videos zu erlauben. Ansonsten leuchtet zwar das Icon in der App, das Video wird aber nicht aufgenommen.

Das Sonnensymbol schaltet das LED-Licht des iPhones ein und soll so als taktisches Licht dienen. Ein nochmaliges Drücken wechselt in den Strobe-Modus, der durch schnelles Ein- und Ausschalten des Lichts Feinde irritieren soll. Da die LED des iPhones nur sehr schwach im Vergleich zu richtigen, taktischen Lichtern ist, ist diese Funktion kaum brauchbar. Das hat aber auch einen Vorteil: Nach österreichischem Recht wäre es nämlich verboten, ein Licht auf ein Gewehr zu montieren. Das Bundesministerium für Inneres hat futurezone jedoch bestätigt, „dass sowohl das iPhone 4 als auch das iPhone 5 nach ho. Rechtsansicht als Gewehrscheinwerfer im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 5 Waffengesetz 1996 idgF ungeeignet sind" und Inteliscope somit auch in Österreich auf einem Gewehr montiert werden darf.

Mängel in der App
In der App ist auch ein Icon, um eine Stoppuhr zu starten. Ein IPSC-Timer-Funktion, die die vergangene Zeit bis zur letzten Schussabgabe anzeigt, gibt es leider nicht. Ebenfalls zeigt die App Windstärke und Richtung der Region (wird von einem Wetterdienst bezogen), sowie Himmelsrichtung und GPS-Koordinaten an. Ersteres wäre theoretisch nützlich, um die Geschoßabweichung zu berechnen. Da die Wind-Info aber nur von einem Online-Dienst kommt und nicht direkt vor Ort gemessen wird, können die Daten stark von der Realsituation abweichen.

Die Icons in der App sind insgesamt etwas zu klein geraten, um sie schnell und sicher bedienen zu können. Auch die abgedunkelten Teile zum Rand hin, die den Blick durch ein Zielfernrohr imitieren sollen, sind nicht sinnvoll, da die Sicht unnötig eingeschränkt wird. Was ebenfalls fehlt: ein Ballistik-Rechner. Dieser macht aber üblicherweise erst bei größeren Kalibern Sinn, da damit weitere Distanzen geschossen werden. Da der Hersteller die Maximalbelastung von Inteliscope mit dem Kaliber .223 angibt, sollte man die Halterung ohnehin nicht auf ein Scharfschützengewehr mit größerem Kaliber montieren.

Profile
Je nach verwendeter Waffe, Airsoft-Spielzeug oder Paintball-Markierer, können verschiedene Ballistik-Profile angelegt werden. Dazu wird der Name gewählt, die Distanz, auf die die Waffe oder das Spielzeug eingeschossen wird, sowie die Geschoßgeschwindigkeit und der ballistische Koeffizient. Die Angaben erfolgen im angloamerikanischen Maßsystem, ein Umstellen auf metrisches System ist derzeit nicht möglich. Sehr schleißig: Nach einem Update der App fehlt die Beschriftung für die Einschieß-Distanz und den ballistischen Koeffizient. Startet man die App also zum ersten Mal, kann man nur mutmaßen, welche Werte in diese Felder eingetragen gehören.

Einschießen
Sind alle Einstellungen getätigt, kann noch eines von vier Fadenkreuzen gewählt werden. Danach gilt es, die Waffe oder das Spielzeug einzuschießen, also das Fadenkreuz dort hin zu bringen, wo die Waffe auf die entsprechende Distanz hinschießt.

Dies ist die größte Herausforderung mit Inteliscope. Zum Ersten liegt das daran, dass die vertikale und horizontale Einstellung über virtuelle Drehräder erfolgt, die nicht besonders präzise zu bedienen sind. Oft scheinen Tipper auf die virtuellen Bedienelemente nicht erkannt zu werden. Vier große Pfeile, für links, rechts, oben, unten, wären besser. Auch wäre es sinnvoll, wenn das Fadenkreuz dort hin springt, wo man mit dem Finger auf das Display tippt, ähnlich dem Touch-Fokus bei Kamera-Apps.

Zum Zweiten ist das Einstellen nicht besonders logisch. Bei echten Zieloptiken, dreht man nach rechts, wenn der Treffer weiter rechts erfolgen soll. Bei Inteliscope ist es umgekehrt – man bewegt das Fadenkreuz zum Treffer. Am sinnvollsten ist es, die Waffe fest einzuspannen, wenn sie mit einem bereits eingeschossenem Visier auf die Scheibe gerichtet ist. Dann bringt man Inteliscope an und bewegt das Fadenkreuz auf die Scheibe. Das muss reichen, denn eine Feinkustierung ist aufgrund des groben Verstellbereichs (1 Klick auf 91 Meter entsprechen ca. 10 cm veränderter Trefferlage) kaum möglich.

Präzision
Zum Präzisionsschießen ist Inteliscope aber ohnehin nicht geeignet. Der Digitalzoom des iPhone kann keine hochwertige Optik ersetzen. Da die Kamera seitenversetzt über dem Lauf ist, ist ein schnelles Wechseln von Distanzen nicht möglich. Bei einem richtigen Zielfernrohr reicht es etwa, bei einem Wechsel von 100 auf 20 Meter entsprechend darüber oder darunter zu halten, je nachdem auf welche Distanz es eingeschossen wurde. Beim Inteliscope weicht der tatsächliche Einschlag dann auch zur Seite ab. Zwar kann man in der App die Distanz zum Ziel wählen, dies dauert aber etwas.

Im Test wurde Inteliscope auf 100 Meter eingeschossen. Die ersten 5 Treffer waren überraschend eng zusammen, wenn auch nicht mittig auf der Scheibe, sondern links oben. Nach dem zweimaligen Versuch des Nachjustierens war nur noch einer von 10 Schüssen auf der Scheibe. Schuld daran könnte die locker gewordene Halterung sein – auf 100 Meter kann sich bereits ein leichte Verschiebung deutlich auf die Treffpunktlage auswirken.

Kurze Distanzen
Auf 25 Meter mit der halbautomatischen BT96 im Pistolenkaliber 9mm, waren die Treffergruppen reproduzierbar, aber deutlich weiter auseinander, als mit dem sonst auf der Waffe montieren Eotech-Rotpunktvisier. Auf 10 Meter waren die Treffer immerhin im Schwarzen der Scheibe und annehmbar zusammen.

Für dynamischen Schießen mit schnellen Wechseln zwischen Zielen auf unterschiedlicher Entfernung, ist das Inteliscope nicht geeignet. Der Autofokus des iPhones stellt zu langsam scharf oder in einigen Fällen gar auf andere Objekte und nicht das Ziel. Im Test musste einmal die App neu gestartet werden, weil der Autofokus den Dienst verweigerte. Zudem ist der gesamte Aufbau mit iPhone ziemlich groß und sperrig, verglichen mit einem handelsübliche Rotpunktvisier und auch die Schießhaltung mit Display-Zielen ist sehr gewöhnungsbedürftig.

Inteliscope

Digitales Zittern
Ein eigentlich praktisches Feature kann lästig sein: Dreht man das Gewehr, richtet sich das Fadenkreuz automatisch waagrecht aus. Doch selbst wenn man ruhig hält oder das Gewehr eingespannt ist, zuckt und zittert das Fadenkreuz. Hier fehlt eine Einstellung in der App, um die Sensibilität der Gyrosensors für Neigungen einzustellen.

Die Einsteiger-Freundlichkeit kann ebenfalls bezweifelt werden. Zwar ist es für nicht geübte Schützen wahrscheinlich einfacher, über ein Display als ein echtes Zielfernrohr oder Rotpunktvisier zu zielen, aber die mangelnde Präzision von Inteliscope kann die sonst üblichen, ersten Erfolge verhindern. Ein weiteres Problem bei Inteliscope ist, dass die App sehr stark den Akku beansprucht. Je nach Nutzung ist nach 2 bis 4 Stunden der Akku des iPhones leer. Und solange man Inteliscope nutzt, bleibt das iPhone stumm: eingehende Anrufe oder SMS werden nicht angezeigt, während die App aktiv ist.

Um die Ecke
Der Hersteller gibt an, dass man mit Inteliscope um die Ecke schießen kann. Das trifft sogar zu. Denn hält man die Waffe ums Eck, ist das Display des iPhones immer noch sichtbar, ohne dass man den Kopf aus der Deckung strecken muss.

Als Sportschütze macht das natürlich überhaupt keinen Sinn. Für Airsoft- und Paintballspieler ist diese Funktion schon interessanter. Man muss dafür Inteliscope nicht unbedingt statt einem Zielfernrohr verwenden, sondern kann es seitlich, im Hochformat, am Schienensystem des Handschutzes anbringen. So kann man weiterhin ein normales Visier nutzen und im Bedarfsfall das iPhone in die Halterung hängen und so um die Ecke schießen.

Allerdings muss man davon ausgehen, dass die Gegner auf das ums Eck luckende Airsoft-Spielzeug oder den Markierer schießen werden. Und wird dann Inteliscope getroffen, gibts zumindest Farbflecken am iPhone und im schlimmsten Fall eine eingeschossene Kamera-Linse.

Fazit
Inteliscope ist skurril, aber nicht besonders nützlich. Es verleiht der Waffe, dem Airsoft-Spielzeug oder dem Markierer zwar einen futuristischen Look, ist aber kaum sinnvoll für Bewerbe oder Spiele einzusetzen. Auch als reinen Adapter, um das iPhone als Videokamera für Point of View-Aufnahmen einzusetzen, ist Inteliscope nicht unbedingt geeignet, da die Halterung zu groß und das iPhone zu wenig geschützt ist.

Das Konzept ist jedoch ausbaufähig. Die Halterung müsste aus Metall und kompakter sein. Die Hülle für das iPhone sollte ein stabiles Plexiglas haben, das die Linse des iPhones schützt, sowie höher an der Vorderseite sein, um das Smartphone zusätzlich zu schützen. Wird das alles umgesetzt, eventuell als Inteliscope 2.0, wäre das Gerät zwar teurer, doch würde man diesem dann wohl eher sein iPhone anvertrauen.

Die App gehört ebenfalls überarbeitet und erweitert. Der Wechsel auf das metrische System sollte möglich sein, der Einschieß-Modus muss verbessert und mit einer Erklär-Funktion ausgestattet werden und auch das Zucken des Fadenkreuzes gehört behoben. Ein Ballistik-Rechner wäre ebenfalls wünschenwert.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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