Lion im Test: Mehr als ein Tribut ans iPad
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Mehr Multitouch-Gesten, an das iPad angelehnte Optik und Vollbildansichten für Programme: Apple will das ab sofort im Mac App Store
Mac OS X Lion kostet 23,99 Euro
Verfügbar ist Lion im Mac App Store um 23,99 Euro (ca. 4 GB), als Kauf-DVD gibt es das Betriebssystem nicht mehr (im August soll ein USB-Stick in den US-Handel kommen). Man muss aber einige Voraussetzungen mitbringen: Auf dem Mac muss bereits "Snow Leopard" (Version Mac OS X 10.6.8) installiert sein, und zudem muss der Mac einen Prozessor des Typs Intel Core 2 Duo, Core i3, Core i5 oder Core i7 haben - also die meisten Rechner seit 2006.
Völlig problemlos ist das Upgrade nicht. Wie Golem berichtet, gab es mit "Quicken", "Gimp", "Microsoft Office 2004" und "MPlayer OSX" noch einige Programme, die zumindest unter der Vorabversion von Lion nicht liefen. Ob die Probleme mit der finalen Version behoben wurden, wird sich zeigen. Außerdem werden alte PowerPC-Programme nicht mehr unterstützt. Eine Kompabilitätsliste von Mac-Programmen zu Lion findet sich hier.
Für das Upgrade sollte man etwa 30 bis 40 Minuten (exklusive Download) einrechnen. Vor der Installation sollte man zur Sicherheit ein Back-up des Rechners machen, VileVault oder andere Encryption-Software deaktivieren und erst nach der Installation wieder einschalten.
Aqua: Minimale Design-Änderungen
Im direkten Vergleich zum Vorgänger "Snow Leopard" hat sich "Lion" optisch wenig verändert: Das "Aqua" getaufte Design setzt auf Kontinuität und feilt nur an Details. So sind etwa die Ampel-Knöpfe zum Schließen, Minimieren und Maximieren von Fenstern leicht geschrumpft, Scrollbalken schlanker und teilweise transparent sowie Ladebalken umgestaltet worden. Im Finder sind die Symbole nicht mehr bunt, sondern grau. Damit sieht Lion im Wesentlichen genauso aus wie Snow Leopard, umgewöhnen muss man sich also nicht wie etwa beim Wechsel von Windows Vista auf Windows 7.
Umgedrehtes Scrollen
Die auffälligste Änderung in der Bedienung ist die Umkehrung der Scroll-Richtung am Touchpad von MacBooks. Scrollte man früher eine Webseite nach unten, indem man zwei Finger zu sich über das Touchpad zog, schiebt man sie jetzt in Richtung Tastatur. Damit will Apple die Bedienung an Touchscreens angleichen - am iPad scrollt man auch nach unten, indem man die Seite hoch schiebt. Auch links und rechts wurde vertauscht. Die Umgewöhnungsphase ist zwar kurz, die neuen Regeln bringen aber keine Vorteile. Wer oft zwischen Mac und Windows wechselt, könnte davon irritiert sein. Das umgedrehte Scrollen kann man auch wieder ausschalten.
Launchpad: Überblick über die Apps
Das neue Launchpad, das fix im Dock zu finden ist, ist optisch die größte Annäherung an iOS. Ein Klick stellt installierte Programme als im Raster angeordnete App-Icons an, wie man es vom iPad kennt. Der Zugriff auf den Programme-Ordner ist damit obsolet. Öffnen lässt sich das Launchpad auch über eine neue Geste, indem man fünf Finger am Touchpad zusammenzieht - in etwa so, als würde man ein ausgebreitetes Taschentuch vom Tisch nehmen. In der Praxis benötigt man das Launchpad aber eher selten - die wichtigen Programme sind ohnehin im Dock verankert.
Mail 5: Einführung von Konversationen
Das mit Lion mitgelieferte Update für Mail ist optisch stark an die Mail-App am iPad angelehnt. Das kann, muss aber nicht gefallen - die Rückkehr zum klassischen Layout ist über die Einstellungen leicht möglich. Neu ist die Darstellung von "Konversationen": Mail verknüpft die E-Mails mit selbem Empfänger und Betreff und stellt sie zur besseren Übersicht als chronologisch verkehrt geordnete Kärtchen dar. Das kennt man etwa schon von Microsofts Outlook oder Facebooks E-Mail-System und ist durchaus brauchbar. Im Test erkannte Mail allerdings nicht alle Konversationen auch als solche und ordnete teilweise falsch oder gar nicht zu.
Mission Control: Alles auf einen Blick
Über die neue Geste "drei Finger nach oben/unten" öffnet und schließt man "Mission Control". Diese Ansicht stellt geöffnete Fenster im Überblick dar, zueinander gehörige Fenster des selben Programms werden gruppiert dargestellt. Mit einem Klick kann man zu einem der laufenden Programme wechseln. Mit "Mission Control" wachsen die beiden Ansichtsfunktionen Exposé und Spaces zusammen. Das wird vor allem bei jenen Nutzern gut ankommen, die Exposé und Spaces bis dato nichts abgewinnen konnten. Hat man aber viele Fenster offen, wird Mission Control schnell unübersichtlich und irritiert mit einem Wald aus kleinen und großen Rechtecken. Praktisch hingegen ist immer, mit einem Drei-Finger-Wisch zum Schreibtisch (rechts) und zum Dashboard (links) zu gelangen.
Vollbildmodus für ausgewählte Apps
Mail, iCal (im neuen Lederbuch-Look), iPhoto, Safari und die Vorschau - also alles Apple-eigene Software - bekommen einen Vollbildmodus spendiert, der dem Nutzer volle Konzentration auf das entsprechende Programm bieten soll. Entwickler können den Modus in ihre künftigen Programm-Versionen integrieren - verwendet wird er aber eher selten werden. Immerhin gibt man so den Vorteil des Docks auf, schnell zwischen Programmen wechseln zu können.
Safari kopiert bei Instapaper
Apple hat offensichtlich vom Erfolg des Ex-Tumblr-Programmierers Marco Arment und dessen Kreation Instapaper Wind bekommen und sehr ähnliche Funktionen in Safari integriert: Per Klick auf ein neues Brillen-Symbol lassen sich Webseiten offline für die spätere Lektüre speichern. Das passt zur Reader-Funktion, die ähnlich wie Instapaper Online-Artikel samt zugehöriger Bilder aus Webseiten ausliest und optisch ansprechend anzeigt. Safari versteht jetzt auch Blättergesten, als Nischen-Browser werden seine Features aber wohl untergehen.
Dokumente leichter sichern
Lion bietet zwei neue Funktionen, die dem Nutzer mehr Sicherheit für seine Dokumente geben soll: "AutoSave" speichert Änderungen, etwa in Textdateien automatisch. Dazu passt auch "Versions", eine Art "Time Machine" für Dateien: Damit kann man zu einer älteren Version des Dokuments zurückkehren, sollte man etwas Wichtiges überschrieben haben. Die Krux der Geschichte: Die Software, mit der die Datei erstellt wird, muss "AutoSave" und "Versions" unterstützen - somit muss man vorerst noch auf entsprechende Updates von Programmen wie Photoshop oder Word warten.
Mehr Verschlüsselung und Privatsphäre
Unter Lion steht auf Sicherheit bedachten Nutzern die XTS-AES-128- Datenverschlüsselung der gesamten Festplatte über die Funktion "FileVault 2" zur Verfügung. Bei Snow Leopard konnte man mit FileVault nur den Benutzerordner verschlüsseln, um ihn vor dem Zugriff durch Datendiebe zu schützen. Die neue Version erlaubt es außerdem, externe Festplatten zu verschlüsseln. Außerdem hat Apple wohl aus dem Debakel rund um iPhone-Ortungsdaten gelernt und bietet für Macs an, mit einem Klick alle Ortungs-Dienste (z.B. Wetter-Apps) zu deaktivieren. Mit dem Wegnehmen des Häkchens im Einstellungsmenü "Privatsphäre" kann man außerdem unterbinden, Diagnose- und Nutzungsdaten an Apple zu senden. Sollte ein Programm auf die gegenwärtige Position zugreifen wollen, wird das als Icon in der Menüleiste angezeigt. Das ist insgesamt ein Zugewinn für Transparenz und die Sicherheit des Nutzers.
Resume: Sitzung wiederherstellen
Von Browsern wie Firefox und Opera kennt man die Funktion bereits, jetzt hat sie auch Lion: Mit "Resume" hat man die Möglichkeit, wieder alle Fenster so vorzufinden, wie man sie beim Abdrehen hinterlassen hat. Aktiviert wird "Resume" auf Wunsch beim Ausschalten, im Dialogfenster ist das Häkchen immer schon gesetzt. Das man genau beim Status-Quo vor dem Abdrehen weitermacht, ist allerdings nur für jene Programme möglich, die für Lion upgedatet wurden, alle anderen Apps starten einfach neu. "Resume" verlangsamt natürlich das ansonsten meist schnelle Hochfahren des Macs.
FaceTime ist vorinstalliert
Wer vorhat, sich Lion zu installieren und die Videotelefonie-App "Facetime" noch nicht hat, der sollte mit dem Kauf derselben (zwar nur 0,79 Euro in Apples "Mac App Store", aber immerhin) zuwarten. Denn diese ist standardmäßig bei Mac OS X 10.7 an Bord und soll die Nutzer noch ein wenig stärker auf die Videotelefonie-Möglichkeit am Mac aufmerksam machen. Zur Nutzung von FaceTime ist ein Apple-Account vonnöten, um mit iPhone-4- und iPad-2-Besitzern zu kommunizieren.
AirDrop: Drahtloser Datenversand
Mit "AirDrop" bringt Apple eine neue Funktion, mit der man Daten von einem Mac auf den anderen übertragen kann. Über das "AirDrop"-Symbol in der Finder-Leiste kann man andere Macs, die im selben WLAN-Netz hängen, aufspüren und ihnen eine Datei zuschieben. Diese landet nach Erlaubnis im Download-Ordner des anderen Mac-Nutzers. Will man für andere AirDrop-Nutzer nicht mehr sichtbar sein, schließt man den Finder. AirDrop funktioniert auch im Peer-to-Peer-Netzwerk. In einer nach wie vor Windows-dominierten Welt sollte man den USB-Stick aber nicht voreilig wegwerfen. (AirDrop konnte die futurezone in Ermangelung eines zweiten Macs mit Lion bisher leider nicht testen).
Server-Funktion fischt nach Firmenkunden
Mit der Möglichkeit, einen Lion-Computer als Server aufzusetzen, will Apple vor allem für Kleinunternehmen attraktiver werden. Ohne zusätzliche Hardware (die Produktion des Server-Racks "Xserve" wurde Ende Jänner 2011 eingestellt) kann man sich Lion Server aus dem Mac App Store um 50 Dollar besorgen. Der Mac muss mit einem Intel Core 2 Duo, Core i3, Core i5, Core i7 oder Xeon-Prozessor ausgestattet sein, außerdem muss man die aktuellste OS X Version von Snow Leopard oder Snow Leopard Server am Rechner installiert haben. Ansprechen will Apple mit dem Server-Feature KMUs, Schulen oder Heimarbeiter, die etwa ein Download-Portal für andere Nutzer freischalten wollen, Dokumente an andere Apple-Geräte verteilen oder ein Wiki aufsetzen wollen.
Gegen Microsoft und Google
Dem Hauptkonkurrenten Microsoft legt Apple allerdings zu wenig vor: Sollte Windows 8 genauso radikal umgesetzt werden, wie es ein frühes
Fazit
Evolution statt Revolution: Zu diesem Schluss muss man auch bei Lion kommen. Dass das neue Betriebssystem Ideen von iOS holt (umgedrehtes Scrollen, Multitouchgesten, Vollbild-Apps), ist nett, verbessert die tägliche Nutzung aber nicht wesentlich. Ein Mac hat schlicht und ergreifend (noch) keinen Touchscreen, weswegen die iOS-Anleihen nur als Marketing-Gag zu sehen sind. Auch die sonstigen Design-Änderungen fallen kaum ins Gewicht. Verärgern will man die viel zahlende Stammkundschaft mit einer neuen, radikalen Optik auf keinen Fall.
Wirklichen Zugewinn bringen lediglich Funktionen wie Versions, Autosave und Resume: Sie sorgen dafür, dass man künftig kaum mehr ans Speichern denken muss - funktioniert alles nach Apples Plan, ist Datenverlust so gut wie ausgeschlossen.
Insgesamt spricht bei einem Preis von 23,99 Euro kaum etwas gegen die Anschaffung von Lion, aber auch nicht viel dafür. Wer zufrieden mit Snow Leopard ist, kann genauso gut dabei bleiben und einmal abwarten, ob sich Lion am Markt bewährt.
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