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Photokina: Mit höheren Preisen gegen die Krise

Wenn die Verkaufszahlen zurückgehen, werden die Preise erhöht. Was wie ein wirtschaftliches Todesurteil klingt, könnte ein Rettungsanker für die Fotobranche sein. Die Verkaufszahlen der klassischen Digicams, auch bekannt als Point-and-Shoots oder kompakte Digitalkameras, gehen seit Jahren zurück.

Schuld daran sind nicht bloß die Smartphones, deren immer besser werdende Kameras die „Immer-dabei-Digicam" dezimieren, sondern, dass der Markt in den westlichen Ländern seit Jahren gesättigt ist. In vielen Haushalten tummelt sich nicht nur eine Digitalkamera, sondern oft zusätzlich eine oder sogar mehrere ältere Modelle, die ungebraucht in Laden oder Kästen Staub ansetzen. Wie bringt man also diese Mehrfach-Digicam-Besitzer dazu, noch eine Kamera zu kaufen?

„Alles kein Problem", könnte man glauben, wenn man die Jubelmeldungen über die stetig steigenden Verkaufszahlen für System- und Spiegelreflexkameras der Hersteller hört. Gerade bei den Systemkameras liest man oft von Steigerung von bis zu 15 Prozent – das klingt zwar viel, aber da die Geräteklasse noch recht neu ist, schlagen schon verhältnismäßig kleine Stückzahlerhöhungen auf der Absatzskala deutlich aus. Sieht man sich die Prognosen für 2012 an, machen Digicams Stückzahlenmäßig noch immer an die 80 Prozent der totalen Kamera-Verkäufe aus und damit rund die Hälfte der Einnahmen der Kamera-Hersteller. Sollte dieser Geschäftsbereich wegbrechen, sieht es nicht gut aus für Nikon, Canon und Co.

Premium als Lösung
Die Lösung: Premium. Eine 300 Euro teure Digicam kann nicht genug und selbst wenn sie günstiger wäre, braucht man sie nicht weil „man eh das Smartphone zum fotografieren hat". Eine Systemkamera und DSLR ist aber wiederum zu groß für jetzige Digicam-Besitzer oder die Möglichkeit das Objektiv zu wechseln wird einfach nicht benötigt. Premium-Digicams sollen diese Lücke schließen.

Die Geräteklasse ist nicht neu, war aber bisher nicht unbedingt Massenmarkt-tauglich. So macht Canons G-Serie seit Jahren gute Bilder, sieht aber selbst nicht gut aus. Und andere frühe Modelle, die 2008 und 2009 aufkamen, waren in ihrer Funktionalität eingeschränkt und teuer. So kostet die 2009 erschienene Leica X1 (12MP, Festbrennweite) neu immer noch über 1400 Euro.

Trend sucht Publikum
Ist es ein Trend, wenn es niemand interessiert? Streift man durch die Hallen der Photokina, hat man meist freien Zugang zu den Premium-Digicams, während sich bei den ausgestellten Systemkameras und DSLRs Schlangen bilden. Das könnte natürlich auch am Publikum liegen. Der typische Photokina-Besucher ist männlich, 40+ Jahre und hat eine DSLR umgehängt.

Wenn diese Besucher nicht gerade am Nikon- oder Canon-Stand die neuen Vollformat-Kameras begutachten, tummeln sie sich auf den Ständen der Konkurrenz, die entweder Damen in Bikinis, Bodypainting oder hautengen Anzügen posieren lassen. „Live-Shooting" nennt sich das und soll dazu dienen, die vor den Damen angebrachten Kameras „in der Praxis" zu testen. Abgesehen davon, dass wohl nur wenige Besucher außerhalb der Messe gut ausgeleuchtete, leicht- bis kaum bekleidete Models aus einer Entfernung von einem Meter fotografieren werden, machen sie dies auf der Messe mit der eigenen, mitgebrachten Kamera. Nur die Wenigsten greifen zu den von den Herstellern zur Verfügung gestellten Kameras.

Auch die jungen Besucher, wie Schüler und Studenten, die teilweise in Klassenstärke zu ermäßigten Preisen die Messe besuchen, sind keine große Hoffnung. Zwar durchstreifen sie brav die Messehallen, allerdings halten sie nur an, um Sackerl, Zuckerl oder sonstige Goodies einzusammeln – die Kameras werden meist ignoriert.

Definition
Eine aktuelle Premium-Digicam definiert sich durch ein möglichst lichtstarkes Objektiv, mit einer Start-Blende von 2,0 oder größer und einen optischen Zoom, der meist unter 6-fach ist. Denn je weniger optischer Zoom, desto weniger Linsen sind zwischen Motiv und Sensor, was sich positiv auf die Bildqualität auswirkt.

Das Gehäuse der 2012er-Premium-Digitalkameras ist nicht größer als das einer normalen Digicam und sollte stylish aussehen – schließlich will man nicht nur die üblichen männlichen Fotoliebhaber gewinnen (siehe oben), sondern auch die weibliche Käuferschicht und die Jungen, denen Design mindestens genauso wichtig wie die Funktion ist. Und das Ganze sollte dann auch nicht mehr als 600 Euro kosten.

Mehr Licht in die Linse
Premium-Digicams, die dieser Definition entsprechen, sind keine Seltenheit auf der Photokina. Olympus zeigt die Stylus XZ-2 (549 Euro). Der Retro-Look steht ihr, sie hat eine durchdachte Bedienung mittels eines verstellbaren Objektiv-Rings und einen Touchscreen. Die Lichtstärke der 12-MP-Cam reicht von 1,8 bis 2,5 bei einem 4-fach optischen Zoom. Die große Blende auch bei höheren Zoomstufen ist relativ neu. Bisherige Premium-Digicams bieten meist einen ähnlich guten Anfangswert, verlieren diesen im Telebereich aber. So hat die ausgezeichnete Sony RX100 ebenfalls eine Ausgangsblende von 1,8, ist beim 3,6-fach Zoom aber bereits auf 4,9.

Fujifilm setzt mit der XF1 ebenfalls auf Retro-Chick (450 Euro) und Kunstleder in drei Farben. Das 4-fach Zoomobjektiv (25 – 100 mm) hat eine Lichtstärke von 1,8 bis 4,9 und kann für den Transport komplett im Gehäuse versenkt werden. Besonders stolz ist Fujifilm auf seine EXR-Technologie. Dabei werden, je nach eingestelltem Modus, zwei Pixel auf dem Sensor zu einem Pixel zusammengefasst, um einen höheren Dynamikumfang oder geringeres Bildrauschen zu erzielen. Im Grunde macht die XF1 mit einem Foto in reduzierter Auflösung das, was andere mit zwei Fotos hintereinander in voller Auflösung machen.

Kamera-Weltmarktführer Canon hat gleich zwei Premium-Digicam-Reihen und für jede das jeweils neue Modell vorgestellt. Die G15 (599 Euro) soll leidenschaftliche Fotografen beglücken und ist eine der wenigen Digicams, die noch einen optischen Sucher haben. Das Objektiv mit 5-fach Zoom hat eine Lichtstärke von 1,8 bis 2,8 und konkurriert damit mit der Olympus XZ-2. Optisch passt die G15 aber nicht zur stylishen Konkurrenz – dafür gibt es die S110 (529 Euro). Mit Blendenwerten von 2,0 bis 5,9 bei einem 5-fach Zoom fügt sie sich gerade noch so in die Premium-Digicam-Riege ein. Sie nutzt den selben 12-MP-CMOS-Sensor wie die G15, hat aber zusätzlich einen Touchscreen und WLAN.

Premium im Vollformat
Das „Premium-Premium"-Modell kommt von Sony. Mit der

(649 Euro) ist bereits eine sehr gute Premium-Digicam erhältlich. Sie nutzt einen Sensor im 1-Zoll-Format, der größer als die Sensoren vieler anderer Premium-Digicams ist.

Mit der RX1 wird noch eines draufgelegt. Gehäuse und Funktion entsprechen der einer Digicam, aber sie hat einen Vollformat-Sensor, wie er nur bei teuren DSLRs verwendet wird. Die Nachteile: Um Größe zu sparen ist es ein Festbrennweiten-Objektiv mit 35mm verbaut und mit einem Verkaufspreis von 3100 Euro ist die Zielgruppe stark eingeschränkt. Auf der Photokina war die Kamera leider nur hinter Glas zu sehen, angegriffen werden durfte sie nicht.

Individualität als Luxusgut
Leicas Premium-Kamera X2 gab es schon vor der Photokina. Die technischen Daten sind trotz des Preises von 1750 Euro wenig beeindruckend: Wie die Sony RX100 hat sie einen Sensor in APS-C Größe aber mit 16 statt 20 MP. Das Objektiv hat eine Festbrennweite von 35mm und eine Blende von 2,8.

Neu ist aber, dass man die X2 jetzt ab Werk individualisieren kann – damit man schon von der Ferne sieht, dass man nicht nur eine teure Kamera, sondern eine extrateure hat. Nutzt man alle Individualisierungsoptionen, kommt die X2 A La Carte auf 2450 Euro. Dazu gehören Gehäuseober- und Unterteil aus Titan, ein Lederbezug ihn zehn Farben, ein färbiges Ledertäschchen und eine Gravur. Letztere ist übrigens fast ein Schnäppchen. Denn wie der Leica-Mitarbeiter am Messestand versichert, kann man um 250 Euro nicht nur die Blitzabdeckung, die Rückseite oder die Oberseite gravieren lassen, sondern auch alle drei zusammen – ohne zusätzlichen Aufpreis.

Abzocke mit System
Individuell wird es auch bei Hasselblad. Zwar nicht mit einer Premium-Digicam, aber so viel Dreistigkeit verdient es, erwähnt zu werden. Die Systemkamera Lunar ist eine Sony NEX-7 (Straßenpreis 1000 Euro) mit neuem Gehäuse und kostet mindestens 5000 Euro.

Mindestens, weil der Preis je nach Farbe und den verwendeten Materialen auf über 7000 Euro steigen kann. Auf die Frage am Messestand, was denn jetzt besser als bei der NEX-7 sei, antwortet der Hasselblad-Mitarbeiter: „Wir machen unsere eigene Firmware." Die ausgestellten Prototypen hatten die bekannten NEX-7-Menüs.

Hasselblad selbst geht mittlerweile in die Defensive und ließ über den Business Development Manager Luca Alessandrini ausrichten, dass man nur Komponenten von Sony kaufe und es keine Sony-Kamera sei, nur wenn man einen Sony-Sensor verwende. Warum sogar die Knöpfe auf den gleichen Positionen sind und sonst auch alle Funktionen und Spezifikationen denen der NEX-7 entsprechen (außer eben das Gehäuse), hat Alessandrini nicht gesagt.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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