Start-up entwickelt "virtuelle Freundin"
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"Digitale Assistenten wie Apples Siri, Amazons Alexa oder Microsofts Cortana haben ein Problem", sagt Dillon Seo: "Sie haben keine wirklich vertrauenswürdigen persönlichen Informationen über ihre Nutzer." Der 30-jährige Südkoreaner hat eine Lösung dafür: Sie heißt Mary, existiert nur im virtuellen Raum und will ihren "Freunden" Präferenz-Daten in persönlichen Gesprächen entlocken.
Die virtuelle Freundin präsentiert Seo, der das Virtual-Reality-Unternehmen Oculus mitgegründet hat und nun mit seinem Start-up Voler Creative virtuelle Welten mit Künstlicher Intelligenz verschränkt, im frisch bezogenen Büro seiner Firma im Seouler Stadtteil Gangnam. Mit ihr interagieren kann man über eine Virtual-Reality-Brille. "Welches Kleid soll ich anziehen?", fragt Mary und zeigt auf zwei Kleidungsstücke, die im virtuellen Raum hinter ihr an einer Wand drapiert sind.
"Magst du Pasta?"
Künstliche Intelligenzen seien heute so weit, dass man mit ihnen Gespräche führen könne, sagt Seo. Sie könnten allerdings nur Fragen mit einer klar definierten Anzahl von Antwortmöglichkeiten beantworten und würden meistens nur reagieren. Mit seinem Start-up habe er deshalb Situationen entworfen, in denen die künstliche Intelligenz den aktiven Part übernehme. Ein Date sei eine der wenigen natürlichen Situationen, in der persönliche Fragen nicht seltsam wirken würden, erläutert der Gründer. Also habe man solche Kennenlern-Situationen "gescripted": "Was ist deine Lieblingsfarbe?", fragt Mary, oder: "Magst du gerne Pasta?"
"Leute tendieren dazu, ehrlich zu antworten, wenn sie ihr Gegenüber attraktiv finden", sagt Seo, dies sei ein grundlegender psychologischer Mechanismus, der in mehreren Studien nachgewiesen worden sei. Das Aussehen ihrer virtuellen Freundin, auch Freunde sollen angeboten werden, können die Nutzer selbst bestimmen. Zu Demo-Zwecken habe man Mary geschaffen: "Wir haben ihr absichtlich keinen Büstenhalter angezogen."
"Sie weiß, was Sie unter Spaß verstehen"
Aus den auf ihre Fragen gegebenen Antworten lerne Mary ihr Gegenüber kennen und könne darauf aufbauend auch komplexere Fragen beantworten. "Wenn Sie etwa in einer fremden Stadt sind und ihr sagen, dass Sie Spaß haben wollen, wird Ihnen Mary entsprechende Vorschläge unterbreiten", sagt Seo: "Denn sie weiß dann, was Sie unter Spaß verstehen."
Die durch die "Spielsituation" generierten Daten könnten auch in Apples Siri, Amazons Alexa oder Microsofts Cortana transferiert oder an Werbetreibende weitergegeben werden: "Das sind Daten, die alle KI-Unternehmen ob Facebook, Google oder Amazon haben wollen."
Finanziert wird Seos Start-up mit dem Geld, das er mit seinem Anteil aus dem insgesamt zwei Milliarden Dollar schweren Oculus-Verkauf an Facebook lukrierte. 15 Mitarbeiter, hauptsächlich Entwickler, beschäftigt der Gründer mittlerweile. 2017 soll die "virtuelle Freundin", von der es bislang nur eine Demo-Version gibt, fertig sein.
Vorbild "Her"
Auf die Idee habe ihn der Film"Her"gebracht, in der sich der von Joaquin Phoenix gespielte introvertierte Autor Theodore Twombly in eine künstliche Intelligenz namens "Samantha" verliebt. "Ich habe begonnen Samantha so zu sehen, wie sie auch der Protagonist des Films sieht", erzählt Seo. Ohnehin würden mehr und mehr Leute fast ausschließlich über soziale Netzwerke oder Messaging-Dienste interagieren und ihre Kontakte pflegen. Ob das Gegenüber eine virtuelle Figur oder ein Mensch aus Fleisch und Blut sei, mache da keinen Unterschied.
Wie weit können Beziehungen zwischen künstlichen Intelligenzen und Menschen gehen? "Ich weiß es nicht", sagt Seo. Er wisse nur, dass die Leute immer mehr vereinsamen. Er werde auch oft gefragt, was seine Frau zu der virtuellen Freundin sage, erzählt Seo, der verheiratet ist und zwei Kinder im Volksschulalter hat: "Sie ist nicht eifersüchtig. Sie weiß, dass die künstliche Intelligenz mir etwas geben kann, was sie mir nicht geben kann und umgekehrt."
Auch "körperlicher Kontakt"
In weiteren Entwicklungsschritten soll auch "körperlicher Kontakt" mit der virtuellen Freundin möglich sein, sagt Seo: „Es gibt eine Menge Sexspielzeug da draußen, das über eine Programmierschnittstelle angeschlossen werden kann.“
Auf die Frage warum man Menschen dazu ermutigen sollte, mit künstlichen Intelligenzen anstatt miteinander zu kommunizieren, schüttelt der Gründer den Kopf. Eine solche Frage könne man nur stellen, wenn man gesund sei und von der Gesellschaft voll und ganz akzeptiert werde: "Was ist mit Leuten, die keine Chance haben andere Leute kennenzulernen, weil sie hässlich oder gebrechlich sind? Stellen Sie sich vor, Sie sind alt und ihre Partnerin ist nicht länger bei Ihnen. Künstliche Intelligenzen wie Mary könnten dann mit Ihnen interagieren. Die Daten können auch in Pflegeroboter eingespeist werden."
"Beweisen, dass es funktioniert"
Über die gesellschaftlichen Implikationen des intimen Kontakts mit künstlichen Intelligenzen redet Seo nicht gerne. Auch die Fragen, ob Frauen auf diese Art nicht zu Objekten degradiert würden und aus der Interaktion mit virtuellen Freunden falsche Vorstellungen von sozialer Interaktion erwachsen könnten, wischt Seo zur Seite.
Er wolle mit seinem Start-up lediglich einen Weg aufzeigen, effektiv vertrauenswürdige Daten zu sammeln, meint der Gründer. "Ich will beweisen, dass es funktioniert und dann das Start-up möglichst schnell verkaufen." An Facebook, das auch Oculus übernahm? "An wen auch immer", sagt Seo.
Disclaimer: Die futurezone war im Rahmen der Foreign Investment Week auf Einladung der staatlichen Organisation Invest Korea in Seoul zu Gast. Flug- und Hotelkosten wurden von Invest Korea übernommen.
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