An employee enters a train in the Huawei's Ox Horn campus at Songshan Lake in Dongguan, Guangdong province
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Zu Besuch bei Huawei: Wie tausende Mitarbeiter der Krise trotzen

Wenn die Zeiger zwölf Uhr zeigen, stehen die Maschinen in Shenzhen plötzlich still und tausende Menschen setzen sich in Bewegung. Es ist Mittagspause in der Fabrik von Huawei, einem der größten Technologie-Konzerne Chinas. Die Straßen des 1,4 Quadratkilometer großen Fabrikgeländes füllen sich binnen weniger Minuten mit tausenden Menschen, die ihre einstündige Pause möglichst gut nutzen wollen. Dazu hat Huawei eigens eine Kantine gebaut, die tausende Mitarbeiter gleichzeitig verköstigen kann.

 

Diese Effizienz ist nicht nur in der Kantine zu finden. In den großen Produktionshallen läuft fast jede Sekunde ein Smartphone vom Band. Das Tempo legt laufend zu, die Zahl der Arbeiter nimmt hingegen ab. Während früher noch 86 Personen pro Produktionslinie erforderlich waren, sind es heute nur mehr 17. Fast jeder Schritt an der 120 Meter langen Produktion, vom Zusammenbau der Platine und einzelner Komponenten, über das Testen bis hin zum Verpacken, wird mittlerweile von Maschinen und Robotern übernommen. Menschen kommen nur mehr vorbei, wenn etwas schiefgeht oder Komponenten nachgefüllt werden müssen.

Doch geht es nach dem US-Präsidenten Donald Trump, stehen diese Maschinen schon bald ganz still. Er setzte Huawei auf eine schwarze Liste, die Handel mit US-Unternehmen untersagt. Ein harter Schlag, der eigentlich jedes Unternehmen lahmlegen würde. Doch Huawei hält vorerst dagegen – auch da man sich bereits seit Jahren auf diese Situation vorbereitet.

Das Unternehmen ist mit 32 Jahren relativ jung, stieg aber als Ausstatter von Telekom-Konzernen rasch zum Milliardenkonzern auf. Der breiten Öffentlichkeit wurde man erst durch Smartphones bekannt, das Geschäft blühte in den vergangenen Jahren auf. Allein im Vorjahr verkaufte man 206 Millionen Smartphones. Zuletzt überholte man sogar Apple, nur der südkoreanische Konkurrent Samsung verkauft noch mehr Geräte.

Huaweis rasantes Wachstum ist auch eng mit Shenzhen verknüpft, in dem das Unternehmen heute noch seinen Sitz hat. Die Hafenstadt, die als das Silicon Valley Chinas gilt, wuchs als Sonderwirtschaftszone rasant: 1980 lebten hier noch 30.000 Menschen, heute sind es offiziell mehr als zwölf Millionen. Dazu zählt auch knapp ein Drittel der knapp 180.000 Huawei-Mitarbeiter. Erst kürzlich wurde im nahegelegenen Dongguan ein neuer Campus eröffnet, wo künftig bis zu 25.000 Mitarbeiter an neuen Produkten und Technologien forschen sollen.

Das Ungewöhnliche daran: Während Apple und Google mit Science-Fiction-ähnlichen Bürokomplexen Talente locken, hat Huawei kurzerhand für rund 1,3 Milliarden Euro mehrere europäische Städte nachgebaut. Auf neun Quadratkilometer Fläche wurden Teile von Städten wie Granada, Brüssel, Verona oder Paris zum Verwechseln ähnlich kopiert. Diese können mit einer Schweizer Straßenbahn erkundet werden, die im Fünf-Minuten-Takt von Stadtteil zu Stadtteil fährt. Eine Rundtour, die unter anderem über die Budapester Freiheitsbrücke und vorbei am Heidelberger Schloss führt, dauert knapp 20 Minuten.

Kampf um Talente

Doch hinter der ebenso eindrucksvollen wie skurrilen Inszenierung steckt Kalkül. Die europäische Kultur ist in China beliebt, ähnliche Kopien europäischer Wahrzeichen oder Städte finden sich dort häufig als Freizeitparks – doch hier können die Forscher tatsächlich leben und arbeiten. Neben 24 Kantinen, unzähligen Cafés und Restaurants lockt man aber auch mit ähnlichen Zusatzangeboten wie die US-Konzerne. So bekommen die Mitarbeiter etwa Fitnesscenter, Kunstkurse, Sportvereine, Freizeitaktivitäten und vieles mehr geboten. Nur so bekommt man auch die hart umkämpften Talente, die zumindest in Shenzhen die freie Wahl haben. Neben Huawei haben hier auch ZTE, Drohnen-Hersteller DJI, Internet-Konzern Tencent sowie iPhone-Produzent Foxconn ihren Sitz.

Auch Tiere, unter anderem seltene schwarze Schwäne aus Australien, treiben sich auf dem Gelände herum. Diese sollen aber nicht nur hübsch aussehen, sondern die Mitarbeiter daran erinnern, stets wachsam zu bleiben. Denn ebendas besagt die sogenannte Theorie vom Schwarzen Schwan: auch ein sehr unwahrscheinliches Ereignis mit schlimmen Auswirkungen kann jederzeit eintreten. Vorsicht, die das Unternehmen vor dem Untergang bewahren könnte.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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