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BepiColombo: Hightech aus Österreich auf der langen Reise zum Merkur

Unter den inneren Planeten unseres Sonnensystems nimmt Merkur eine besondere Rolle ein. Über den sonnennächsten Planeten wissen wir nämlich noch sehr wenig. Während die Venus und vor allem Mars relativ gut erforscht sind, gibt es vom Merkur nur ganz wenige Daten. Mit der BepiColombo-Mission (benannt nach dem italienischen , die ein Gemeinschaftsprojekt der Raumfahrtagenturen Europas und Japans ist, soll die planetare Wissenslücke geschlossen werden. Die Raumsonde besteht aus dem Transportmodul und zwei Satelliten, die in einen Orbit um den Merkur geschickt werden.

Wolfgang Baumjohann

Der Start ist am frühen Samstagmorgen vom französischen Weltraumhafen Kourou aus erfolgt. “Bisher sind nur zwei Sonden in der Nähe des Merkurs gewesen. Die Reise ist extrem aufwändig. Nach der Mission werden wir über Merkur ungefähr so viel wissen wie über die Venus. Die Kosten für die Europäische Raumfahrtagentur ESA bewegen sich in der Größenordnung von einer Milliarde Euro. Gemeinsam mit Rosetta ist das wohl die bisher größte Herausforderung für die ESA”, sagt Wolfgang Baumjohann vom Weltraumforschungsinstitut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der futurezone.

Ein Grund für die wissenschaftliche Vernachlässigung des Merkur ist, dass der Weg zum Planeten äußerst beschwerlich ist. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass eine Merkur-Sonde sich einfach nur in Richtung Sonne fallen lassen kann und damit weniger Aufwand betreiben muss als eine Raumsonde, die zu äußeren Planeten fliegt. Die Distanz zur Erde ist mit etwa 70 Millionen Kilometer zwar recht gering, doch die Gravitation der Sonne und die durch die von der Erde mitgegebene hohe Anfangsgeschwindigkeit erfordern, dass viel Energie für das Bremsen investiert werden muss. “Wir müssen zuerst die Erdorbitalgeschwindigkeit loswerden und am Ende die Umlaufgeschwindigkeit des Merkur erreichen”, sagt Baumjohann.

Damit das überhaupt funktioniert, nutzt die Erde, die Venus und am Ende den Merkur selber, um langsamer zu werden. Insgesamt neun Vorbeiflüge an Planeten wird Bepi deshalb durchführen. “Wenn man nur mit einem Triebwerk bremsen würde, wäre es zu schwer für die Mission. Wir brauchen die Planeten, um die Geschwindigkeit loszuwerden”, sagt Baumjohann. Dadurch dauert die Reise insgesamt sieben Jahre. Angetrieben wird BepiColombo vom größten bisher gebauten Ionentriebwerk. Das ist eine Premiere für eine interplanetare Mission.

“Der große Vorteil ist, dass nur sehr wenig Reaktionsmasse als Treibstoff mitgeführt werden muss, weil die Geschwindigkeit des elektrisch beschleunigten Plasmas so hoch ist”, sagt Baumjohann. Mit Energie versorgt wird das Ionentriebwerk durch Photovoltaiksegel. “Die Sonnenstrahlung ist aber so stark in der Umgebung des Merkur, dass der Einstrahlungswinkel genau justiert werden muss. Obwohl mehr Sonnenenergie zur Verfügung stünde als auf der Erde, ist die Effizienz der Photovoltaikpanele etwas geringer, weil der Winkel so flach gehalten werden muss”, sagt Baumjohann. Für das letzte Abbremsen am Merkur ist noch ein traditionelles Raketentriebwerk mit an Bord.

Die hohen Temperaturen, die im Bereich der Merkurumlaufbahn herrschen, sind ebenfalls eine Herausforderung. An der Sondenoberfläche steigen die Temperaturen hier auf bis zu 400 Grad Celsius. Dafür haben die Konstrukteure mit Spiegeln und speziellen Isolationsmatten aus Keramikfasern, die vom österreichischen Standort der RUAG Space geliefert werden, eine Lösung gefunden. Dabei mussten sie auch berücksichtigen, dass der Planet selbst relativ viel Hitze abstrahlt.

Wassereis

Die Ankunft ist für den 5. Dezember 2025 vorgesehen. Dann wird BepiColombo zwei Satelliten in Umlaufbahnen um den Merkur aussetzen. Diese werden den Planeten dann genau unter die Lupe nehmen. Die Instrumente an Bord sollen unter anderem den Nachweis erbringen, dass es in schattigen Kratern an den Polen Wassereis gibt.

Auch die Klärung des inneren Aufbaus des Merkurs steht ganz oben auf der Wunschliste der Forscher. Merkur hat ein schwaches Magnetfeld, von dem unklar ist, wie es im Inneren des Planeten erzeugt wird. “Wir wollen wissen, wie der Kern aufgebaut ist und wie er das Magnetfeld erzeugt. Da gibt es nämlich noch ein zweites Rätsel. Der Merkur ist zu schwer. Vermutet wird, dass er im Zuge seiner Entstehung bei einer Kollision zerbrochen ist und der starke Sonnenwind die Gesteinsanteile weggeblasen hat, sodass das Eisen konzentriert wurde”, erklärt Baumjohann.

Mercury Planetary Orbiter (MPO) der ESA und Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO) der japanischen Weltraumagentur JAXA

Genauer untersucht wird auch die Exosphäre des Merkur. Dabei handelt es sich um eine extrem dünne Gashülle, die durch den starken Sonnenwind einem ständigen Teilchenaustausch unterliegt. Sie enthält hauptsächlich Wasserstoff, Helium, Sauerstoff, Natrium, Calcium, Kalium und Wasserdampf, bei einem Druck von lediglich 10-14 Bar. BepiColombo wird die Zusammensetzung und Dynamik der Exosphäre genau analysieren.

Werner Magnes

Beide Satelliten werden Instrumente aus Österreich einsetzen. Das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat zwei Magnetometer und eine Ionenkamera für die Mission entwickelt. “Die Ionenkamera misst ionisierte Teilchen, die von Merkur reflektiert werden und erfasst ihre Richtung, Masse und Energie. Die beiden Magnetometer sind ähnlich aufgebaut, beide verwenden je zwei Sensoren für die Vermessung des Magnetfeldes. Das hilft, die Störfelder des Satelliten herauszurechnen und dient im Notfall als Backup”, sagt Werner Magnes, der stellvertretende Leiter der Forschungsgruppe “Space Magnetometer” am Institut für Weltraumforschung.

Die Entwicklung der Instrumente in Österreich wurde aus Mitteln des Austrian Space Applications Programme kofinanziert. “Den ersten Antrag haben wir schon 2005 gestellt. Die Gesamtkosten belaufen sich auf vier bis fünf Millionen Euro”, sagt Magnes. Die Instrumente aus Österreich waren bereits relativ früh fertig. Derzeit läuft die Arbeit am Projekt deshalb auf Sparflamme. “Das ändert sich mit dem Start. Dann beginnt eine Phase der Tests und Analysen. Die Instrumente werden auch bei den Vorbeiflügen an den Planeten und zwischendurch im interplanetaren Raum eingeschaltet. Da wird vor allem die Venus interessant”, sagt Magnes.

Für die Daten eines der Magnetometer und der Ionenkamera ist Österreich hauptverantwortlich. “Wir laden die Daten herunter und bereiten sie auf. Dadurch haben wir auch einen Vorteil bei der wissenschaftlichen Verwertung. Es wird einige Publikationen aus unserem Institut geben”, sagt Magnes. Die Datenübertragungsrate liegt zwischen fünf und fünfzig Kilobit pro Sekunde. Weitere Missionen zum Merkur sind derzeit nicht geplant. Mit den Daten von BepiColombo werden die Forscher aber ohnehin jahrelang beschäftigt sein.

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Markus Keßler

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