Der Bike Sharing Atlas enthält Mietfahrrad-Dienste aus aller Welt - nicht nur aus Wien
Der Bike Sharing Atlas enthält Mietfahrrad-Dienste aus aller Welt - nicht nur aus Wien
© KURIER/Gerhard Deutsch

Forschung

Bike Sharing Atlas zeigt, wo die Mieträder stehen

Auf der Webseite BikeSharingAtlas.org kann man sich ansehen, in welchen Verleihstationen in 460 Städten auf der ganzen Welt gerade wie viele Mieträder verfügbar und wie viele Stellplätze frei sind. Man kann sich den Verlauf der Füllstände im Gesamtdurchschnitt, im Verlauf der vergangenen Woche und im Verlauf der vergangenen eineinhalb Jahre ansehen. Dazu gibt es aktuelle Wetterdaten, Höhenprofile und Aktivitätswerte im jeweiligen Bikesharing-Netzwerk. Auch ein Routenplaner ist integriert. Die Daten werden alle 15 Minuten aktualisiert.

Daten nutzbar machen

Der Bike Sharing Atlas ist das vorläufige Resultat eines Projekts der Visualisierungs- und Datenanalyse-Forschungsgruppe des Instituts für Informatik an der Universität Wien. Bei dem Projekt geht es darum, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man große Datenmengen am besten verknüpfen und so visualisieren kann, dass sie für unterschiedliche Nutzergruppen verwertbar werden. Im speziellen Fall sollen etwa Online-Nutzer greifbare Daten zu Bikesharing-Netzwerken erhalten und mit ihnen interagieren.

Am Informatik-Institut der Universität Wien wurde der Bike Sharing Atlas entwickelt

Wiener fahren gerne bergab

Wer sich etwa fragt, welche Stationen des Citybike-Netzwerks in Wien etwa diejenigen sind, die durchschnittlich die niedrigsten Füllstände aufweisen, so stößt man darauf, dass diese sich im Allgemeinen in höherer Lage befinden. "Die Wiener fahren mit dem Rad gerne bergab", könnte ein möglicher Schluss sein, meint Projektmitarbeiter Michael Sedlmair. In London wiederum kann man feststellen, dass Mieträder offenbar gerne von Pendlern verwendet werden. Während der Rush Hours kann man starke Zu- und Abgänge an den Radstellplätzen erkennen. Die Räder sammeln sich tagsüber im Stadtzentrum, während sie am Abend wieder an die Peripherie wandern.

Am Informatik-Institut der Universität Wien wurde der Bike Sharing Atlas entwickelt

Beziehungen herstellen

Mit dem Bike Sharing Atlas können einerseits interessierte Privatpersonen Daten durchforsten und vergleichen, andererseits kann das Werkzeug in einer erweiterten Version auch Bikesharing-Anbietern oder Städteplanern helfen, erklärt Sedlmair. "Wir wollen die Radnetzdaten mit zusätzlichen Informationen verknüpfen, etwa die Einwohnerzahl von Bezirken oder Daten zum Autoverkehr." Je mehr Faktoren man kenne, desto eher könne man Kausalitätsbeziehungen herstellen.

Win-Win-Situation

Viele der Daten, die in den Bike Sharing Atlas einfließen, sind öffentlich verfügbar, andere werden von Partnern geliefert - im Falle von Citybike in Wien etwa Betreiber Gewista. "Wir wollen eine Win-Win-Situation generieren. Der Nutzen für Datenlieferanten ist, dass sie ein Werkzeug erhalten, das ihnen hilft, ihre Daten zu verstehen. Der Nutzen für die Forschung ist, dass man aus realen Fallstudien lernen kann", sagt Sedlmair. Den Projektmitarbeitern sei es wichtig, "nicht im Elfenbeinturm zu sitzen", sondern Forschung mit realem Nutzen zu verknüpfen.

Bei Bike Sharing Atlas gehe es schließlich auch darum, die "Human Data Interaction" zu verbessern. "Wie kann ich Menschen dazu befähigen, mit Daten zu interagieren und Daten angreifbar machen?", sei eine der Fragestellungen des Projekts.

Am Informatik-Institut der Universität Wien wurde der Bike Sharing Atlas entwickelt

Anonymisierte Daten

Die angelieferten Daten können nicht mit spezifischen Personen verknüpft werden. Einzelne Verleihvorgänge werden nicht verfolgt, auch wenn sich das Datenmaterial dadurch verbessern ließe. Die Radfüllstände an den Stationen werden außerdem nur alle 15 Minuten gemessen, um die gespeicherte Datenmenge zu begrenzen. Die momentan vorhandenen Daten lassen aber bereits jede Menge Rückschlüsse zu, meint Sedlmair. "In Mexico City sieht man etwa, dass das Bikesharing-Netz extrem dicht ist, aber nur in manchen Bezirken. Dabei scheint es sich wohl um die weniger gefährlichen zu handeln."

Am Informatik-Institut der Universität Wien wurde der Bike Sharing Atlas entwickelt

Weiterführung möglich

Das Projekt Bike Sharing Atlas sei vor zwei Jahren begonnen worden. Ein Großteil der Arbeit hat ein Student, Michael Oppermann, im Rahmen seiner Masterarbeit vollbracht. Die Abschlussarbeit sei nun fertig, somit auch das Projekt. "Wir überlegen aber, damit weiterzumachen", meint Sedlmair. Mit verschiedenen öffentlichen Einrichtungen und Privatunternehmen werden derzeit Gespräche dazu geführt. Sie könnten von der Analyse des Nutzerverhaltens profitieren.

Einer der Anwendungsfälle sei etwa das so genannte "Rebalancing", also die Aufteilung des Fahrradbestandes auf alle Stationen eines Bikesharing-Netzwerks. "Man kann die Räder etwa mit Lastwägen verteilen und dabei die optimale Route herausfinden. Oder man macht das mit Gamification, gibt Nutzern also Anreize dafür, Räder an eine bestimmte Stelle zu bringen."

IMAGINE17-Konferenz

Datenvisualisierung ist Thema eines Vortrags, den Michael Sedlmair demnächst auf der Konferenz IMAGINE17/Austrian Computer Science Day 2017 halten wird. Die jährlich vom bmvit organisierte Veranstaltung - in diesem Jahr von 20. bis 21. Juni in Wien - dreht sich heuer unter anderem um Big Data. Die Anmeldung dazu ist kostenlos und derzeit noch möglich.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer entgeltlichen Kooperation mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit). Die redaktionelle Verantwortung obliegt allein der futurezone-Redaktion.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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