© Gilbert Novy

Interview

Cisco: „Flugzeuge werden künftig ausgedruckt“

futurezone: 100 Prozent ihrer Prognosen werden wahr, behaupten Sie? Wirklich?
Dave Evans: Ja, bislang schon. Ich sitze ja nicht herum und stelle wahllos Behauptungen auf. Ich sehe Trends voraus. Was ich nicht mache, ist etwa, dass ich behaupte, am 17. Juni 2015 passiert das oder das. Ich schaue auf aufkommende Trends. 1991 hab ich vorhergesagt, dass das WWW ein gewaltiges Phänomen ist. 1975 hab ich vorhergesagt, dass es gehirngesteuerte Interfaces geben wird. Ich war damals sieben Jahre alt. Und jetzt ist es möglich.

Jeder Futurist wird nach den Mega-Trends gefragt. Wie viele sehen Sie?
Es gibt sicherlich mehr als zehn Mega-Trends. Es gibt aber zwei, drei, mit denen ich mich derzeit ein wenig intensiver befasse. Etwa das Thema 3D-Drucken. Die Qualität der ausgedruckten Objekte ist unglaublich. Da sieht man keine Nähte, keine Linien und es gibt mittlerweile 70 verschiedene Materialien, von Metallen bis hin zu rostfreiem Stahl, Plastik, Keramik – auch Polycarbon-Sicherheitsgläser.

Also kein Hype?
Gar nicht. 3D-Druck erlaubt es jedem, ein Erfinder zu sein. Dazu kommt: Ich muss es nicht produzieren, ich kann die Innovation teilen. Und es ändert sich der Produktionsvorgang, weil die Menschen die Produkte zu Hause ausdrucken können. Das Netzwerk ist der Logistik-Provider. Ich lade mir praktisch die „Rezepte" übers Netzwerk auf meinen 3D-Drucker und produziere es daheim.

Was wird das größte Objekt sein, das ich mir daheim ausdrucken werde können? Vermutlich kein Auto?
Vielleicht doch. Boeing beispielsweise sagt voraus, dass man im Jahr 2050 ganze Flugzeuge wird ausdrucken können, weil es Drucker geben wird, die so groß wie ein Flugzeug-Hangar sein werden. Alles, von den Rädern über die Flügel bis zu den Sitzen. Aber wenn man ein Flugzeug, sagen wir eine Boeing 747 ausdrucken kann, kann man praktisch alles ausdrucken.

Ein Architekt meinte kürzlich, man werde auch Häuser ausdrucken.
Es gibt 3D-Drucker, die werden Häuser ausdrucken. Das Limit ist der Platz, den man daheim für seinen 3D-Drucker hat. Vor zwei Jahren schon wurde ein 3 Meter im Durchmesser großes Triebwerk gezeigt, das als ganzes gedruckt wurde. Es war für einen Prototyp. Aber es können 97 Prozent der Kosten eingespart werden im Vergleich zur herkömmlichen Produktion. Das ist ein Argument. Statt neun Monaten dauerte die Produktion nur eineinhalb Monate. Selbst wenn sie es nur für Prototypen verwenden, ersparen sie sich eine Menge Geld und Zeit. In einigen Jahrzehnten wird das Routine sein. Interessant ist die Frage, was passiert, wenn ein 3D-Drucker einen 3D-Drucker drucken kann.

Tauschen Sie sich auch mit anderen Futuristen und Trendforschern aus, von Negroponte bis Naisbitt?
Natürlich. Ich unterrichte an der Singularity University, ich stehe mit dem Institute of Future in Palo Alto in Kontakt, wir Futuristen folgen einander und teilen unsere Informationen.

Sie haben ja Roboter-Cars vorhergesagt. Was sind die Trends im Transportbereich?
Wenn man heute ein Auto kauft, denkt man nicht über elektrische Fensterheber nach, die sind Standard. Waren es aber vor zehn Jahren noch nicht. In zehn Jahren wird man nicht wählen können, ob man Wlan im Auto haben will, da wird der Internet-Zugang ebenfalls Standard sein. Im Jahr 2045 werden 75 Prozent der Autos selbstständig fahren. Man wird sich hineinsetzen und die Autos werden losfahren und man wird daneben etwas anderes tun können. Audi oder Toyota haben das ja auf der CES schon gezeigt. Google hat das autonome Fahren in Nevada realisiert. Wenn ich an Autos denke, sehe ich das Auto als Computer-Plattform. Autohersteller werden ihre Systeme öffnen und erlauben, dass man für ihre Fahrzeuge Apps entwickelt. So, wie es jetzt bei den Smartphones passiert. Und die Auto-Hersteller sind, so wie es Apple macht, mit einem gewissen Prozentsatz am Verkauf der App beteiligt.

Welche Apps wird es da geben?
Apps für Navigation, für den Entertainment-Bereich, für Concierge-Services, Sicherheits-Apps, Versicherungs-Apps – da werden sicherlich bald tausende von Apps entwickelt werden können.

Aktuell spricht man auch viel über das das Internet der Dinge.
Das ist ein anderer großer Trend, das „Internet of Everything". Milliarden von Geräten werden miteinander verbunden. Aber wir glauben, dass weniger als ein Prozent der Geräte, die verbunden werden können, tatsächlich auch verbunden werden. Wenn man heute um die Welt schaut, gibt es etwa 1,5 Billionen Geräte, die davon profitieren könnten, dass sie mit dem Internet verbunden sind. Dinge, von denen man es gar nicht erwartet, dass man sie online stellen könnte. Es wird nicht jeder Toaster oder Kühlschrank im Internet hängen, aber sicher jedes Auto; und es gibt 2 Milliarden davon und bis Ende des Jahrhunderts sind es 4 Milliarden. Auch das Wearable-Computer-Thema wird explodieren. Und man wird künftig die Computer nicht nur in der Kleidung oder am Körper tragen, sondern die Menschen werden sie auch implantiert haben. Es gibt ja schon die intelligenten Pillen, die man schluckt, und die den Körper von innen aus untersuchen. Oder Kontaktlinsen, die am Internet hängen.

Bei Chip-Implantaten fällt mir der verbundene Mensch ein. Sie selbst haben ja vor geraumer Zeit den Begriff des „connected athlete" geprägt.
Athleten werden künftig mit dem Internet verbunden sein. Wir können ihre Herzfrequenz ablesen, ihr Tempo, Helme werden mit Sensoren ausgestattet sein und sie werden Implantate tragen.

Würde das auf alle Sportarten übertragbar sein?
Auf viele. Stellen Sie sich etwa Fußball vor. Sie wollen sich von David Beckham inspirieren lassen, wissen aber nicht, wie er es macht. Was wäre, wenn Beckham instrumentalisiert wäre, überwacht durch verschiedene Gadgets, Geräte und Sensoren in seiner Kleidung und am und im Körper. Diese Infos nimmt man dann und kann praktisch in die Rolle David Beckhams schlüpfen, weil man das gleiche Outfit trägt, das diese Daten verarbeiten kann. Man kann seine Bewegungen reproduzieren, seine Tricks nachmachen, den richtigen Abschusswinkel wählen. Da können andere Spieler davon lernen, auch Kinder und man kann dieses Wissen in Videogames einbauen. Auch Golfer werden mit Hilfe dieser Technologie den richtigen Schwung von Tiger Woods kopieren können.

Wie werden Roboter künftig unser Leben bereichern?
Wir werden künftig nicht nur mit Robotern, sondern mit virtuelle Roboter-Menschen leben. Heute gibt es etwa 90 Millionen Roboter auf der Erde. Die Roboter-Population verdoppelt sich alle 24 Monate.

Das bedeutet, dass es 2030 mehr Roboter als Menschen geben wird.
Genau. Roboter wird es in allen Formen und Größen geben, es wird sie in unseren Arterien geben, sie werden daheim das Hause sauber halten und sie werden uns in die Arbeit fahren, weil unsere Autos zu Roboter werden. Sie werden auch als Arbeitskollege eingesetzt. Aber wir werden dann im Jahr 2030 auch mehr virtuelle Menschen sehen.

Wie kann man sich das vorstellen?
In vielen Ländern gibt es im Bereich der Gesundheitsversorgung zu wenig Beschäftigte. Daher müssen wir zu künstlichen Lösungen wechseln. In etwa 15 Jahren wird man einen Arzt aufsuchen, aber der wird kein Mensch sein, sondern ein synthetisches Wesen. Solche Lösungen wird es im Gesundheitsbereich geben, wenn man juristische Hilfe braucht oder Infos über ein Auto einholen möchte.

Warum soll ich mit einer virtuellen Person reden wollen? Ich bevorzuge den persönlichen Kontakt.
Manchmal macht es mehr Sinn, mit der virtuellen Person zu reden. Etwa wenn man beim Einkaufen Hilfe braucht oder man eine Hotline anruft und einen Ersatzteil ordern will. Spricht man mit einem Menschen, ist man limitiert auf das, was dieser Mensch weiß. Eine virtuelle Person ist mit verschiedensten Datenbanken auf der ganzen Welt verknüpft und kann die Daten abrufen. Wenn man mit einer Hotline spricht, merkt sich das System die Stimme und das Gesicht, und wenn man dann tatsächlich in das Geschäft geht, wird man sofort erkannt und muss nicht von Neuem beginnen.

Ist es wirklich schön, in solch einer Welt zu leben?
Ich glaube nicht, dass es eine Welt ist, in der Maschine andere menschliche Kommunikation und Interaktion negieren. Die Maschinen sind nur Werkzeuge. Es erlaubt uns, die Zeit besser zu nutzen, wenn man etwa an die Anfahrt zum Arbeitsplatz denkt. Das kann heute stressig sein. Aber wenn man sich im Auto entspannen kann? Es verbessert die menschliche Interaktion. Der Arzt weiß auch plötzlich mehr als früher.

Wird der Arzt dann durch einen virtuellen Doktor ersetzt?
In manchen Fällen sicher. Wie oft gehen Sie zu einer Bank? Vielleicht zu einem Geldautomaten, Bankgeschäfte erledigt man online. Niemand regt sich aber auf, dass die menschliche Interaktion mit dem Bankangestellten weniger geworden ist. In der neuen Welt wird niemand ersetzt, sondern es wird die Welt aufgewertet.

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Dave Evans:
Seit 22 Jahren ist der heute 45jährige Dave Evans bei Cisco, damals hatte der US-Ausstatter aus San Jose noch 200 Mitarbeiter, heute sind es weltweit mehr als 66.000. Seine Funktionen sind Chef-Futurist und Senior Director und Chef-Technologis für Ciscos Internet Business Solutions Group (IBSG). Seine Hobbies sind Roboter, eBay – pro Jahr kauft er auf eBay Gadgets im Wert von etwa 100.000 Dollar ein – und fischen. Evans ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Man kann Dave Evans auf Twitter @DaveTheFuturist folgen.

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