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Wie funktioniert die Genschere CRISPR?

Auf vielen Lebensmitteln steht in Österreich „gentechnikfrei“ drauf. Für viele Konsument*innen ist das ein Garant dafür, dass ein Nahrungsmittel „gut“ ist, denn Gentechnik wurde jahrelang als „böse“ wahrgenommen. Jetzt gibt es eine neue Technologie, die als Neue Genomische Technik (NGT) oder auch als Genome Editing bezeichnet wird.

Diese Technologie soll in der Landwirtschaft leichter zum Einsatz kommen und weniger strengen Regeln unterliegen, wenn es nach den Plänen der EU geht. Doch der Protest dagegen ist groß. Die futurezone hat sich das neue, moderne Verfahren der Genschere mit CRISPR/Cas mit einer Pflanzenbiotechnologin der Universität für Bodenkultur angesehen und listet die wichtigsten Fragen und Antworten dazu auf.

Das sind die Pläne der EU bezüglich Gentechnik

Die EU-Kommission schlägt vor, gentechnisch veränderte Pflanzen in 2 Kategorien zu unterteilen. Für beide Kategorien sollen unterschiedliche Anforderungen gelten, um auf den Markt zu gelangen.

  1. Die erste Kategorie enthält Pflanzen, die mit natürlich vorkommenden Pflanzen vergleichbar sind. Ihre gentechnischen Veränderungen könnten auch natürlich entstehen. Pflanzen der ersten Kategorie würden einem Überprüfungsverfahren unterzogen. Erfüllen sie bestimmte Kriterien, gelten sie laut Vorschlag als normale Pflanzen und fallen nicht mehr unter die Anforderungen der geltenden EU-Gentechnik-Richtlinie.
     
  2. Pflanzen der zweiten Kategorie würden umfangreicheren Tests unterzogen. In diese Kategorie fallen Gewächse mit komplexeren Veränderungen im Genom. Sie müssten wie bisher die umfangreichen Verfahren zur Risikobewertung durchlaufen, die in der geltenden EU-Regelung vorgesehen sind.

Was ist die Genschere?

Die CRISPR/Cas9-Technologie ist eine biochemische Methode. Ganze Gene können damit komplett entfernt oder eingefügt werden. Das funktioniert bei allen Organismen und damit auch bei Pflanzen. Auswirkungen gibt es dadurch in der Landwirtschaft. Mit der CRISPR/Cas9-Technologie ist es etwa nicht mehr nachweisbar, ob bestimmte Dinge gentechnisch manipuliert worden sind. Ein Beispiel: Wenn bei einer Apfelsorte etwa Schädlingsresistenz erreicht wird, ist dabei nicht mehr klar, ob diese durch natürliche Züchtung erreicht worden ist oder mit Hilfe von CRISPR/Cas9.

Wie funktioniert die Genschere?

Die CRISPR/Cas9-Technologie ist ein molekularbiologisches Verfahren, das wie folgt funktioniert: Man schneidet damit einen DNA-Strang an einer bestimmten, vorgegebenen Stelle durch, um ihn dann in Folge gezielt zu verändern. Dort, wo er durchgeschnitten wird, können gezielt einzelne DNA-Bausteine eingefügt, entfernt oder modifiziert werden.

Einsatz von Gentechnik

CRISPR ist eine Genomsequenz, mit der sich Bakterien gegen Viren wehren. Bei einer Infektion spaltet ein Schneideprotein (Cas) die DNA der eingedrungenen Viren auf. Die Bruchstücke werden in kurzen, sich wiederholenden Fragmenten in einen speziellen Abschnitt (CRISPR = Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) im Bakterien-Erbgut eingefügt. Wiederholt sich der Virenbefall, meldet sich das Cas-Protein und zernschneidet die Viren-DNA. Dieses Prinzip gilt aber nicht nur in Bakterien und Viren, sondern funktioniert in allen lebenden Zellen, also auch in Pflanzen.

Für die Pflanzenwelt bedeutet das: „Mit CRISPR/Cas9 löst man bei Pflanzen Mutationen aus, die im Grunde genau das Gleiche sind wie natürliche Mutationen“, erklärt die Universitätsprofessorin Eva Stöger, die das Institut für Pflanzenbiotechnologie und Zellbiologie an der Universität für Bodenkultur in Wien leitet, im Gespräch mit der futurezone. „Der einzige Unterschied ist der, dass man sich das Gen gezielt aussucht und auch die Stelle, an der die Mutation stattfindet. Das ist ein großer Fortschritt der Technologie“, sagt Stöger.

Was ist der Unterschied zu alten Gentechnik-Verfahren?

„Bei der alten Gentechnik ging es darum, dass DNA und ganze Gene in Pflanzengenome eingebracht und zusätzlich integriert worden sind. Das war ein additives Verfahren“, erklärt Stöger. „Bei CRISPR/Cas arbeitet man hingegen mit einem Mutagenese-Verfahren, welches in der Evolution ständig von selbst passiert“, so die Pflanzenbiotechnologin.

Warum braucht man CRISPR/Cas9 überhaupt, wenn die Natur das selbst kann?

Die Natur kann das zwar von selbst, aber es dauert viel länger und man kann es nicht gezielt steuern. „Züchtungen beruhen immer auf Mutationen. Es passieren dabei natürliche Mutationen, die sind jedoch sehr viel seltener und diese brauchen auch viel länger“, sagt Stöger.

Normalerweise findet die Mutagenese ungezielt statt. Man kann bei Züchtungen und Kreuzungen von Pflanzen etwa nicht wirklich beeinflussen, welche Eigenschaften eine Pflanze am Ende wirklich übernimmt und welche nicht.

Um eine neue Sorte zu erhalten, die die bewährten und neuen Eigenschaften in sich vereint, sind oft mehrere, sich über Jahre hinziehende Rückkreuzungsschritte erforderlich. Wenn man eine Pflanze besonders ertragreich oder schädlingsresistent züchten will, kann das oft 10-30 Jahre dauern, bis das auf natürlichem Wege erreicht werden kann. Mit CRISPR/Cas9 lassen sich gezielt Nutzpflanzen auf die Bedürfnisse der Menschen anpassen.

Universitätsprofessorin Eva Stöger, die das Institut für Pflanzenbiotechnologie und Zellbiologie an der Universität für Bodenkultur in Wien leitet

Was für Vorteile gibt es durch die Genschere?

„Man kann mit der Genscheren Pflanzen resistent gegen Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Pilze machen. Dadurch lässt sich auch der Einsatz von Spritzmittel reduzieren“, erklärt Stöger. In der Praxis gibt es etwa bereits das Beispiel einer Weinrebe, die Grauschimmel besser toleriert sowie von Weizen, der besser gegen Mehltau gewappnet ist. Durch die Genschere ist es möglich, ganz gezielt gegen Krankheitserreger vorzugehen.

Pflanzen können widerstandsfähiger werden, wenn sie mit der Genschere verändert werden. „Man kann Pflanzen befähigen, Wasser besser aus dem Boden aufzunehmen, in dem man das Seitenwurzelwachstum fördert“, bringt Stöger als Beispiel. Außerdem könne man gezielt Allergene ausschalten, was wiederum für Allergiker interessant werden könnte. „Es gibt viele interessante Ansätze, die viel Potenzial haben“, so die Boku-Professorin.

Gibt es auch negative Beispiele?

„Ich kenne keine. Man kann mit der Technologie unglaublich viel machen und das wesentlich gezielter und schneller als mit der herkömmlichen Pflanzenzüchtung“, sagt Stöger. Sie ist nur eine von zahlreichen Wissenschaftler*innen, die sich vor kurzem in einem offenen Brief für einen „vorurteilsfreien, aufgeschlossenen und auf wissenschaftlicher Evidenz basierenden" Umgang mit grüner Gentechnik aussprechen. Bisher gibt es keine Belege für „schädliches Potenzial“.

➤ Mehr lesen: Warum Österreichs Wissenschaftler*innen dafür sind

Was sind die Argumente der Kritiker*innen?

Das liegt daran, dass es in der Vergangenheit - mit der „alten“ Gentechnik-Methode - einige Beispiele gab, die negativ aufgefallen sind. So sind vom Agrarkonzern Monsanto, der gentechnisch moduliertes Saatgut patentiert hatte, Ackerpflanzen unempfindlich für ein Unkrautmittel gemacht worden, was dazu geführt hat, dass umso mehr umweltschädliche Pestizide eingesetzt worden sind.

Ein Argument, das man nun auch wieder beim Einsatz von CRISPR/Cas hört, ist, dass sich nur große Agrarkonzerne den Einsatz dieser Technologie leisten können. Es wird befürchtet, dass der Einsatz der Technologie die Abhängigkeit von diesen Konzernen vergrößern wird und kleine Saatguthersteller auf der Strecke bleiben.

Das sind - wie auch Boku-Professorin Stöger anmerkt - jedoch keine Probleme der Technologie selbst, sondern das, was Menschen bzw. Konzerne damit machen. „Warum hier die ganze Technologie ins Kreuzfeuer der Diskussionen gerät, ist für mich fragwürdig. Viel wichtiger wäre es, zu regeln, was man damit genau züchtet und was für Eigenschaften eine Pflanze hat und haben darf. Das zusammen mit einer Risikobewertung und Testung“, erklärt Stöger.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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