Alter
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Gene

Forscher entschlüsseln den Code des Alterns

Wissenschaftler der ETH Zürich haben in verschiedenen Organismen nach Genen gesucht, die einen Einfluss auf den Alterungsprozess haben. Sie haben rund 30 einzelne Schalter gefunden, die allen Tieren gemeinsam sind. bcat1, das Gen mit dem größten Einfluss auf den Alterungsprozess, kann das Leben von Testsubjekten um bis zu 25 Prozent verlängern, wenn es deaktiviert wird.

Demonstriert wurde das bislang aber nur an Fadenwürmern der Gattung C. elegans (Caenorhabditis elegans). Diese Nematoden haben nach Abschaltung von bcat1 nicht nur länger gelebt, sondern erfreuten sich auch besserer Gesundheit im fortgeschrittenen Alter als unbehandelte Tiere. Theoretisch sollte die Abschaltung von bcat1 auch im Menschen für eine Verlängerung des Lebens sorgen.

Michael Ristow
“Wir haben verschiedene Organismen auf unterschiedlichen evolutionären Stufen untersucht, nämlich C. elegans, Zebrafische und Mäuse. Die Versuchstiere haben wir altern lassen und dann bei jungen, mittelalten und alten Individuen Gewebe entnommen, um es zu untersuchen”, erklärt Michael Ristow von der ETH Zürich gegenüber der futurezone.

Durch die Analyse des gesamten Genoms der Versuchstiere konnten jene Gene identifiziert werden, deren Aktivität sich im Verlauf des Lebens ändern. “Als Maß für die Aktivität eines Gens dient die Menge an mRNA (messenger RNA; sie überträgt die Proteinbaupläne aus den Genen in die Fertigungsanlagen der Zellen), die ein Maß für die Expression von Genen ist. So sehen wir den Verlauf der Expression der Gene über verschiedene Altersstufen hinweg”, sagt Ristow. Durch den Vergleich der verschiedenen Tierarten konnten die Wissenschaftler dann jene Gene identifizieren, die universal vorhanden sind.

Greise Würmer

Die Liste der mit dem Altern assoziierten Gene, die in allen drei untersuchten Spezies vorkommen, ist mit 30 Einträgen relativ überschaubar. Um zu prüfen, ob die zu- oder abnehmende Aktivität eines Gens eine Ursache oder nur eine Konsequenz des Alterns ist, haben die Forscher im Fadenwurmmodell jedes einzelne der Gene überprüft. “Wir haben die Gene abgeschaltet, um zu sehen, was passiert”, sagt Ristow.

So haben die Forscher auch bcat1 identifiziert, das eine Signalkette auslöst, die das Leben eines Fadenwurms um bis zu 25 Prozent verlängern kann. bcat1 codiert für ein Protein, das eine entscheidende Rolle beim Abbau bestimmter Aminosäuren spielt. Wird das Gen deaktiviert, reichern sich diese Aminosäuren im Gewebe an. Das löst eine Signalkette aus, die den Alterungsprozess verlangsamt.

Diese Wirkung ist bekannt und kann zu einem geringeren Maß auch durch die gezielte Aufnahme der entsprechenden Aminosäuren mit Nahrungsergänzungsmitteln erzielt werden. Eine italienische Forschungsgruppe hat das an Mäusen ausprobiert, die dann ebenfalls länger gelebt haben. Der Effekt könnte in Säugetieren sogar noch ausgeprägter sein als bei Fadenwürmern. “Wir haben bisher eher die Erfahrung gemacht, dass solche Effekte in Mäusen stärker sind als bei Fadenwürmern”, sagt Ristow. Die Deaktivierung von bcat1 in Menschen ist derzeit undenkbar. “Es ist ein starker Effekt. Er erfordert allerdings auch eine Veränderung des Genoms. Das Vornehmen eines solchen Eingriffs zur Lebensverlängerung sehe ich skeptisch. Wir kennen keine Gene, die ausschließlich fürs Altern verantwortlich sind. Sie sind immer mit biologischen Funktionen verknüpft”, so Ristow. Ob der Effekt im selben Ausmaß auch über die Aufnahme von Aminosäuren über die Nahrung erzielt werden kann, ist noch nicht erforscht.

Gesunde Rente

Entsprechende Versuche sollen in Zukunft an der ETH durchgeführt werden, was allerdings noch einige Jahre dauern kann. Dann könnte auch der Nachweis gelingen, dass das Leben von Menschen sich mit dieser Methode merkbar verlängern lässt. “Menschen können in Einzelfällen über 120 Jahre alt werden. Die Häufigkeit solcher Vorkommnisse könnten wir sicher steigern. Die Frage ist, ob das wünschenswert ist”, sagt Ristow. Dass sich das Altern mit zunehmendem Wissen irgendwann ganz verhindern lassen könnte, glaubt der Forscher nicht. “Altern ist meiner Meinung nach vorgesehen und erforderlich und lässt sich demnach nicht komplett vermeiden. Eine hohe Lebenserwartung ist für die Evolution kontraproduktiv. Organismen müssen nur so lange überleben, bis der Nachwuchs fortpflanzungsfähig ist”, sagt Ristow.

Dass die Fadenwürmer in den Versuchen nicht nur länger gelebt haben, sondern auch länger gesund geblieben sind, stimmt die Forscher aber positiv. “Die maximale Lebenszeit ist weniger relevant als die 'health span', also die Zeit, in der sich ein Individuum guter Gesundheit erfreut. Das ist auch ökonomisch von großem Interesse. Durch Maßnahmen, die diese gesunde Lebensspanne erhöhen, könnte die medizinische Versorgung deutlich günstiger werden, und gleichzeitig die Lebensqualität des einzelnen steigern”, sagt Ristow.

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Markus Keßler

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