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© KURIER/Stephan Boroviczeny

Medizin

Forscher kühlen Schwerverletzte bis zum Herzstillstand

Wer heute in der US-Stadt Pittsburgh einen schweren Unfall hat und auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt, hat trotzdem eine Chance, die Klinik lebend wieder zu verlassen. “Bei Patienten, die so viel Blut verloren haben, dass ihr Herz aufgehört hat zu schlagen, pumpen wir eine große Menge eiskalte Salzlösung in den Blutkreislauf, um den Körper so schnell wie möglich auf zehn bis 15 Grad Celsius zu kühlen. Das senkt den Sauerstoffbedarf von Organen und Zellen, sodass sie eine Zeit lang ohne Blutzirkulation auskommen können, während wir die Wunden behandeln”, erklärt Samuel Tisherman, einer der Doktoren, die diese neue Behandlungsmethode erproben, gegenüber der futurezone.

Nachdem die Wunden behandelt worden sind, wird Blut erwärmt und langsam wieder in den Körper geleitet. Das Herz der Patienten beginnt bei Erreichen von 30 bis 32 Grad oft selbständig wieder zu schlagen. Schweine wurden im Labor auf diese Weise schon bis zu drei Stunden lang ohne Herzschlag behandelt und danach wieder geweckt, ohne dass physiologische oder psychische Schäden festzustellen waren. Die Tiere erinnerten sich danach an vor der Behandlung erlernte Dinge. Menschen werden derzeit nur in Extremfällen, in denen es keine anderen Optionen gibt, versuchsweise mit der Kältetherapie behandelt. Wie viele Behandlungen es bislang genau gegeben hat, wollen die Mediziner nicht sagen, bevor die Studie abgeschlossen ist.

Kälte schützt

Die Behandlung wird derzeit nur für Patienten mit schweren Verletzungen gewählt, könnte in Zukunft aber auch bei Vergiftungen oder Herzinfarkten verwendet werden. Ein “Einfrieren” von Patienten bei lebendigem Leib, wie es in Science-Fiction-Geschichten oft für interstellare Reisen gemacht wird, lässt sich mit dieser Methode allerdings nicht erreichen. “Wir wissen derzeit nicht genau, wie lange ein Organismus in diesem Zustand gehalten werden kann, bevor wir ihn nicht mehr zurückholen können. Ich glaube aber, dass die Grenze im Bereich von wenigen Stunden liegt und nicht bei Wochen oder Monaten”, sagt Tisherman.

Dass Kälte die Grenze zwischen Leben und Tod verwischen kann, ist bereits seit langem bekannt. Menschen, die in einem eiskalten See ertrinken, haben eine bessere Chance wiederbelebt zu werden, selbst wenn die Behandlung erst nach einiger Zeit beginnt. Die Arbeit von Tisherman und seinen Kollegen nutzt dieses Prinzip. Davon, dass er Tote zurückbringen kann, will der Doktor aber nichts hören. “Diese Patienten sind dabei zu sterben und wir wollen sie retten. Wenn wir wirklich dächten, sie seien tot, stellten wir die Wiederbelebungsversuche ein”, so der Doktor.

Bessere Überlebenschancen

Für seinen Kollegen Peter Rhee hingegen ist die Definition von tot davon abhängig, wie lange die Symptome schon vorhanden sind. “Wenn ein Körper hypothermisch ist, kein Blut in den Adern hat, keinen Herzschlag und keine zelluläre Stoffwechselaktivität im Gehirn, dann kann man ihn wohl als tot bezeichnen. Aber es hängt wie wir sehen manchmal davon ab, wie lange der Körper sich in diesem Zustand befindet”, so Rhee gegenüber der futurezone. Rhee nennt die Methode auch “Notfall Präservierung” und sagt, dass die Behandlung die Chancen vieler Patienten verbessern kann. “Bislang konnten wir solche Patienten nur wiederbeleben und anschließend ihre Wunden behandeln. Das funktioniert nur in drei Prozent der Fälle. Jetzt kühlen wir sie, behandeln die Wunden ohne Blutung und wärmen sie dann wieder auf”, so der Forscher.

Durch die Kühlung verlangsamen sich die biochemischen Prozesse im Körper, das gilt allerdings auch für die Gerinnung des Blutes. Deshalb ist das Verbluten während des Prozesses neben möglichen Gehirnschäden das größte Risiko bei der Behandlung. Wird die Kühlung schnell durchgeführt und das Blut durch die Salzlösung ersetzt, gibt es bei erfolgreicher Behandlung kaum Nebenwirkungen. Die Patienten wachen - etwas unterkühlt - auf und sind voll funktionsfähig.

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Markus Keßler

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