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Interview

"Gravitationswellen-Astronomie hat eine große Zukunft"

Albert Einstein hat in seiner allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben, dass Massen, die beschleunigt werden, die Raumzeit zum Zittern bringen. Der Nachweis solcher Gravitationswellen ist bis heute noch nicht geglückt. (UPDATE: Kurz nach Veröffentlichung dieses Artikels hat LIGO bestätigt, dass erstmals Gravitationswellen nachgewiesen wurden) Das liegt daran, dass die Wellen extrem schwach sind.

Das LIGO-Projekt (Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory) versucht, die minimalen Verzerrungen der Raumzeit mit Laserinterferometrie nachzuweisen. Dabei wird ein Laser in zwei separate Strahlen aufgeteilt, die im rechten Winkel in zwei gleich langen Tunnels auseinanderlaufen. Am Ende der Tunnels werden die Strahlen reflektiert und wieder zurückgeschickt. Die Phasen der Strahlen werden so eingestellt, dass sie sich nach Durchlaufen der rechtwinkligen Anordnung im Normalfall auslöschen. Wenn eine Gravitationswelle durch den Detektor läuft, sollten sich die Längen der zu durchlaufenden Strecken relativ zueinander ändern, da ein Tunnel gestreckt und der andere gestaucht wird, wodurch sich die Strahlen am Messpunkt nicht mehr auslöschen.

Das LIGO-Projekt besteht aus zwei Detektoren in den USA, einer in Hanford und einer in Livingston. Die Hardware ist kürzlich einem Update unterzogen worden, das Projekt firmiert jetzt unter dem Namen "Advanced LIGO". Die Messungen sind jetzt so präzise, dass sie Raumzeitverzerrungen von einem Zehntausendstel eines Protonenradius feststellen können. Damit erhoffen sich die Forscher schon bald den ersten Nachweis von Gravitationswellen. Sollte das gelingen, hätten Astronomen neben Teleskopen, die elektromagnetische Strahlung empfangen, noch eine zweite Möglichkeit, ins Universum hinauszublicken. Die futurezone hat den LIGO-WissenschaftlerMarco Cavaglià von der University of Mississippizu den Möglichkeiten von Advanced LIGO befragt.

futurezone: Wurden beim ersten Testlauf des verbesserten Advanced LIGO schon Hinweise auf Gravitationswellen gefunden?
Marco Cavaglià: Advanced LIGO hat den ersten Beobachtungsdurchgang am 12. Jänner beendet. Es dauert aber eine Weile, die Daten zu analysieren und die Ergebnisse zu interpretieren beziehungsweise zu prüfen. Deshalb können wir derzeit noch nicht über Resultate sprechen.

Wie sicher sind Sie, dass LIGO Beweise für Gravitationswellen finden wird und wann könnte es so weit sein?
Meine Kollegen und ich sind überzeugt davon, dass Advanced LIGO früher oder später Gravitationswellen aufspüren wird. Es gibt keinen Grund, Einsteins allgemeine Relativitätstheorie anzuzweifeln. Experimentelle Hinweise darauf, dass Gravitationswellen existieren gibt es ja schon. Astronomen haben auch schon Quellen identifiziert, die Gravitationswellen erzeugen sollten, die mit Advanced LIGO entdeckt werden können. Wir arbeiten hart, um das Ziel so bald wie möglich zu erreichen.

Wie hat sich die Empfindlichkeit von LIGO entwickelt?
Advanced LIGO hat eine drei bis viermal höhere Sensitivität als das ursprüngliche LIGO-Experiment. Das heißt, dass die Entfernung, über die der Detektor eine typische Quelle für Gravitationswellen aufspüren kann, sich um diesen Faktor verbessert hat. Da Advanced LIGO ein dreidimensionales Volumen im All beobachtet, verbessert sich die Detektionsrate damit um das 3³- bis 4³-fache. Wir planen die Instrumentenempfindlichkeit für die nächsten Testläufe noch weiter zu verbessern.

Welche Art von Gravitationswelle wäre ein guter Kandidat für die Entdeckung durch LIGO?
LIGO sucht nach Gravitationswellen, die von kompakten Binärquellen ausgehen. Das sind massereiche Objekte, die sich in immer engeren Bahnen umkreisen, bis sie kollidieren, etwa verschmelzende Paare von Neutronensternen oder schwarzen Löchern. Unmodellierte Quellen wie Supernovae und kontinuierliche Signale, etwa von rotierenden einzelnen Neutronensternen oder der stochastische Hintergrund sollten ebenfalls sichtbar sein. Die Natur wird entscheiden, was wir zuerst finden.

Wie weit kann LIGO “sehen”?
Advanced LIGO wurde gebaut, um eine Kollision zwischen zwei Neutronensternen aus einer Distanz von rund 200 Megaparsec (ein Parsec entspricht etwa 3,26 Lichtjahren, Anm.) erkennen zu können. Im ersten Testlauf, den wir abgeschlossen haben, konnte dieser Wert aber noch nicht erreicht werden. Es braucht Zeit, das volle Potenzial auszuschöpfen.

Gibt es einen Schwellenwert, der überschritten werden muss, damit wir Gravitationswellen entdecken können?
Jede Beschleunigung von Masse erzeugt Gravitationswellen, sogar meine Finger währen ich eine E-Mail schreibe. Allerdings ist die Gravitation eine sehr schwache Wechselwirkung, weshalb auch die Wellen sehr schwach sind. Wir sind auf sehr große Massen angewiesen, die stark beschleunigt werden. Advanced LIGO kann Verzerrungen der Raumzeit von weniger als einem 10000stel eines Protonenradius erkennen. Das gibt uns eine gute Chance, solche Vorgänge aufzuspüren.

Wie schaffen es die Techniker, alle äußeren Einflüsse abzuschirmen?
Die Detektoren sind außerordentlich empfindlich. Viele Störquellen können sich negativ auf die Daten auswirken. Wir verwenden sowohl Hardware- als auch Software-Mechanismen, um diese Signale herauszufiltern. Es gibt aber Situationen, in denen das nicht effektiv möglich ist, etwa wenn die seismische Aktivität hoch ist. Daten, die während solcher Perioden aufgezeichnet werden, können nicht verwendet werden. Wir sind also nicht 100 Prozent der Zeit im Messmodus, aber meine Kollegen arbeiten hart daran, die Ausbeute so hoch wie möglich zu halten.

Welche Informationen über die Quellen der Wellen können wir mit LIGO erfassen und was wird in der Zukunft möglich sein?
Signale von kollidierenden Systemen aus zwei massereichen Objekten können uns verraten, wie oft solche Ereignisse überhaupt auftreten. Auch die Massen und Drehimpulse der beteiligten Objekte - etwa schwarzer Löcher - können wir aus den Gravitationswellen lesen. So könnten wir auch Antworten auf fundamentale physikalische Fragen bekommen, etwa ob sich Gravitationswellen wie erwartet mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.

Wie sensibel müsste ein Instrument sein, um das Echo der Gravitationswellen aufzuspüren, die beim Urknall entstanden sein müssten?
Ich habe keine genauen Zahlen im Kopf, aber mit Advanced LIGO werden wir das wahrscheinlich nicht schaffen. Aber die Natur liebt Überraschungen, vielleicht haben wir Glück.

Gravitationswellen können wie elektromagnetische Wellen genutzt werden, um Vorgänge im Universum zu beobachten. Könnten auch Gravitationswellen fokussiert oder anderweitig beeinflusst werden?
Theoretisch ja. Allerdings kann ich mir aufgrund der Schwäche der Kraft keinen technischen Weg vorstellen, das umzusetzen.

Was sind die fundamentalen Grenzen für die Empfindlichkeit des Detektors?
Es gibt Grenzen, die auf der Erde nicht überwunden werden können. Die seismische Aktivität und die Quantenunschärfe von Photonen sind Faktoren, die wir nicht ändern können.

Was kommt nach Advanced LIGO?
Das sollten Sie besser die Geldgeber fragen. Aber im Ernst: Viele Wissenschaftler arbeiten bereits an der nächsten Generation erdbasierter Observatorien. Advanced LIGO wird ebenfalls weiter verbessert. LISA Pathfinder wurde kürzlich gestartet und wird uns helfen zu lernen, Detektoren im Weltraum zu bauen. Die Gravitationswellenastronomie hat eine große Zukunft.

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Markus Keßler

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