Shuguang Zhang
Shuguang Zhang
© MIT, Donna Coveney

Wissenschaft

“Mangel an neugiergetriebener Forschung ist ein Fehler”

Shuguang Zhang ist Leiter des Labors für molekulare Selbstassemblierung am Massachusetts Institute of Technology. Er hat in den 1990er Jahren eine Klasse von Peptiden entdeckt, die sich von selbst zu bestimmten Strukturen formen, man spricht von selbstassemblierenden Systemen. Diese Lipide können etwa als Hülle zur Verabreichung von Medikamenten oder zur Stabilisierung des Photosyntheseapparats von Pflanzen auf künstlichen Oberflächen eingesetzt werden. Daneben interessiert sich Zhang auch für die Erschließung nachhaltiger Energiequellen. Er hat unter anderem an der Modifizierung von Algen zur Wasserstoffproduktion gearbeitet. Bei den Technlogiegesprächen beim Forum Alpbach ist Zhang mit einigen Kollegen vom MIT als Redner zu Gast.

futurezone: Ihre Arbeit mit sebstassemblierenden Systemen hat zu vielen interessanten Projekten geführt. Woran arbeiten Sie derzeit?
Shuguang Zhang: Ich konzentriere mich derzeit auf das Erschaffen innovativer Proteine, besonders Membranproteine, die G-Protein-gekoppelte Rezeptoren besitzen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind bekannt dafür, dass sie schwer zu untersuchen sind, sowohl was Struktur als auch was Funktion angeht. Wir haben eine einfache, elegante Methode entwickelt, mit der wahrscheinlich fast alle Proteine modifiziert werden können.

Aus einer Ihrer früheren Arbeiten, der Entwicklung von Peptid-Gerüsten, ist ein Unternehmen entstanden. Wie geht es Ihrer Firma 3DMatrix?
Ich habe 3DMatrix 2001 in Cambridge, Massachusetts, in der Nähe des MIT gegründet. 2007 hat einer der wichtigsten Investoren, Keiji Nagano, die Firma nach Tokio geholt. Er dachte, dass das Start-up in Japan eine große Zukunft haben wird, da es dort wenige innovative Biotech-Start-ups gab. Damit lag er richtig. 3DMatrix ist in Japan aufgeblüht und hat 2011 den Börsengang vollzogen. Die Firma hat weltweit Niederlassungen. Da wir die Peptid-Gerüste bis hinunter zu einzelnen Aminosäuren designen können, nenne ich sie selbstassemblierte Designer-Peptid-Gerüste. Der Design-Prozess ähnelt dem bei Uhren oder Handtaschen.

Wo werden die Gerüste bereits verwendet?
Die Peptide bilden exzellente Hydrogel-Matrizen mit mehr als 99 Prozent Wassergehalt. Das Peptidgerüst-Hydrogel wird verwendet, um die Wundheilung zu beschleunigen, etwa bei Operationen in Spitälern und anderen Bereichen. Die Gerüste sind sehr rein und sicher. Jedes Molekül ist bekannt, leicht herzustellen und lagerbar. Es stoppt Blutungen zudem effektiv in wenigen Sekunden.

Sie haben als einer der ersten Forscher die Photosynthesesysteme von Pflanzen in organischen Photovoltaikzellen eingesetzt. Wie hat sich die Technologie weiterentwickelt?
Während der 1990er und frühen 2000er-Jahre wurde auf die Entwicklung alternativer, sauberer Energie gedrängt. Wir wurden ermutigt, an Solarenergie und anderen innovativen, nachhaltigen Energieprojekten zu arbeiten. Es gab genügend öffentliche und private Förderungen. Diese Geldquellen sind in den vergangenen Jahren aber versiegt, da es viel billiges Schieferöl und -gas gibt. Die meisten Start-ups, die an sauberer Energie gearbeitet haben, sind kollabiert. Ich glaube, das ist auf tragische Weise kurzsichtig. Beim halsbrecherischen Entwicklungstempo der Schwellenländern werden die fossilen Energieträger irgendwann aufgebraucht sein. Dann wird es zu spät sein, die Forschung wieder anzukurbeln.

Können biologische Komponenten in technische Systemen lange genug aufrechterhalten werden, um sie in der Praxis einzusetzen?
Die Integration lässt sich nicht beliebig lange aufrechterhalten. Aber da die Kosten relativ gering sind, ist die Biosolarzelle als günstiges Einwegsystem gedacht, ähnlich wie Batterien, Rasierklingen oder Papierhandtücher.

Sie haben auch an Wasserstoffproduktion mit Algen gearbeitet. Gibt es hier Fortschritte?
Professor Iftach Jacoby, der mein Postdoc am MIT war, hat dieses Projekt 2012 an die Universität Tel Aviv gebracht. Er hat jetzt ein hervorragendes Team und arbeitet aktiv an der Technologie. Er hat kürzlich einen Durchbruch geschafft, indem er gezeigt hat, dass seine modifizierten Algen Wasserstoff auch in Gegenwart von Sauerstoff produzieren können. Das heißt, dass die Algen Wasserstoff produzieren, wenn sie unter normalen Atmosphärenbedingungen unter Sonnenlicht gezüchtet werden. Das vereinfacht die Produktion und das Sammeln des Gases und öffnet so die Tür für eine Industrialisierung.

Ist die Effizienz vergleichbar mit Elektrolyse?
Das lässt sich kaum vergleichen. Der Wasserstoff, den die Algen produzieren, verursacht keinerlei Energiekosten, wenn die Algen unter Sonnenlicht wachsen. Elektrolyse braucht vom Menschen erschaffene Energie, die nicht gratis ist. Das ist weder auf Industriemaßstab skalierbar noch nachhaltig.

Was sind die Ihrer Meinung nach die aufregendsten neuen Anwendungen für selbstassemblierende Peptide?
Das derzeit aufregendste Projekt sind lipidartige selbstassemblierende Peptide mit einem wasserfreundlichen Kopf und einem wasserabweisenden Schwanz. Es wurde gezeigt, dass sie Komplexe mit SiRNA (Small interfering RNA, zu deutsch etwa kleine, eingreifende Ribonukleinsäuremoleküle) bilden. Die SiRNA kann so effektiv als Medikament in den Körper eingebracht werden, um Brustkrebs zu bekämpfen. Es gibt Patienten, die gegen andere Krebsbehandlungen resistent sind. Diese neue Methode kann ihnen Hoffnung geben.

Wie kam es dazu, dass Sie sich überhaupt mit Peptiden beschäftigt haben?
Als ich 1994 erstmals lipidartige selbstassemblierende Peptide entdeckt habe, war ich von Neugier und Fragen zum Ursprung des Lebens getrieben. Ich wollte wissen, wie die einfachste Hülle, die primitiven Biomolekülen zur Verfügung stand, ausgesehen haben könnte. Erst solche Moleküle mit Hülle haben die molekulare Evolution und Selektion angestoßen, die irgendwann zu komplexen Lebensformen geführt haben.

Welche Rolle spielt Neugier heute noch in der vom Konkurrenzkampf um Fördermittel gekennzeichneten Forschungslandschaft?
Von Neugier getriebene Forschung muss unbedingt gefördert und bestmöglich unterstützt werden. Unglücklicherweise haben viele Finanzierungseinrichtungen - vor allem in Europa - der von Neugier getriebenen Forschung den Rücken gekehrt. Das ist ein Fehler. Die Wissenschaftsgeschichte ist voll von Beispielen dafür, dass durch Neugier motivierte Forschung sich auszahlt. Sie führt zu neuen Einsichten, neuem Wissen und neuen Technologien, die wiederum Basis für eine wissensbasierte Wirtschaft sein können.

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Markus Keßler

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