Tabakversuchspflanzen
Tabakversuchspflanzen
© Rothamsted

Forschung

Modifizierte Pflanzen für bis zu 60 Prozent mehr Ertrag

Pflanzen wandeln bei der Photosynthese CO2, Wasser und Licht in Sauerstoff und Zucker um. Ein wichtiger Schritt dabei ist die Bindung von CO2. Dabei kommt ein Enzym namens Rubisco (Ribulose-1,5-bisphosphat-carboxylase/-oxygenase) zum Einsatz, das die CO2-Moleküle durch eine Reaktion fixiert. Das Eiweiß kommt in der Natur in verschiedenen Varianten vor. Eine der effektivsten liegt in Cyanobakterien vor. Forscher in Großbritannien und den USA arbeiten derzeit daran, Nutzpflanzen mit einem effektiveren Kohlendioxid-Konzentrationsmechanismus auszustatten.

Tabakversuchspflanzen
Einen ersten Schritt haben die Wissenschaftler jetzt getan, indem sie die Gene in den Chloroplasten (strukturell abgegrenzte Gebilde in einer Pflanzenzelle, in denen die Photosynthese abläuft) von Tabakpflanzen so manipuliert haben, dass das Rubisco, das dort produziert wird, dem der Cyanobakterien entspricht. “Wir haben eine Tabakpflanze entwickelt, die all ihr CO2 mit dem Rubisco der Cyanobakterien fixiert”, erklärt Alessandro Occhialini von Rothamsted Research in England gegenüber der futurezone. Das ist allerdings erst die halbe Miete. Das Enzym der Cyanobakterien ist zwar effizienter, hat aber den Nachteil, dass es verstärkt dazu neigt, neben CO2 auch mit Sauerstoff zu reagieren. Um die Erträge in Pflanzen wirklich steigern zu können, müssen die Forscher deshalb auch einen anderen Teil des Mechanismus, der in den Bakterien abläuft, kopieren: In den Einzellern passiert die Kohlenstoffdioxidassimilierung in sogenannten Carboxysomen, winzigen Kammern, in denen kein Sauerstoff vorkommt. Dort wird CO2 in der Nähe von Rubisco-Molekülen konzentriert, was die Bindung von größeren Mengen des Gases erlaubt.

Weizen, Reis und Kartoffeln

“Unsere Tabakpflanzen im Labor brauchen höhere CO2-Konzentrationen, um Kohlenstoff zu assimilieren, ansonsten stört der Sauerstoff zu sehr”, erklärt Occhialini. Wenn es gelingt, den kompletten Mechanismus zu übertragen, können die Ernteerträge theoretisch um 30-60 Prozent gesteigert werden. “Das gilt eigentlich für alle Pflanzen. Wir arbeiten mit Tabak, weil unsere Methoden bei dieser Pflanze gut erforscht sind, das Ziel sind aber Nutzpflanzen wie Weizen, Kartoffeln oder Reis”, erklärt Huw Jones, der ebenfalls in Rothamstead forscht. Dass die Carboxysome der Cyanobakterien in höhere Pflanzen eingesetzt werden können, haben andere Forscher bereits bewiesen. Ob die 30 Prozent Ertragssteigerung in der Praxis machbar sind, muss sich aber erst noch zeigen.

Huw Jones und Alessandro Occhialini
“Selbst wenn die Erträge sich nur um fünf oder zehn Prozent steigern lassen, wäre das ein Erfolg, der die Landwirtschaft deutlich effizienter machen kann”, sagt Jones. Bis solche Überlegungen von Bedeutung sind, werden aber noch einige Jahre vergehen. “Es wird noch mindestens zehn Jahre dauern, bevor solche Pflanzen auf den Markt kommen. Wir machen hier Grundlagenforschung”, erklärt Jones.

Keine Weiterverbreitung

Um tatsächlich dabei zu helfen, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, müssten Pflanzen breitflächig mit dem modifizierten Mechanismus ausgestattet werden. Der Widerstand in der Bevölkerung gegen genetisch manipulierte Nahrungsmittel könnte hier ein Problem werden. “Wir sind der Meinung, dass die Beteiligten in jeder Stufe des Produktionsprozesses die Wahl haben müssen, von den Saatgutproduzenten über die Landwirte bis zu den Konsumenten”, so Jones.

Einige Kritikpunkte, die an genetisch modifizierten Nahrungsmittelpflanzen oft geäußert werden, treffen auf die Cyanobakterien-Exemplare aber gar nicht zu. “Wir greifen nur in das Genom der Chloroplasten ein. Diese haben - analog zu den Mitochondrien in menschlichen Zellen - eigenständiges Erbgut, das nur mütterlicherseits weitervererbt wird. Das heißt, dass eine Ausbreitung der Modifikationen auf benachbarte Felder durch Pollenflug ausgeschlossen ist”, sagt Jones.

Den Nachteil ist, dass es noch keine Gesetze gibt, die den Einsatz von Chloroplastenmodifikation regeln. Es gibt außerhalb von Labors auf der ganzen Welt derzeit keine Pflanzen mit modifizierter Chloroplasten-DNA.

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Markus Keßler

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