Der Raumanzug ermöglicht Menschen das Überleben im Weltall.
Der Raumanzug ermöglicht Menschen das Überleben im Weltall.
© APA/NASA T.V./HANDOUT

Österreicher forschen am Raumanzug der Zukunft

Österreicher forschen am Raumanzug der Zukunft

Um einen Menschen im Weltall am Leben zu erhalten, bedarf es einiger Punkte, die ein Raumanzug allesamt erfüllen muss. Er muss dem Menschen Sauerstoff zum Atmen bieten, er muss ausgeatmetes Kohlendioxid abführen, er muss genügend Luftdruck bereitstellen, er muss die Außen- und Innentemperatur regulieren, er muss schädliche Strahlung in gewissem Maße abwehren und er muss vor winzigen Teilchen im All, so genannten Mikrometeoriten schützen. Abgesehen davon, sollte sich ein Mensch mit seinem Raumanzug auch möglichst gut bewegen können.

Seit dem ersten Weltraumflug eines Menschen im Jahr 1961 hat es gewaltige Fortschritte bei der Entwicklung von Raumanzügen gegeben. Auch die Anwendungsprofile haben sich stark geändert. Vom Lebensretter im Notfall wurde der Raumanzug zur zweiten Haut bei Ausstiegen aus Raumschiffen oder bei Spaziergängen am Mond. Der nächste Schritt ist ein Raumanzug für bemannte Landungen auf anderen Planeten - zuallererst dem Mars. Forschungsergebnisse aus Österreich leisten hierzu einen bedeutenden Beitrag.

Wichtige Erkenntnisse wurden unter anderem während der Forschungsmission "Mars 2013" gewonnen, die im Februar des Vorjahres in Marokko stattfand. In der Wüste fand man Bedingungen vor, die mit der Mars-Oberfläche vergleichbar sind - ideale Voraussetzungen um Testpersonen in simulierten Raumanzügen verschiedenen Situationen und Aufgaben auszusetzen. "Solche Felddaten braucht man. Bisher gab es weltweit fast keine Forschungsprojekte dazu", meint "Mars 2013"-Leiter Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraumforum.

Der Aufbau eines Raumanzugs

Ein moderner Raumanzug besteht aus einer Vielzahl von Schichten, die jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen. Ganz außen ist ein Raumanzug meist weiß, um Sonnenlicht zu reflektieren. Direkt unter der hellen Hülle, die den Temperaturanstieg bei direkter Einstrahlung hemmen soll, befinden sich robuste Stoffe, etwa Kevlar, um die darunterliegenden Schichten vor Rissen zu schützen. In deren Gewebe befinden sich Schläuche mit Wasser, die der Wärmeregulation dienen.

Wiederum eine Schicht tiefer wird der Körper von einer Hülle aus luftdichtem Material umhüllt, in dessen Inneren eine Atmosphäre aufgebaut wird, die ungefähr ein Drittel des Luftdrucks auf der Erdoberfläche aufweist. Der Druck entspricht den Verhältnissen auf der Spitze des Mount Everest, die Luft ist jedoch anders zusammengesetzt. Das muss so sein, sonst würden Astronauten an der Höhenkrankheit leiden. Statt dem irdisch üblichen Sauerstoff-Anteil in der Atemluft von 20 Prozent liefert ein Raumanzug hundert Prozent Sauerstoff.

Innerhalb der unter Druck gesetzten Raumanzug-Schicht tragen Astronauten spezielles Gewand, das Schweiß möglichst gut absorbieren muss, sonst würde das Visier durch die Feuchtigkeit beschlagen. Bei Außenbordmissionen (extravehicular activity - EVA), in denen Astronauten bis zu neun Stunden lang in ihrem Raumanzug verbringen, ist außerdem das Tragen einer Art Erwachsenenwindel notwendig. Mal schnell durch die Luftschleuse auf die Raumschiff- oder Raumstationstoilette schlüpfen geht nicht.

Trinken kann man im Raumanzug, durch einen Strohhalm, der mit einem bis zu zwei Liter fassenden Beutel verbunden ist. Auch Essen kann ein Astronaut in Form einer Müsliriegelvariante innerhalb des Raumanzugs zu sich nehmen. Der Helm eines Raumanzugs besteht meist aus Plastik. Darin untergebracht sind Kopfhörer und Mikrofone zur Kommunikation des Astronauten mit Raumschiff, Raumstation und Bodenkontrolle.

Innerhalb seiner mitgeführten Atmosphäre befindet sich ein Astronaut in einer Art Luftballon. "Wenn ich im Raumanzug einen Bar Druck hätte, käme ich daher wie ein aufgeblasenes Michelin-Männchen", erklärt Gernot Grömer die Tatsache des reduzierten Luftdrucks. Damit man sich halbwegs bewegen kann, wird die unter Druck stehende Anzugschicht durch zahlreiche Riemen und Bänder in Form gehalten, gerade an Gelenken oder im Handbereich.

Dennoch gibt es Astronautenberichte von abfallenden Fingernägeln, die der körperlichen Anstrengung innerhalb von Raumanzügen während langer EVA, etwa für Reparaturarbeiten, geschuldet waren. "Das mit den blauen Fingernägeln war tatsächlich einmal so. Die Handschuhe sind aber wesentlich besser geworden", meint Grömer. "Es gibt heute auch bezüglich der Ergonomie ganz unkonventionelle Ansätze. Etwa den Raumanzug mit mechanischem Gegendruck." Mehr dazu jedoch später.

Unterschiedliche Typen

Juri Gagarin, der erste Mensch im Weltall, trug einen Raumanzug, der, wie viele sowjetische und US-amerikanische danach, durch eine Art Nabelschnur mit ihrem Raumschiff verbunden waren. Seit den Apollo-Missionen können alle lebenserhaltenden Systeme in einer Art Rucksack mitgeführt werden, was mehr Unabhängigkeit bei Expeditionen bringt. Bei EVA sind Astronauten immer noch mit Karabinerhaken und ultrarobusten Kabeln mit ihren Vehikeln verbunden.

Mit Hilfe von Verschlüssen an ihren Schuhen können sich Astronauten an Raumstations-Außenhüllen oder an Roboterarmen festschnallen. Aber auch das freie Navigieren im offenen Raum ist mit Raumanzügen möglich. 1984 setzte die NASA erstmals das Manned Maneuvering Unit (MMU) ein, eine Art umgeschnallter Sessel mit Gasdüsen. Heute führen Astronauten bei EVA ein Modul namens Simplified Aid for Extravehicular Activity Rescue (SAFER) mit. Dieses funktioniert wie ein MMU und soll Astronauten zu ihrem Raumschiff zurückbringen, falls alle Stricke reißen.

Nicht alle Raumanzüge sind so umfangreich ausgestattet wie jene für EVA. Einige, wie etwa der Advanced Crew Escape Suit der NASA dienen alleine dem Überleben bei Raketenstarts und Landungen. In der Frühphase des Space-Shuttle-Programms trugen Astronauten bei Starts und Landungen gar keinen Raumanzug. Seit der Challenger-Katastrophe 1986 sind Raumanzüge wieder Pflicht. Neben der Ausstattung unterscheiden sich Raumanzüge auch durch ihren Zusammenbau.

Der für EVA konzipierte Extravehicular Mobility Unit (EMU) der NASA besteht etwa aus einzelnen Elementen für Hände, Arme, Füße, Beine, unteren und oberen Torso, die mit dichten Verschlüssen zusammengekoppelt werden. Der russische Raumanzug Orlan kann dagegen durch eine Heckklappe bestiegen werden, wodurch Zeit gespart wird. Die Vorbereitung auf eine EVA dauert ohnehin schon einige Zeit. "Die Vorbereitung beginnt viele Stunden vor dem Anziehen", beschreibt Gernot Grömer. "Etwa mit dem Pre-Breathing-Protokoll. Dabei atmet der Astronaut wie im Raumanzug reinen Sauerstoff, um den Stickstoff aus dem Kreislauf rauszuwaschen."

Testen für den Mars

Auf einen Raumanzug für den Mars oder andere Planeten kommen weitere Herausforderungen zu. Um möglichst optimale Lösungen dafür zu finden, hat das Österreichische Weltraumforum (ÖWF) einen Raumanzug-Simulator entwickelt, der vielfältig modifizierbar ist, um verschiedene Szenarien zu testen. Die neueste Generation dieses Simualtors, der einem Raumanzug für die Weltall-Praxis ziemlich ähnelt, nennt sich Aouda.X. Vor beinahe einem Jahr, im Februar 2013 wurden mit Aouda.X in der marsähnlichen Landschaft der marokkanischen Wüste einige Experimente durchgeführt.

"Wir haben uns angesehen, welchen Gegenstand man unbedingt für eine Mars-Expedition braucht und wo es bisher noch wenige Erfahrungen gibt. Das gilt für Raumanzüge", kommentiert Gernot Grömer die Motivation des ÖWF, sich mit der Raumanzug-Entwicklung zu beschäftigen. Zahlreiche ehrenamtliche Weltraum-Enthusiasten stellten zusammen mit heimischen Forschungseinrichtungen das Aouda-Projekt auf die Beine. Finanziert wird dieses durch Industriepartnerschaften und öffentliche Gelder.

"Unser Anzug kann im Prinzip ein bisschen mehr als ein realer Anzug. Wir stellen ihn mal so ein, dass er einem russischen Anzug entspricht, mal so, dass er einem amerikanischen entspricht. Wir wollen die Maschine sehr genau verstehen. Im Endeffekt hat man in einem Raumanzug aber nicht so viele Sensoren, wie wir sie haben", beschreibt Grömer die Fähigkeiten von Aouda.X.

Die wichtigsten Erkenntnisse bisher: "Für den Mars muss man einen simplen und robusten Anzug bauen." Durch die Entfernung zur Erde müssen Astronauten ihre Anzüge ohne fremde Hilfe servicieren und reparieren können. 3D-Druck für die Anfertigung von Ersatzteilen scheint eine logische Option. "Außerdem muss man sehr viel mehr Autonomie in den Raumanzug einbauen", meint Grömer. Durch die starke Funkverzögerung zur Mission Control müssen Raumanzüge ihren Trägern Aufgaben abnehmen. Beispielsweise müssen sie den Träger warnen, wenn bestimmte Versorgungsparameter kritische Werte erreichen.

Bei Aouda.X werden zu diesem Zweck High-Tech-Elemente wie Head-Up-Displays, Spracherkennung, Beschleunigungs-Sensoren in den Handschuhen und Gestensteuerung getestet. "Das Ausmaß der Interaktion der Astronauten mit dem Raumanzug soll aber minimiert werden. Der Anzug soll sich eher selbst regeln und autonom agieren. Die kognitive Last des Astronauten soll minimiert werden", sagt Grömer.

Auf jeden Fall verhindert werden sollen Vorfälle, wie jener vom 16. Juli 2013. Der italienische Astronaut Luca Parmitano (@astro_luca auf Twitter) musste seine Außenbordmission abbrechen, weil Wasser aus seinem Raumanzug in den Helm drang. Das Problem mit Wasser in der Schwerelosigkeit: Es haftet an der Haut und kann bei genügender Menge Mund und Nase überstülpen. "Das war sicher ein Horroraugenblick für Parmitano. Aber das Kühlsystem ist filigran. Da gibt es dutzende Leitungen und Verschlüsse", meint Grömer. "Hier kann schon mal eine undichte Stelle auftreten. Für die Zukunft gibt es die Überlegung, eine Art Schnorchel für den Notfall zu integrieren."

Zukunftskonzept BioSuit

In Zukunft könnten Raumanzüge überhaupt ganz anders als heute aufgebaut sein. "Raumanzüge sind technische Wunderwerke. Im Grunde sind sie Miniatur-Raumschiffe, die Druck, Sauerstoff und die Wärmekontrolle bereitstellen, die Menschen benötigen, um im Vakuum des Weltalls zu überleben", meint die MIT-Professorin Dava Newman. "Das größte Problem mit diesen Anzügen ist ihre Starrheit." Deshalb entwickelt Newman mit ihren Studenten eine neue Art des Raumanzugs, den BioSuit.

Der BioSuit baut den notwendigen Druck auf den menschlichen Körper nicht durch Luft auf, sondern durch eine exakte Passform. Der Körper wird gleichsam einbandagiert und zusammengeschnürt, und das mit genau demselben Druck, der auch in herkömmlichen Raumanzügen herrscht. "Das Resultat schaut sehr sexy aus. Wie ein Cat-Suit", urteilt Gernot Grömer über den BioSuit. Auch ein früherer NASA-Chef konnte sich eines ähnlichen Eindrucks nicht erwehren, wie Wired berichtet: "Es ist immer gut, wenn man eine Astronautin von einem Astronaut in einem Raumanzug unterscheiden kann."

Neben einer verbesserten Flexibilität des Trägers bietet der BioSuit noch einen weiteren großen Vorteil: Sollte einmal ein Loch darin entstehen, kommt es nicht sofort zu einem Druckverlust. Stattdessen kann die punktierte Stelle einfach mit einer Art High-Tech-Isolierband repariert werden. Eine der Grundlagen für den BioSuit lieferte ein österreichischer Anatomie-Spezialist. Dr. Karl Langer studierte im 19. Jahrhundert erstmals die Spannungslinien der menschlichen Haut. Seine Ergebnisse dienen heute der Musterung des BioSuit.

Ein großes Problem des futuristischen Raumanzugs stellt die exakte Anpassung an den Träger dar. "Die Körperform verändert sich während einer sechsmonatigen Reise zum Mars", erklärt Gernot Grömer. Dava Newman ist jedenfalls von ihrem Konzept überzeugt. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll ein kompletter Anzug für Tests in einer Vakuum-Kammer realisiert werden.

Die MIT-Forscherin Dava Newman entwickelt währenddessen ein völlig neuartiges Raumanzug-Konzept: Den BioSuit.

Franz Viehböcks Raumanzug sehen

In die Vergangenheit von Raumanzügen kann man unterdessen im Technischen Museum Wien eintauchen. Im Rahmen der Ausstellung "Space" kann man unter anderem den Sokol KV2 Raumanzug sehen. Das Teil wurde im Jahr 1991 von Franz Viehböck, dem ersten Österreicher im All, getragen. Außerdem ausgestellt ist der Sleep-Kit für die ISS, eine Art Schlafsack für die Raumstation, die in Österreich erfunden und gemeinsam mit Raumfahrern entwickelt wurde.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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