Zeilinger feiert am 20. Mai seinen 70. Geburtstag
Zeilinger feiert am 20. Mai seinen 70. Geburtstag
© APA/Hans Klaus Techt

Geburtstag

Quantenphysiker Anton Zeilinger wird 70

1997 gelang Anton Zeilinger erstmals die Teleportation von Lichtteilchen. Auch wenn es dabei nicht wie in „Star Trek“ um Fernübertragung von Materie, sondern von exakter Information geht, wurde der Versuch mit „Beamen“ verglichen bzw. gleichgesetzt. Er selbst vermeidet solche Begriffe, hatte aber nie ein großes Problem damit - schließlich wurde damit die Neugier der Öffentlichkeit geweckt.

Auch wenn es ohne ein gewisses Maß an Eitelkeit wahrscheinlich nicht geht: Publicitygier schien nie ein Beweggrund für Zeilingers Vermittlungsarbeit gewesen zu sein, für die ihn der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten 1996 als „Wissenschafter des Jahres“ ausgezeichnet hat. Vielmehr ist es der Enthusiasmus für sein Fach, „er kann Begeisterung vermitteln, weil er selbst ein Begeisterter ist“, wie er einmal beschrieben wurde.

Neue Erkenntnisse

Zum Interesse an seiner Arbeit trägt sicher bei, dass es sich dabei in vielen Fällen zwar um Grundlagenforschung par excellence handelt, es aber dennoch viele Anknüpfungspunkte zur Anwendung gibt. So erkannten der Physiker und sein Team, dass sich schon lange bekannte Effekte aus der Quantenwelt für völlig neue Zwecke nutzen lassen, etwa die Quantenkryptographie.

Dabei wird das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung, bei dem zwei Teilchen wie durch Zauberhand auch über weite Strecken verbunden bleiben, zur abhörsicheren Übermittlung von Schlüsseln genutzt. Dass dies möglich ist, zeigte Zeilinger erstmals 1999, fünf Jahre später demonstrierte er im Wiener Rathaus als Premiere eine mittels Quantenkryptographie verschlüsselte Geldüberweisung.

Vision: Quanteninternet

Mit der Vision eines weltumspannenden Quanteninternets vor Augen, schoben Zeilinger und sein Team die Grenzen der Verschränkung und der Teleportation immer weiter hinaus. Nachdem das Labor zu klein geworden war, „beamte“ der Physiker Photonen durch einen Abwasserkanal unter der Donau hindurch. Dann wagte er den Schritt in die Atmosphäre und schickte einzelne verschränkte Photonen zunächst quer über Wien und schließlich über die noch heute gültige Rekorddistanz von 143 Kilometer zwischen den kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa. In einer Kooperation mit China soll 2016 ein chinesischer Satellit ins All starten und von dort verschränkte Photonen zur Erde schicken.

Trotz aller Sympathie für Öffentlichkeit und Anwendung seiner Forschungen bleibt Zeilinger nach eigenen Angaben Grundlagenforscher, sein großes Interesse gilt dem Ziel, mehr Wissen über unsere Welt anzusammeln. Das betonte er auch, als er sich 2012 auf völlig fremdes Terrain begab: Zunächst „nur“ als wissenschaftlicher Berater für die künstlerische Leitung der Kunstausstellung documenta in Kassel engagiert, zeigte der Physiker bei der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst Experimente, die Prinzipien der Quantentheorie verdeutlichten.

Engagement für Standort Österreich

Autoritäten und Grenzen hätten ihn schon als Schüler nichts bedeutet, erinnerte sich Zeilinger vor kurzem. Diese Einstellung hat er sich bis heute erhalten und sich nie gescheut, zu aktuellen Themen Stellung zu nehmen und sich auch hochschulpolitisch zu engagieren.

Hartnäckig und konsequent verfolgte er etwa die Idee, in Österreich eine Spitzenforschungseinrichtung zu etablieren. Er konnte die Politik für die Idee gewinnen und 2009 wurde das Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg eröffnet. Im selben Jahr gründete Zeilinger die Internationale Akademie Traunkirchen, in der begabte junge Menschen gefördert werden. 2013 wurde Zeilinger zum Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gewählt.

Unzählige Auszeichnungen

Immer wieder wird er als Nobelpreis-Kandidat gehandelt, auch wenn er realistisch bleibt („Es gibt so viele andere Kandidaten auch“). Ehrungen hat er dennoch unzählige bekommen: 2001 erhielt er mit der Aufnahme in den Orden „Pour le Merite“ die höchste Wissenschaftsauszeichnung Deutschlands und mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst die höchste Ehrung für Wissenschafter Österreichs. 2005 wurde er mit dem saudiarabischen „King Faisal Preis“ ausgezeichnet.

Für „seine bahnbrechenden konzeptionellen und experimentellen Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik, die zu Meilensteinen der sich rasch entwickelnden Forschung im Bereich der Quanteninformation geworden sind“ ehrte ihn 2007 das „Institute of Physics“ mit der erstmals vergebenen „Isaac Newton Medaille“. Ganz ähnlich wurde 2010 die Verleihung des renommierten Wolf-Preises an Zeilinger begründet, die bisher renommierteste Auszeichnung für Zeilinger. Der Physiker ist zudem Fellow der American Association for the Advancement of Science (AAAS) und Mitglied etlicher Wissenschaftsakademien.

Der Physiker Anton Zeilinger ist einer der raren österreichischen Wissenschafter, deren Arbeiten international für Aufmerksamkeit sorgen. Dabei scheut er sich weder, seine quantenphysikalische Forschung anschaulich auch Laien näherzubringen, noch mit dem ganzen Gewicht seines Namens in der Wissenschaftspolitik mitzumischen. Am 20. Mai wird der Superstar der heimischen Wissenschaft 70 Jahre alt.

Mit ergrautem Rauschebart und krausem Haar scheint Zeilinger perfekt dem Wissenschafterklischee zu entsprechen und ist so zum gefeierten Medienstar geworden. Dabei werden ihm Attribute wie „Mr. Beam“, „Quantenpapst“, „Popstar der Naturwissenschaft“ oder „Hexenmeister aus Wien“ verliehen. Tatsächlich hat der Physiker immer an den äußeren Grenzen des aktuellen Wissens geforscht und bahnbrechende Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik geliefert.

Seine Popularität ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass sich Zeilinger nie gescheut hat, den Elfenbeinturm zu verlassen: Er erklärte dem Dalai Lama die (Quanten-)Welt, diskutierte mit Nobelpreisträgern den Sinn des Lebens und vermittelte Grundprinzipien der Quantenphysik bei der Kunstausstellung documenta in Kassel.

Wissen selbst angeeignet

Zeilinger, am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geboren, hat in seinen Physik- und Mathematik-Studien an der Universität Wien „keine einzige Stunde eine Vorlesung zur Quantenphysik“ gehabt. Er musste sich sein Wissen aus Büchern aneignen, „und das hat mich sofort fasziniert, weil die Quantenphysik von unglaublich schöner Mathematik ist“. Faszinierend fand er auch, was nicht in den Büchern stand: „Wenn man fragt, was das alles bedeutet, im Sinne einer Interpretation der Quantenmechanik, bekommt man das Gefühl, dass da etwas Interessantes verborgen sein muss“, sagte er im Gespräch mit der APA. Diese philosophischen Konsequenzen der Erkenntnisse aus der Quantenwelt beschäftigen ihn heute mehr denn je.

Er habe „das Riesenglück gehabt“, seine Doktorarbeit bei Helmut Rauch zu machen, dem Urvater der Quantenoptik in Österreich. Wie Rauch arbeitete Zeilinger ganz klassisch mit Neutronen, doch in dieser Zeit habe Rauch mit der Neutronen-Interferometrie begonnen und konnte schließlich zeigen, dass nicht nur Lichtteilchen Welleneigenschaften besitzen, sondern - wie von der Quantenphysik vorhergesagt - auch massive Teilchen wie Neutronen.

Promotion 1971

Nach der Promotion (1971) blieb Zeilinger als Assistent bei Rauch. In diese Zeit fielen erste Forschungsaufenthalte im Ausland, u.a. beim späteren Nobelpreisträger Clifford G. Shull am Massachusetts Institute of Technologie (MIT), das er bis 1990 immer wieder besuchte. Dort begann er sich mit grundlegenden Fragen der Quantenphysik zu beschäftigen - zum Beispiel in Diskussionen mit den US-Physikern Daniel Greenberger und Michael Horne über das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung.

Dabei handelt es sich um einen quantenphysikalischen Zustand von mindestens zwei Teilchen, der Grundannahmen der klassischen Physik widerspricht. Denn zwei verschränkte Teilchen bleiben auch über beliebige Distanzen stark miteinander verbunden, Veränderungen an einem beeinflussen scheinbar augenblicklich das andere Teilchen. Zeilinger hat aus dieser scheinbaren wissenschaftlichen Kuriosität ein mächtiges Werkzeug gemacht - nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für Anwendungen.

Die wichtigste Arbeit

Mit Greenberger und Horne beschrieb er 1986 eine spezielle Form der Verschränkung von drei Teilchen, die heute nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen „GHZ-Zustand“ bezeichnet wird. Diese Arbeit gilt in Fachkreisen als eine der wichtigsten Leistungen des Physikers. Es sollte bis 1998 dauern, bis es ihm gelang, diese Zustände auch experimentell zu erzeugen - der Weg dahin erwies sich aber als wissenschaftlich überaus fruchtbar.

Ab 1983 war Zeilinger Assistent an der Technischen Universität (TU) Wien, 1988 erhielt er eine Lehrstuhlvertretung an der TU München. 1990 wurde er schließlich als Professor an die Universität Innsbruck berufen und legte dort das Fundament für die heute zur Weltspitze zählende österreichische Quantenphysik.

Wechsel nach Wien

1999 wechselte er schließlich an die Universität Wien, wo er das Institut für Experimentalphysik leitete und bis zu seiner Emeritierung 2013 als Professor tätig war. 2003 gründete er außerdem gemeinsam mit Physiker-Gruppen der Universität Innsbruck um Rainer Blatt, Rudolf Grimm, Peter Zoller und Hans Briegel das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Fachlich gilt Zeilinger unter Kennern vor allem als begnadeter Experimentator, dem es in ausgefeilten Versuchen gelingt, neue Zusammenhänge aufzudecken und gängige Theorien zu bestätigen oder zu widerlegen. Dabei hat er sich mit technischer Präzision und intellektueller Weitsicht immer wieder auch mit Grundfragen der Quantenphysik beschäftigt.

Diese Auseinandersetzung führte zu einer Reihe von Spin-Offs, die international Aufsehen erregten. So entstand etwa Anton Zeilingers wohl bekanntestes Experiment auf dem Weg zur Realisierung der „GHZ-Zustände“: die Teleportation.

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