Supraleiter
Supraleiter
© Suchitra

Physik

Supraleiter: Schwebe-Züge, Hoverboards und mehr Strom

Manche Materialien leiten Strom bei sehr niedrigen Temperaturen ohne jeden Widerstand. Wie Supraleitung funktioniert, war aber lange Zeit unklar. Mittlerweile gibt es Theorien, die das Phänomen beschreiben. Das könnte den Weg zu neuen Materialien eröffnen, die Elektrizität bei deutlich höheren Temperaturen widerstandslos leiten. Mit neuen Supraleitern, die bei Zimmertemperatur funktionieren und sich gut verarbeiten lassen, könnten ultraschnelle, energieeffiziente Magnetschwebebahnen, Stromleitungen ohne Verlustee oder sogar Hoverboards - wenn auch nurt auf gewissen Unterlagen - Realität werden. Suchitra Sebastian, eine der führenden Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet, erklärt der futurezone, was Sache ist.

futurezone: Welches theoretische Modell wird verwendet, um Supraleiter zu erklären?
Suchitra Sebastian:
In Supraleitern agieren Elektronen als Paare, statt sich einzeln zu bewegen. Diese Paare vermeiden als Einheit den Widerstand, der normalerweise durch Kollisionen zwischen den Elektronen oder zwischen Elektronen und dem Kristallgitter der Materie, durch die sie sich bewegen, entsteht. Solche Materialien leiten Strom daher perfekt, sind also Supraleiter.

Suchitra Sebastian
Wie kann sich ein Laie diese Paarbildung vorstellen?
Bei Niedertemperatur-Supraleitern resultiert der Kleber, der die Elektronen zu Paaren verbindet, aus Interaktionen zwischen Elektronen und dem Kristallgitter. Dagegen muss bei Hochtemperatur-Supraleitern ein anderer Mechanismus am Werk sein, da die Interaktion mit dem Gitter bei höheren Temperaturen von der Teilchenbewegung überlagert wird. Stattdessen scheint eine magnetische Wechselwirkung ein guter Kandidat für die Ursache zu sein. Das heißt, dass die selbe Interaktion, die Magnetismus in magnetischen Materialien verursacht, auch für die Paarbildung in Hochtemperatur-Supraleitern verantwortlich sein könnte.

Was sind die besten Hochtemperatur-Supraleiter, die wir heute zur Verfügung haben?
Aktuell sind Materialien, die auf Kupfer-Oxiden basieren, unsere besten Hochtemperatur-Supraleiter. Sie funktionieren schon bei -135 Grad Celsius.

Haben Sie schon einen Plan, wie man andere Materialien mit ähnlichen Eigenschaften finden könnte?
Potenzielle Kandidaten für zukünftige Supraleiter haben wahrscheinlich gewisse gemeinsame Eigenschaften, wie etwa eine niedrigdimensionale Kristallstruktur. Sie sind im Normalzustand schlechte Leiter oder gar Isolatoren und weisen magnetische Eigenschaften oder einen Phasenübergang in der Ladungsverteilung im Material bei einer gewissen Temperatur auf. Diese Eigenschaften werden auf Basis der besten bekannten Supraleiter festgelegt.

Welches ist die vielversprechendste Materialklasse?
Einige Materialgruppen haben möglicherweise die Eigenschaften, nach denen wir suchen. Wir werden aber erst wissen, welche die vielversprechendsten Kandidaten sind, wenn wir erste Untersuchungen dieser Materialklassen durchführen konnten.

Ist die Theorie schon so weit, dass sie es erlaubt, eine Temperatur-Obergrenze für das Auftreten von Supraleitung festzusetzen?
Es gibt derzeit keine Grenze für das Auftreten von Supraleitung.

Glauben Sie, dass es jemals möglich sein wird, ein Material herzustellen, das bei Raumtemperatur supraleitend ist?
Aus meiner Sicht spricht nichts gegen Zimmertemperatur-Supraleiter.

Wie sieht ihr Zeitplan für die kommenden Jahre aus?
Wir suchen derzeit neue Supraleiter, indem wir verschiedene Materialien unter Druck setzen, wodurch sich ihre Eigenschaften Ändern. Wir planen, das im größeren Maßstab weiterzuführen. Im Moment erlaubt unsere Methode uns, einzelne Druckpunkte im jeweiligen Material nacheinander zu messen. Wir wollen Wege finden, um die Druckverteilung in ganzen Regionen auf einmal untersuchen zu können. Größere Drücke und ein größere Zahl an Kandidaten sollten uns erlauben, eine viel gründlichere Suche nach Supraleitung in neuen Materialien durchzuführen.

Sie versuchen derzeit also neue Supraleiter zu erschaffen, indem Sie Druck auf schlecht leitende Materialien wie Eisen-Arsenid ausüben. Wie viele neue Supraleiter haben Sie bisher gefunden?
Meine Kollegen und ich haben in Cambridge schon einige neue Supraleiter durch die Druck-Behandlung von Nicht-Supraleitern gefunden. Der Eisen-Arsenid-Supraleiter ist bemerkenswert, weil seine Supraleitungs-Temperatur mit 30 Kelvin (-243,15 Grad Celsius) relativ hoch ist, zumindest verglichen mit den meisten anderen Supraleitern, deren Betriebstemperaturen meist um oder unter 10 Kelvin (-263.15 Grad Celsius) liegen.

Suchitra Sebastian
Was sind die vielversprechendsten Anwendungen für neue Supraleiter?
Hochtemperatur-Supraleiter werden schon heute für kurze (unter einem Kilometer) Stromleitungen genutzt, auch in Netzüberspannungseinrichtungen, getriebelosen Windturbinen und anderen Anwendungen. Sie werden in diesen Bereichen künftig vermutlich viel häufiger verwendet werden. Dazu kommen supraleitende Computer-Chips, mögliche Quantencomputer und Magnetschwebebahnen. Die Entwicklung von Hoch- und möglicherweise sogar Raumtemperatur-Supraleitern würde zudem Möglichkeiten eröffnen, an die wir bisher noch nicht einmal gedacht haben.

Bei welcher Betriebstemperatur wäre es technisch möglich, Supraleiter im großen Maßstab technisch zu nutzen, etwa in Stromnetzen?
Temperaturen über dem Siedepunkt von flüssigem Stickstoff (rund 77 Kelvin, etwa -196 Grad Celsius) sind ökonomisch erreichbar. Derzeit ist die Familie der Kupfer-Oxide aber die einzige Materialklasse, die bei diesen Temperaturen Supraleiter hervorbringt. Diese sind allerdings spröde ähnlich wie Keramik, was sie schwierig zu verarbeiten macht. Das Formen von Drähten und die Anwendung in anderen Bereichen, in denen normalerweise Metalle zum Einsatz kommen, ist schwierig. Die Entdeckung anderer Hochtemperatur-Supraleiter-Familien, die leichter zu verarbeiten sind und somit einfacher technisch nutzbar sind, würde unsere gesamte Technologie verändern.

Wie wird sich der Temperaturbereich für den Einsatz von Supraleitern in den kommenden Jahren entwickeln?
Wir hoffen, dass innerhalb der nächsten paar Jahre eine neue Materialfamilie mit Supraleitungs-Temperaturen über dem Siedepunkt von Stickstoff gefunden wird.

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Markus Keßler

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