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Technologiegespräche Alpbach

Wie aus Scheiße Geld gemacht wird

“Die Weltbevölkerung wird in der nächsten Generation auf mindestens neun Milliarden Menschen anwachsen, die aber eher wie zwölf Milliarden essen werden. Zusätzlich wird der Klimawandel die Agrarproduktion in den nächsten 30 Jahren vielerorts um bis zu 30 Prozent verringern”, fasst Joachim von Braun eine der Herausforderungen zusammen, denen sich das Forschungsfeld der Bioökonomie widmet. Eine der wichtigsten Maßnahmen, die für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem getroffen werden müssen, ist die Kaskadennutzung von Rohstoffen. Das heißt etwa, dass aus Biomasse erst chemische Stoffe gewonnen werden, bevor sie der Energieerzeugung zugeführt wird und dass auch die Abfälle bestmöglich verwertet werden.

Dadurch entstehen in der Wirtschaft Wertschöpfungsnetze, die allerdings weitaus schwieriger zu optimieren sind, als die heutigen Wertschöpfungsketten. “Die Verknüpfungen reichen von der Agrarwirtschaft bis in die Finanzwirtschaft”, sagt von Braun beim Bioökonomie-Plenum der Technologiegespäche in Alpbach. Um solche Herausforderung bewältigen zu können, brauche es beispielsweise mehr Forschung und marktorientierte Biospritpreise, die steigen, wenn Nahrungsmittel teurer werden. Auch Nachhaltigkeitsstandards, verbesserte Effizienz und Einkommenschancen für Kleinbauern seien wichtige Punkte.

Geld stinkt nicht

Einzelne Unternehmen versuchen bereits heute nachhaltige Bioökonomieprojekte umzusetzen und verdienen damit gutes Geld. Der belgische Unternehmer Gunter Pauli etwa hat es sich mit seinem “Blue Economy”- Ansatz zur Aufgabe gemacht, mit innovativen Ideen bisher ungenutzte Ressourcen zugänglich zu machen und nachhaltige Konzepte umzusetzen. So züchtet er mit einer Firma Pilze auf Kaffee, aus denen Fasern für Textilien, Isoliermaterial, Farbstoffe und Futtermittel hergestellt werden können. “Man kann mit Kaffee 60 Mal mehr Geld verdienen, wenn er so chemisch verarbeitet wird, als wenn er zum Heißgetränk wird”, sagt Pauli. Da nur der Bruchteil eines Prozents der Kaffeeernte tatsächlich in unseren Tassen landet, können dabei Rohstoffe verwendet werden, die sonst ungenutzt blieben. Mit einem Kilo Kaffee kann ein Kilo Pilz-Biomasse gewonnen werden.

Auch andere Abfälle können gewinnbringend verarbeitet werden. So lässt sich aus Babyexkrementen, die in Form alter Windeln gesammelt werden können, Terra preta herstellen, ein enorm fruchtbarer Humus-Boden, der am Markt begehrt ist. Hier will das in Berlin gegründete Start-up Dycle ansetzen. “Der Inhalt von Windeln ist wertvoll. Wir wandeln 3000 Liter Babyexkrement in eine Tonne Terra preta um, das ist Humus für 1000 Obstbäume, die jeweils 50 Kilo Früchte pro Jahr liefern, die für fünf Euro pro Kilo verkauft werden”, sagt Pauli. So sollen 100 Familien zu 100.000 Bäumen und 50 Milliarden Kilo Früchten führen, wie der Unternehmer mit einem Augenzwinkern vorrechnet. Frische, zu hundert Prozent biologisch abbaubare Windeln, die teilweise aus den gepflanzten Bäumen gemacht werden könnten, wären so vielleicht sogar gratis zu beziehen.

Träges Europa

Für den Fischfang hat Pauli ebenfalls ein neues Konzept. Er will Fische direkt nach dem Fang scannen und schwangere Weibchen umgehend wieder ins Meer entlassen. Entsprechende Geräte müssen allerdings erst noch entwickelt werden. Weiter fortgeschritten ist ein Projekt in Italien, das alte petrochemische Anlagen in Bioraffinerien verwandelt. In Sardinien werden bereits Anbauflächen, die aufgrund der EU-Förderrichtlinien brach liegen, mit Disteln bepflanzt, die dann in solchen Anlagen zu Polymeren für Kunst- und Treibstoffe raffiniert werden. Die Abfälle können als Tierfutter genutzt werden. “Das ist billiger als brasilianisches Soja. Die Disteln kosten nur fünf bis sechs Euro pro Tonne und brauchen praktisch nichts zum Wachsen”, sagt Pauli. Die Enzyme, die dabei anfallen können in der Käseherstellung ebenfalls noch verwendet werden.

In China hat Pauli eine Pilotanlage aufgezogen, die aus Abfällen der Bergbauindustrie Papier herstellt. “Aus den enthaltenen Polymeren können wir ohne Wasser und ohne Fasern Papier herstellen, die Anlage produziert bereits mehr als eine Tonne pro Jahr”, sagt Pauli. Insgesamt hat der Serienunternehmensgründer schon mehr als 200 Projekte angestoßen, in die vier Milliarden US-Dollar geflossen sind und durch die drei Millionen Jobs entstanden sein sollen. Viele Projekte hat Pauli außerhalb Europas gestartet, weil ihn die Bürokratie und die zögerliche Herangehensweise auf dem alten Kontinent ärgert. “Während unsere nachhaltige Papierfabrik in China schon produziert, laufen hier noch die Machbarkeitsstudien”, so der Entrepreneur.

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Markus Keßler

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