Wie ein Dorf auf dem Mond aussehen könnte
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Das "Moon Village" bezeichnet die Vision einer Basis für Raumfahrer aus aller Welt auf dem Mond, in der an der Eroberung und Nutzung des Weltraums für die gesamte Menschheit geforscht wird. Die europäische Weltraumorganisation ESA verfolgt die Idee eines Dorfes auf dem Mond seit 2016. ESA-Chef Jan Wörner hält die Zeit reif für einen internationalen Außenposten auf dem Erdtrabanten. Die erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Internationalen Raumstation habe bewiesen, dass eine solche Kooperation möglich sei. Wie ein Moon Village aussehen könnte, damit haben sich nun 35 Architektur-Studenten der TU Wien (Abteilung HB2) unter der Leitung von Weltraumarchitektur-Expertin Sandra Häuplik-Meusburger ein Semester lang intensiv beschäftigt. Zur abschließenden Präsentation ihrer Projekte wurden hochkarätige Weltraumexperten geladen, um über das Konzept eines Monddorfes zu diskutieren.
Achter Kontinent
"Der Mond ist wie ein achter Kontinent", meint Piero Messina von der ESA. Der Erdbegleiter wird in absehbarer Zeit nicht nur ein Forschungsobjekt darstellen, sondern auch wirtschaftlich relevant werden. "Ein ganzes Industrie-Ökosystem könnte auf dem Mond entstehen", ist Messina überzeugt. Menschen und Roboter werden gemeinsam an der Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen arbeiten. Um eine nahtlose internationale Zusammenarbeit zwischen staatlichen Akteuren und Privatunternehmen zu ermöglichen, müsse es verbindliche Standards geben. Bereits heute stelle sich etwa die Frage: "Wie können wir sicherstellen, dass ein System einer europäischen Mondbasis mit einem Rover von China oder Facebook kompatibel ist?"
Zuflucht in Lavaröhren
Christian Köberl, Geologe und Direktor des Naturhistorischen Museums Wien, schildert einige der Rätsel, die der Mond immer noch für die Menschheit bereit hält. Noch unzureichend erforscht sei etwa der Vulkanismus auf dem Mond. Auf dem Erdtrabanten werden etwa durch Lavaströme entstandene Höhlen vermutet, die als Behausung dienen und Menschen vor radioaktiver Strahlung schützen könnten. Das Prinzip findet sich auch in einigen Projekten der Architektur-Studenten wieder, ebenso wie Mondbasen rund um den Südpol des Mondes. Das Südpol-Aitken-Becken stelle den größten bekannten Einschlagkrater im gesamten Sonnensystem dar, erklärt Köberl. In permanent verdunkelten Stellen in diesem tiefgelegenen Gebiet sei die Wahrscheinlichkeit Wasser zu finden am höchsten.
Trittbrett zum Mars
Kosmonaut Dumitru-Dorin Prunariu, der 1981 im Rahmen der sowjetischen Sojus-40-Mission acht Tage im All verbrachte, hat sich intensiv mit der Erforschung des Mondes beschäftigt. Wie er schildert, sei das Interesse daran, den Mond zu erobern, so groß wie nie. China will in naher Zukunft durch eine Sonde erstmals eigene Gesteinsproben sammeln und zur Erde schicken. Indien arbeitet an einem Rover. Dazu kämen zahlreiche neue, finanzkräftige, private Akteure, etwa SpaceX oder Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Laut Prunariu hätten die Bewohner eines Moon Village unter anderem die wichtige Aufgabe herauszufinden, wie sich ein besonders langer Aufenthalt im All auf den menschlichen Körper auswirke. Solche Erkenntnisse wären besonders hilfreich für eine Mission zum Mars.
Wirtschaftlicher Wettlauf
Eine Besiedelung des Mondes wirft zahlreiche ethische und rechtliche Fragen auf, meint Juristin Irmgard von der Universität Wien. Die Expertin für Weltraumrecht schildert die bisherigen Grundlagen, die seit den 1960er-Jahren im Rahmen der "Outer Space Treaties" der UNO entwickelt wurden. Am Mond können keine Gebiete annektiert werden, der Himmelskörper ist das gemeinsame Erbe der gesamten Menschheit - lauten etwa zwei der verankerten Grundlagen. Obwohl die meisten internationalen Vereinbarungen rund um den Mond idealistisch erscheinen, solle man sich laut Marboe keine falschen Illusionen machen: "Der Kapitalismus hat über den Sozialismus gesiegt. Eigentum für alle hat sich nicht durchgesetzt." Privatunternehmen werden künftig große Investitionen rund um Mondprojekte vornehmen und dafür auch rechtliche Sicherheit erhalten, ist Marboe überzeugt. Die in Wien ansässige Moon Village Association will ein Forum schaffen, um alle potenziellen Interessenten an einem Monddorf an einen Tisch zu bringen.
Architektonische Sicht
In den Studentenprojekten merkt man unterdessen wenig von kommerziellem Wettbewerb auf dem Mond. Aus architektonischer Sicht dominiert stattdessen etwa die Frage, wie man eine lebensfeindliche Umgebung zu einem heimeligen Ort machen kann. Die Studenten haben sich dabei etwa genau überlegt, wie man in Gewächshäusern eigene Lebensmittel züchten oder Müll wiederverwerten kann.
Nicht nur statische Behausungen wurden angedacht, sondern auch mobile Raumstationen, mit denen Raumfahrer wie Nomaden über den Mond ziehen, um der Sonne zu folgen und stets mit ausreichend Solarenergie versorgt zu sein. Auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Am Gravitationsspielplatz kann man etwa die eigene Beweglichkeit bei einem Sechstel der Erdanziehungskraft ausprobieren.
Ab 2050
Wenn man einmal im All gewesen ist, kommt man vor allem zu einer Erkenntnis, meint Dumitru-Dorin Prunariu: "Wir sind alle eine Gemeinschaft. Wir müssen freundlich miteinander umgehen." Wann ein Moon Village Realität sein könnte, dazu lässt sich auch von dem ehemaligen Raumfahrer nur schwer eine konkrete Angabe entlocken. Ab 2035 könnten erste Mondbasen errichtet werden, meint Prunariu. Ein permanent besiedeltes, echtes Monddorf kann er sich erst ab 2050 vorstellen.
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