© Screenshot, IBM

Biologie

Wiener Forscher züchten Mini-Gehirn im Labor

Wiener Forschern haben aus Stammzellen menschliche Mini-Gehirne geschaffen. Die Wissenschafter vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erhoffen sich davon wichtige Einblicke in die frühe Gehirnentwicklung beim Menschen.

Auch Erbkrankheiten des Gehirns lassen sich so erstmals an einer menschlichen Organkultur untersuchen, berichten die Forscher in der neuen Ausgabe des Fachjournals „Nature“. Erst in den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass sich das menschliche Gehirn sehr anders entwickelt als etwa jenes der Maus - ein beliebtes Modellsystem in der biomedizinischen Forschung. So gibt es etwa bestimmte Vorläuferzellen im menschlichen Gehirn, aus denen die meisten Neuronen in der Großhirnrinde entstehen, bei der Maus so gut wie gar nicht. „Die Maus ist daher nicht das ideale Modell für die Erforschung der Großhirnrinde“, sagte Jürgen Knoblich, stellvertretender IMBA-Direktor im Gespräch mit der APA.

Ihm ist es gemeinsam mit Madeline Lancaster und Kollegen gelungen, die frühen Entwicklungsstadien des menschlichen Gehirns in einem dreidimensionalen Organkultur-Modell nachzubilden. Sie verwendeten dazu sowohl menschliche embryonale Stammzellen (ES) als auch induzierte pluripotente Stammzellen (iPS), die etwa aus menschlichen Hautzellen gewonnen und dann zu einer Art Stammzellen verjüngt werden. Sowohl ES als auch iPS können sich noch zu allen Zellen des menschlichen Körpers entwickeln.

Keimblätter

Die Wissenschafter bringen die Stammzellen dazu, sich weiterzuentwickeln und zu differenzieren. Es bilden sich dabei die drei Keimblätter (Endoderm, Mesoderm und Ektoderm). Weil das Gehirn nur aus dem Ektoderm entsteht, werden die Zellen dann in ein Medium eingebracht, in dem sich nur das Ektoderm weiterentwickelt. Dieses Gewebe wird dann in einen Tropfen „Matrigel“ gegeben, eine konzentrierte gelatineartige Substanz, die die natürliche Umgebung von Zellen in diesem Entwicklungsstadium nachahmt. Diese Kügelchen kommen dann in eine Wachstumskammer, ein Reagenzglas mit einem langsam laufenden Rührwerk, das dafür sorgt, dass das Gewebe von der Nährlösung umspült wird.

Bioreaktor

In diesem Bioreaktor wachsen bis zu vier Millimeter große „Mini-Hirne“ heran, von den Wissenschaftern „Organoide“ genannt. Und zur Überraschung der Forscher organisieren sich die Zellen exakt so wie im embryonalen Gehirn. „Es stellt sich immer mehr heraus, dass menschliche Zellen diese enorme Kapazität haben, sich selber zu organisieren“, sagte Knoblich.

So bilden sich in den „Mini-Hirnen“ komplexe Strukturen heraus, etwa sogenannte Signal-Zentren. „In der Organentwicklung spezialisieren sich bestimmte Regionen und schicken dann anderen Regionen Botenstoffe. Dadurch wissen die, wo vorne, hinten, oben und unten ist. Genau das scheint in den Organoiden auch abzulaufen“, so der Wissenschafter. Auch die Organisation der Großhirnrinde („Cortex“) sei in den Organoiden kaum unterscheidbar von der natürlichen embryonalen Gehirnentwicklung.

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