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Pitching Days

Österreichische Start-ups auf Investorensuche in Israel

Ein bisschen Anspannung ist den österreichischen Start-up-Teams schon anzumerken, als sie den Hörsaal im StartHub des Academic College of Tel Aviv betreten, wo sie in den folgenden Stunden ihre Firmen vor israelischen Investoren präsentieren sollen. Acht Jungunternehmen sind im Zuge der Pitching Days der Außenwirtschaft Austria nach Israel angereist, um mit Geldgebern in Kontakt zu kommen und einen Einblick in die florierende Start-up-Szene in dem Land zu erhalten. “Hier herrscht eine mitreißende Stimmung und ein hohes Tempo in der Start-up-Landschaft”, sagt Günther Schabhüttl, der Wirtschaftsdelegierte in Tel Aviv. Israel hat sich in den vergangenen Jahren extrem gut aufgestellt, was die Gründerszene betrifft.

Hört man sich in der Branche um, scheint alles für ein lebendiges Ökosystem zu stimmen: Es gibt Steuererleichterungen, eine hohe Konzentration an Investoren, Inkubatoren und Accelerator-Programmen. Viele internationale Konzerne - von Apple und Google über Microsoft und Intel bis hin zur Deutschen Telekom - betreiben Forschungszentren im Land. Auch auf akademischer Ebene ist Israel stark, und häufig werden von Unis und Industrie gemeinsame Interessen verfolgt: Etwa indem die Hochschulen geistiges Eigentum an Start-ups oder große Hightech-Konzerne lizenzieren. Und nicht zuletzt ist da noch das Militär, das eine besondere Rolle beim Thema Gründernation Israel spielt. Drei Jahre müssen junge Männer, 21 Monate die Frauen zum Heer. Dort kommen sie früh mit Spitzen-Technologie (Überwachung, Aufklärung, Drohnen, etc.) in Kontakt und lernen außerdem Führungsrollen zu übernehmen.

Gezielte Maßnahmen

Allein in Tel Aviv sind derzeit mehr als 1000 Start-ups angesiedelt, zwischen 2012 und 2014 gab es ein Wachstum von 40 Prozent in dem Bereich. Außerdem findet man rund 1500 Tech-Unternehmen in der Stadt. Tel Aviv hat eine nahezu lückenlose Abdeckung mit kostenlosem WLAN - das man dort zumindest als Besucher auch dringend braucht, da die Roamingpreise in Israel so hoch sind, wie kaum irgendwo auf der Welt.

Zudem gibt es in Israel ein neues Pilotprojekt unter dem Titel “Start-up Visa”, das ausländischen Entrepreneuren den Aufenthalt und das Arbeiten in Israel erleichtern soll. Im Wissenschafts- und Technologieministerium (Office of Chief Scientist, OCS) wird der österreichischen Delegation erklärt, dass die Fördermaßnahmen für Start-ups zunächst einmal nicht Geldverdienen als Zielsetzung hätten, sondern, dass es darum gehe, die Industrie zu stärken. “Enable but don’t lead the market”, erklärt Itay Beck, stellvertretender Direktor des Inkubator-Programms des OCS. Insgesamt gibt es 37 verschiedene Programme für Innovation in der Forschung. Laut Beck stellt man ein Jahresbudget von 400 Millionen Dollar dafür zur Verfügung. Das Geld fließt in die unterschiedlichsten Bereiche, ein starker Fokus liegt allerdings auf Biotech und Medizin, hier wird mehr Geld investiert als beispielsweise in “eine mobile App”, wie Beck erklärt, “weil in dem Bereich einfach mehr Unterstützung benötigt wird”. Im Schnitt erhalten 70 Firmen pro Jahr eine Unterstützung des OCS.

Dabei sein ist alles

Den Drive in der israelischen Szene wollen sich auch die österreichischen Start-ups während ihres Aufenthalts zunutze machen. Sie sind motiviert und haben sich allesamt gut auf ihre Pitches vorbereitet. Dabei wurden sie vorab schon ein bisschen gewarnt: “Wundert euch nicht, wenn die Investoren, vor denen ihr präsentiert, sehr unverblümt und kritisch, eventuell sogar laut sind”, schickte der Wirtschaftsdelegierte Schabhüttl voraus. In Israel herrsche ein sehr offenes Klima, die Kommunikation laufe sehr “gerade heraus” ab. Außerdem besitzen die israelischen Unternehmer ein gewisses Selbstbewusstsein, wenn es um ihre Ideen und Projekte geht, und haben angetrieben von Pioniergeist in dem rund acht Millionen Einwohner Land keine Scheu, sich auch sehr hoch gesteckten Zielen zu nähern. Gemeint ist damit Chuzpe, allerdings durchaus im positiven Sinne.

Dass sie mit großen Investments nach Hause fahren werden, davon gehen die heimischen Gründer eigentlich gar nicht aus, wenn man sie darauf anspricht. Das Wichtigste sei zunächst einmal das Vernetzen, Kontakt herstellen zu den israelischen Investoren, Inputs und Feedback abholen - was sich infolge daraus vielleicht noch ergibt, das müsse ohnehin abgewartet werden. Die Pitching Days, die das Außenwirtschaftscenter gemeinsam mit aws i2 Business Angels (Austria Wirtschaftsservice) und der Jungen Wirtschaft veranstaltet, fanden 2015 zum ersten Mal in Tel Aviv statt. Damals sei es zumindest zu einer größeren Investition in ein österreichisches Start-up gekommen, sagt Bernd Litzka von der aws. Zudem habe man die Teilnehmer in diesem Jahr schon im Vorfeld noch besser auf die Pitchings vorbereitet, was die Chancen für das ein oder andere Investment erhöhen sollte.

Große Summen

Im vergangenen Jahr gab es 63 Megadeals mit einem Wert von über 20 Millionen Dollar in Israel. Unter den Käufern der Start-ups fanden sich zahlreiche Tech-Riesen wie Google, Microsoft, Facebook, Apple oder Qualcomm. Die jährliche Wachstumsrate im Hightech-Bereich liegt in dem kleinen, konfliktgebeutelten Land seit 2002 konstant bei zehn Prozent.

Dass das Dimension sind, mit denen eine heimische Start-up-Szene, wenngleich sie sich in den vergangenen Jahren durchaus beachtlich entwickelt hat, nicht mithalten kann, ist allen bewusst. Dass es nur eines von zehn Start-ups auch zum Erfolg schafft und die restlichen neun scheitern, ist ebenfalls kein Geheimnis, auch bzw. vor allem in Israel nicht. Diejenigen, die es schaffen, sind jedenfalls schnell auch international etabliert - Namen wie Fiverr, MyHeritage, Waze (das von Google gekauft wurde) oder Outbrain sind heute auf der ganzen Welt bekannt. Hinzu kommt in Israel die Einstellung, dass das Scheitern eigentlich etwas Positives ist. Es zählt quasi zum guten Ton, dass man in seinem Lebenslauf auch Projekte hat, die nicht funktioniert haben. Dieses Mindset wird, so klagen österreichische Start-ups, hierzulande nach wie vor vermisst. Deshalb wollen sich die Teilnehmer der Pitching Days - neben möglichen Investments - auch davon etwas mit nach Hause nehmen.

StoreMe überzeugt

Vor dem Publikum im Hörsaal des StartHub, das sich aus Investoren und anderen Vertretern der israelischen sowie der österreichischen Start-up-Szene zusammensetzt, kann schließlich die Lagerplatz-Börse StoreMe am besten punkten. Das Konzept ist ein bisschen so aufgebaut wie Airbnb, nur dass keine Wohnungen, sondern eben freie Räume/Lagerplätze angeboten und angemietet werden können. Damit holt sich das Team von StoreMe den “Best Start-up Award” bei den Pitching Days.

Durchsetzen konnte sich das Start-up damit gegen die Projekte von Blueminds (Energiemanagement, Smart Meter), Experience Fellow/Smaply (Software im Bereich Kundenzufriedenheit, Gatherer (Terminplanungstool), Locosonic (Audio-Erlebnisse im Tourismus-Bereich), onLIM (Social Media Management), Photodynamic Therapy (Tumortherapie mit Licht) und ZippIT (physische Übermittlung von sensiblen Daten). Wer sich vielleicht auch über das eine oder andere Investment der israelischen Geldgeber freuen darf, wird die Zeit zeigen. Mit unrealistischen Illusionen sind jedenfalls die wenigsten angereist.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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