© Claudia Zettel

Start-up

Pocket-Gründer: “Wir werden mit Content überschüttet”

Mit Pocket können Artikel, Videos und andere Inhalte aus dem Netz gespeichert, gesammelt und zu jeder Zeit - auch offline - gelesen werden. Das im Jahr 2007 in San Francisco unter dem Namen Read It Later gegründete Start-up hat längst den internationalen Markt erobert und zählt mittlerweile mehr als zwölf Millionen User. Seit kurzem gibt es neben der Gratisversion auch eine Premium-Bezahlvariante von Pocket.

Die futurezone hat das Start-up in seinem Hauptquartier in San Francisco besucht und Gründer Nate Weiner zum Interview getroffen.

futurezone: Pocket hat sich über die vergangenen Jahre erfolgreich auf dem Markt positioniert. Wenn Sie zurückblicken, wie haben Sie diesen Erfolg aus Ihrer Sicht zustande gebracht?
Nate Weiner: Es gibt vor allem eine Sache, an die wir uns halten: Wir konzentrieren uns auf ein wesentliches Kernproblem, das wir lösen wollen. Das war schon so, als Read It Later gestartet ist, und gilt für uns auch heute genauso. Dabei geht es darum, die vielen Inhalte, denen man im Web begegnet, über verschiedene Plattformen und Geräte hinweg zentral speichern und lesen bzw. anschauen zu können. Ich glaube, dass die Simplizität, mit der wir diese Idee umgesetzt haben, uns Recht gibt und uns von anderen Produkten, die etwas Ähnliches anbieten, abhebt.

Welche Erwartungen hatten Sie zu Beginn, als Sie mit Read It Later gestartet sind?
Absolut keine. Ich habe eigentlich zuerst nur etwas für mich selber gebaut, meiner Mutter gezeigt und meinen Freunden.

Wo sehen Sie Pocket in fünf Jahren?
Das ist natürlich sehr schwer jetzt zu wissen. Wir denken so darüber: In Zukunft wird jeder “ein Pocket” nutzen und eines brauchen. Ob es wir sein werden, die dieses Pocket zur Verfügung stellen, das ist heute unklar. Aber jedenfalls wollen wir dieses Unternehmen sein. Die Frage für mich ist auch: Wie ermöglichen wir es Leuten, mithilfe von Pocket noch mehr hochqualitative Inhalte zu finden. Wir werden mit Content überschüttet, es wird immer schwieriger, relevante und gute Inhalte herauszufiltern. Auf solche Fragen haben wir immer unseren Fokus gelegt.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Gründung Ihres Unternehmens im Umfeld des Silicon Valley gemacht? War es schwierig, sich durchzusetzen, Aufmerksamkeit zu erlangen?
Ich sage mal so: Das Produkt Pocket startete vor sieben Jahren, das Unternehmen vor drei Jahren. Zu der Zeit haben wir angefangen ein wirkliches Team auf die Beine zu stellen und das Unternehmen zu finanzieren. Für uns ging es dann wirklich schnell, was das Aufstellen von Geld betrifft. Es gab ja bereits ein Produkt, das viele Menschen liebten. Der Wert von Pocket war da Vielen schon bewusst. Es war für uns also eigentlich recht einfach, aber ich würde sagen, dass das eher ein ungewöhnlicher Weg war.

Gibt es so etwas wie einen typischen Pocket-User?
Ich denke nicht, zumindest haben wir einen “typischen Pocket-User” noch nicht gefunden. Es gibt Leute, die nur im mobilen Web lesen, andere, die nur auf dem Desktop lesen. Es gibt Leute, die sich nur Kochrezepte abspeichern, usw. Vorwiegend sind es jedenfalls Nutzer die eine große Menge an Inhalten im Internet entdecken und sicherstellen wollen, dass sie diese an einem Ort sammeln und speichern können.

Auf welche Märkte bzw. Regionen konzentriert sich Pocket derzeit am stärksten?
Wir haben erst zu Beginn des Jahres mit regionalen Auftritten begonnen, aber sogar davor kamen schon 70 Prozent unserer User von außerhalb der USA. Seither hat sich die Zahl weiter erhöht, mittlerweile sind es 80 Prozent. Es gibt große Märkte, auf die wir uns konzentrieren, wie zum Beispiel Indien, China, Japan. Auch Deutschland ist ein großer Markt für uns. Interessant daran ist, dass sich manche Märkte wie USA, Deutschland oder Japan ziemlich ähnlich sind, was das Nutzungsverhalten betrifft. Und dann gibt es Märkte, wo komplett ein anderer Usecase zum Tragen kommt, etwa in Indien, da dominiert die Offline-Nutzung.

Wie viele Online-Artikel werden im Durchschnitt von einem User abgespeichert?
Das hängt sehr stark von der Aktivität eines einzelnen Nutzers ab. Aktive User speichern vielleicht um die zehn Artikel pro Tag ab, weniger aktive kommen in der Woche auf drei.

Wie sieht es in punkto Inhalte aus - gibt es bestimmte Arten von Content, die besonders dominieren?
Grundsätzlich entfallen einmal 55 Prozent der abgespeicherten Inhalte auf Artikel, etwa 20 Prozent sind Videos und dann gibt es noch die Kategorie “Pages”, darunter verstehen wir Dinge wie Rezeptseiten, Amazonseiten, usw. Wenn man sich die einzelnen Webseiten im Detail ansieht, ist es sehr durchmischt. Sogar die am häufigsten abgespeicherte Webseite, nämlich YouTube, macht weniger als ein Prozent aus.

Pocket hat vor nicht allzu langer Zeit ein kostenpflichtiges Premiummodell eingeführt. Ist das nun das Geschäftsmodell bzw. welche anderen Einnahmequellen hat die Plattform?
Es ist ein Teil unseres Geschäftsmodells, ein erster Schritt in die Richtung Abomodell. Das gehört jetzt zu unserer Strategie. Viele andere Dinge, die wir ausprobieren wollen, werden aber noch ein bisschen Zeit benötigen.

Haben sich denn schon viele User für das Premiummodell angemeldet? Immerhin kostet das Abo fünf Dollar pro Monat, was nicht unbedingt günstig ist.
Die Zahlen liegen in dem Bereich, den wir zuvor erwartet hatten. Uns ist bewusst, dass es nicht ganz billig ist. Aber wir zielen hier auf jene User ab, denen der Mehrwert diesen Betrag wert ist. Für uns ist das auch spannend, weil es sich sehr von dem unterscheidet, worauf wir zuvor fokussiert waren: Wir wollten einfach nur ein kostenloses Erlebnis für einfach alle bieten. Mit dem Premiumangebot wollen wir ganz klar auch nicht alle User erreichen. Es ist natürlich schwierig ein Produkt herauszubringen, von dem man weiß, dass es 99 Prozent der Nutzer wohl nicht annehmen werden. Aber es ist ein wichtiger Schritt für uns auf dem Weg zu einer langfristig beständigen Firma.

Sieht sich Pocket in Konkurrenz zu Plattformen wie Evernote?
Nein. Tatsächlich ist Evernote einer unserer besten Partner. Wir zählen zu den fünf wichtigsten Content-Providern für Inhalte, die über die Schnittstelle für den Service auf Evernote landen. Viele Leute speichern sich Inhalte auf Pocket und infolge dauerhaft auf Evernote. Wir haben ein gutes und enges Verhältnis zu Evernote, sie haben uns auch im Prozess zur Umsetzung unseres Premiummodells weitergeholfen.

Pocket kann man im Web genauso wie mobil nutzen. Spielen beide Plattformen eine gleichwertige Rolle für den Erfolg des Services?
Ich glaube, genau diese Gleichwertigkeit aller Plattform ist Teil des Erfolgs von Pocket. In der Sekunde, in der wir eine Plattform unterstützen, erhält sie volle Aufmerksamkeit. Bei uns gibt es keine Zweiklassengesellschaft. Uns ist es sehr wichtig, überall eine gleichwertige Nutzer-Experience zu schaffen und alles zu unterstützen. Wenn jemand zum Beispiel über Chrome etwas nicht abspeichern könnte, dann wäre das einfach schlecht für eine einheitliche Nutzung.

Wenn Sie sich den Bereich des mobilen Internets allgemein anschauen, welche Entwicklungen sind derzeit die spannendsten?
Ich finde generell die mobile Nutzung spannend. Vor drei Jahren noch hat Mobile nur 25 Prozent aller Seitenaufrufe auf unserer Plattform ausgemacht, heute sind es 75 Prozent. Ein kleiner Teil davon kannibalisiert zwar den Desktop, aber der überwiegende Teil sind zusätzliche Zugriffe, neue Plattformen, auf denen man Content haben kann. Das wird sich in den kommenden Jahren noch viel schneller in diese Richtung weiterentwickeln. Ich glaube auch, dass die steigende mobile Nutzung es uns einfacher macht, den Leuten zu zeigen, was Pocket macht und wofür es gut ist.

Pocket ist, wie eingangs erwähnt, simpel gestaltet und auf Kernfunktionen reduziert. Steht es auch zur Diskussion, die Plattform “sozialer” zu machen, mehr Social-Media-Funktionen zu integrieren?
Ja, andauernd. Wir sind eine sehr experimentierfreudige Firma, wir spielen ständig mit neuen Funktionen herum, auch im Bereich Social. Aber es ist für uns sehr wichtig, nicht die Vision unseres Produkts und das Produkt selbst mit Dingen zu korrumpieren, die den Leuten keinen Nutzen bringen. Wenn wir etwas haben, von dem wir überzeugt sind, dass es gut funktioniert, werden wir es integrieren.

Wenn Sie sich das Feedback auf Ihren Dienst anschauen, was gefällt den Nutzern an Pocket am besten?
Lustigerweise ist das häufigste Feedback, das wir bekommen, dass sich Nutzer fragen, wieso sie uns nicht schon vorher entdeckt haben. Das knüpft daran an, was wir als Firma versuchen, umzusetzen - unser Produkt hilft eine Reihe von Problemen zu lösen, wenn man sich heute im Internet bewegt. Wir verlassen uns zurzeit komplett auf Mundpropaganda, und das ist eigentlich eine schwierige Sache für ein Produkt, das komplett privat funktioniert. Ich kann nicht sagen, wie stark jemand Pocket nutzt. Das ist bei Twitter oder Instagram anders - da sieht ja jeder gleich, wenn jemand es benutzt. Es geht also wirklich um diese eine Kernfunktion bei Pocket.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

mehr lesen
Claudia Zettel

Kommentare