Datenschutz

"EU-Datenschutzpaket wird scheitern"

Das EU-Datenschutzpaket droht zu scheitern. „Es könnte sein, dass man nach der EU-Wahl im Mai 2014 wieder bei Null beginnen muss“, warnt der EU-Politiker Dimitrios Droutsas bei der Veranstaltung „Menschenrechte bei LGP: Schützt die EU unsere Daten?“ in einer Wiener Anwaltskanzlei. Droutsas agiert in Brüssel als Schattenberichterstatter für die Datenschutz-Grundverordnung und als Berichterstatter für die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Polizei- und Justizbehörden.

"NSA-Skandal hat Politiker aufgeweckt"

Aus Sicht von Droutsas wurde zwar das EU-Parlament durch den NSA-Skandal aufgeweckt, doch der EU-Rat bremst das Paket weiterhin aus. „Der NSA-Skandal war in Bezug auf die Datenschutzverordnung ein willkommenes Ereignis, ein Weckruf für alle Parlamentarier, einzusehen, dass die Zivilgesellschaft sensibel auf Datenschutz-Fragen reagieren kann“, so Droutsas. Man habe in den sechs Wochen nach der Sommerpause mehr erreicht als in den sechs Monaten zuvor. „Wenn der politische Wille da ist, kann man auch ein enormes Arbeitspensum in kurzer Zeit erledigen“, so der EU-Abgeordnete.

Ende Oktober rangen sich alle Fraktionen im Europaparlament zu einem Kompromiss durch. Ein Kompromiss, der sich im Großen und Ganzen sehen lassen kann und der für den EU-Politiker Dimitrios Droutsas nach langen, schwierigen und kontroversen Verhandlungen ein großer Erfolg war.

Doch das EU-Datenschutzpaket kann nicht vom Parlament alleine beschlossen werden. Dazu ist ein Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission notwendig. „Es reicht nicht, wenn zwei Partner – die Kommission und das Parlament an einem Strang ziehen“, so Droutsas. Doch die EU-Minister hat der NSA-Skandal scheinbar nicht aufgeweckt. „Ich glaube nicht, dass es den absoluten Willen gibt, das EU-Datenschutzpaket vor der EU-Wahl 2014 durchzubringen. Man spricht bereits von 2015“, erklärt Droutsas.

Alles zurück auf Null?

Damit könnte das EU-Datenschutzpaket auch gleich ganz gescheitert sein, denn nach der EU-Wahl wird es auch eine(n) neuen Justiz-Kommissar(in) geben. Während sich Viviane Reding als treibende Kraft für ein hohes Datenschutzniveau in der EU einsetze, sei keineswegs gesagt, dass der neue Kommisar diese Bestrebungen fortsetze, erklärte Droutsas. „Man darf nicht davon ausgehen, dass der Reding-Vorschlag die Wahl überlebt und das Europaparlament unsere Arbeiten übernimmt“, warnt Droutsas. In so einem Fall würde man die Arbeit wieder von vorne anfangen müssen.

Droutsas
„Man möge auch aufpassen, dass man die Rechnung nicht bereits bei der nächsten EU-Wahl präsentiert bekommt. In einigen Mitgliedsstaaten, vor allem in Skandinavien, hat die Datenschutzverordnung eine große Bedeutung. Daher müssen sich die Regierungen gut überlegen, ob sie die Verhandlungen weiter blockieren“, erklärt Droutsas, der es für theoretisch möglich hält, dass die Reform mit einem strikten Zeitplan noch vor der EU-Wahl durchgesetzt werden könnte. Dazu wäre es notwendig, den Trilog im März abzuschließen, damit das EU-Parlament noch vor der EU-Wahl im Plenum darüber abstimmen kann.

"Österreich fehlen die Kapazitäten"

Hier widerspricht Gerhard Kunnert vom österreichischen Bundeskanzleramt, der als Mitglied der Ratsarbeitsgruppe fungiert und sich im Rahmen der Diskussion zu Wort meldet, gleich mehrfach: „Es gibt mindestens 20 schwierige Detailfragen und ich bin ziemlich pessimistisch, was den Zeitplan anbelangt. Es hilft nichts, wenn wir binnen weniger Monate 20 Verhandlungstage haben. Die griechische Präsidentschaft hat ab Jänner 2014 21 Verhandlungstage vorgesehen. Das würde bedeuten, dass wir bis März drei Verhandlungstage pro Woche hätten. Doch wie soll das verdaut werden? Wir müssen uns auch innerstaatlich absprechen. Das ist ein Kapazitätsproblem. Kleinere Staaten haben dafür nicht die Ressourcen. Wir haben in Österreich zu wenig Ressourcen im Bundeskanzleramt“.

Droutsas zeigt sich über die Aussage Kunnerts „schockiert“. „Österreich ist ein Paradies, was die Effizienz der öffentlichen Verwaltung anbelangt. Es ist schockierend, wenn ein Mitgliedsstaat wie Österreich zu wenig Ressourcen zur Verfügung stellt. Das ist eine Frage des politischen Willens.“

"Gesamtpaket wird scheitern"

Aus Kunnerts Sicht gehe es Parlament und Kommission nur noch darum, das Datenschutzpaket möglichst rasch abzuschließen. „Mein Eindruck ist, dass der formale Abschluss vor dem Inhalt überwiegt. Es ist nicht nur so, dass manche Staaten die Richtlinie nicht wollen, sondern es macht große Probleme, einen allgemeinen Rahmen zu setzen, mit dem man im innerstaatlichen Bereich keinen Spielraum mehr hat z.B. bei der Videoüberwachung. Man müsste in der Verordnung konkreter werden und Rechtsakte als Ergänzung erarbeiten. Das ist auch einer der Gründe, warum das Gesamtpaket scheitern wird“, meint Kunnert.

Für Droutsas hingegen ist das Datenschutzpaket nicht „das Ende, sondern der Anfang“. „Datenschutz ist so umfassend, dass man niemals alles regeln können wird und es kein endgültiges Paket geben kann, mit dem man alle zufriedenstellt. Natürlich kann man immer bessere Ergebnisse erzielen. Aber die jetzige Konstellation ist die richtige um zu sagen: Wir tun den ersten Schritt.“

Festgegefahrene Situation

Diese Diskussion zeigt deutlich, dass die Gräben zwischen EU-Parlamentsvertretung und österreichischer Ratsvertretung weit auseinander liegen. Einig sind sich die beiden Herrn daher vor allem in dem Punkt, dass eine Umsetzung vor der EU-Wahl 2014 nicht realistisch ist. Während sich die eine Fraktion – das Parlament – jedoch wenigstens bemüht, das Unmögliche möglich zu machen, blockiert die österreichische Vertretung des Rats die Bestrebungen und beruft sich auf „Kapazitätsprobleme“. „Bei der Bevölkerung werden diese Argumente, nicht genügend Ressourcen zu haben, nicht gut ankommen. Gerade der Datenschutz-Bereich ist einer jener, wo wir als Politiker den Bürgern etwas zeigen können, das sie persönlich betrifft“, so Droutsas.

Wenn die EU-Datenschutzreform tatsächlich scheitern sollte, würde das insgesamt kein gutes Bild auf Europa werfen. Für Droutsas war bereits die Reaktion, oder besser gesagt, die „Nicht-Reaktion“ der EU auf den NSA-Skandal falsch. „Das Schweigen halte ich für einen sehr großen Fehler.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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