© Georg Hochmuth, apa

Gesetzesänderung

Österreich: Heer will Zugriff auf Vorratsdaten

Wer, wann mit welcher IP-Adresse im Netz war, in Foren gepostet oder bei Online-Händlern eingekauft hat, sollen künftig österreichische Militärgeheimdienste bei Internet- und Telekomanbietern und bei Anbietern von Internetdiensten, wie Online-Medien oder -Händlern, nach Belieben abfragen dürfen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung hat das Datenschutzportal unwatched.org - gut versteckt -  in einem Begleitgesetz zur Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 entdeckt, das sich derzeit in der parlamentarischen Begutachtung befindet.

Bislang durften Militärgeheimdienste von Telekomanbietern lediglich Name, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses erfragen, wenn diese Daten "zur Erfüllung der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr benötigt werden", wie es im §22 des Militärbefugnisgesetzes heißt. Laut dem Gesetzesentwurf (PDF) dürfen die militärischen Organe künftig auch "Internetprotokoalladressen zu einer bestimmten Nachricht und dem Zeitpunkt ihrer Übermittlung" sowie "Name und Anschrift eines Benutzers, dem eine Internetprotokolladresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war" bei Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern abfragen, wenn sie diese Daten als "wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen".

Zugriff auch auf Vorratsdaten
Der Datenzugriff ist auch dann erlaubt, "wenn dazu die Verwendung von Vorratsdaten erforderlich ist", heißt es in dem Papier. Internet- und Telekomanbieter oder sonstige Diensteanbieter, wie etwa Online-Medien, -Händler oder Suchmaschinen, müssen die Auskünfte "unverzüglich und kostenlos" erteilen.

Keine rechtsstaatliche Kontrolle
Während Polizei und Justiz - von wenigen Ausnahmen abgesehen - bei der Abfrage von Vorratsdaten eine im Bundesrechenzentrum eingerichtete Durchlaufstelle (DLS) nutzen müssen, bei der die Abfragen penibel protokolliert werden, ist eine solche Regelung für die Militärgeheimdienste nicht vorgesehen. Auch von Sicherheitsstandards bei der Datenübermittlung ist in dem Gesetzesentwurf keine Rede.

Auffallend ist auch, dass in dem Gesetzestext der Datenzugriff nicht mehr wie in früheren Formulierungen auf "nachrichtendienstliche Aufklärung oder Abwehr" begrenzt wird. Stattdessen ist vage von "im Bundesgesetz übertragenen Aufgaben" die Rede. Das lasse die Schlussfolgerung zu, dass die Kernaufgaben von Heeresnachrichtendienst bzw. Heeresabwehramt erweitert würden, schreibt Erich Möchel auf FM4 unter Verweis auf die

, den Bereich "Cyber Defense" zu stärken.

"Äußerst Problematisch"
Andreas Krisch vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) bezeichnete die geplante Gesätzesänderung gegenüber der futurezone als "äußerst problematisch. "Der Zugriff auf die Vorratsdaten dehnt sich immer weiter aus", sagt Krisch: "Das Justizministerium hat schon versucht, Vorratsdaten für Urheberrechtsvergehen zu bekommen, jetzt möchten die Militärgeheimdienste ebenfalls Zugriff auf die Daten haben." Krisch kritisiert auch, dass die Datenzugriffe nicht protokolliert werden müssen. "Die Datenzugriffe fallen aus jeder Statistik heraus, alles was an Kontrollmechanismen vorhanden ist, wird ausgeschaltet."

"Wenn Vorratsdaten genutzt werden, ist es unabkömmlich, dass eine lückenlose Protokollierung gewährleistet ist und das genau auf die Sicherheit der Übertragung geachtet wird", sagt Maximilian Schubert vom Verband der österreichischen Internet-Anbieter (ISPA). Dass keinerlei Sicherheitsstandards bei der Übermittlung der Daten vorgesehen seien, habe die Provider überrascht. "Telefon, Fax und unverschlüsselte E-Mails sind Technologien des letzten Jahrtausends", so Schubert: "Wenn wir schon vom Cyberwar reden, sollte man bei der Sicherheit ansetzen."

Offene Fragen
Fraglich ist auch, ob die erweiterten Befugnisse der Militärgeheimnisse mit derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Datenabfrage in Einklang zu bringen sind. Im Zuge der österreichischen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wurden im Telekommunikationsgesetz (§99) Abfragen von Verkehrsdaten abschließend geregelt. Der Datenzugriff von Militärgeheimdiensten ist darin nicht vorgesehen.

Beim Verteidigungsministerium wollte gegenüber der futurezone niemand zu der geplanten Erweiterung der Militärbefugnisse Stellung nehmen. Eine entsprechende Anfrage blieb bislang unbeantwortet.

Update
Die strittigen Passagen des Gesetzesentwurfes wurden am Donnerstagnachmittag nach Protesten aus der Zivilgesellschaft vom Verteidigungsministerium

.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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