© B.Lager und S. Hohensinner, apa

Fluss

Forscher rekonstruieren Verlauf der Donau

Es geschah im Winter 1830 in Wien. Nach moderaten Überflutungen ging das Donau-Hochwasser bereits zurück. Doch stromaufwärts staute ein Damm aus Eisschollen das Wasser auf. Als der Eisstoß brach, rollte in der Nacht zum 3. Februar eine eiskalte Flutwelle über die Stadt, richtete enorme Schäden an und kostete allein in der Leopoldstadt 70 Menschen das Leben. Doch Hochwässer waren nicht das einzige Problem, das die Donau den Wienern machte, wie Forscher kürzlich in der Fachzeitschrift „Water History“ berichteten. Denn die Donau wand sich auch wie eine Schlange im Wiener Becken hin und her. Die Wissenschafter haben den Verlauf des Stroms seit Beginn der Neuzeit rekonstruiert.

Anhand von alten Karten, Berichten, Rechnungen für Brücken- und Regulierungsbauten, aber auch Gerichtsakten erforschten die Wissenschafter um Verena Winiwarter vom im Wien ansässigen Zentrum für Umweltgeschichte der Universität Klagenfurt, wie sich der Lauf der Donau im Raum Wien seit dem Ende des Mittelalters verändert hat. „Man fängt dazu in der Gegenwart an, denn man weiß ja, wie die Gegend heute aussieht, geht dann in der Zeit zurück und sucht Schritt für Schritt nach der nächsten historischen Quelle“, erklärte sie. Allerdings könne man zum Beispiel Karten und Berichte aus dem 16. Jahrhundert nicht einfach für bare Münze nehmen und in ein modernes Geo-Raster „hineinzwängen“, sondern man muss die Sichtweise der Chronisten berücksichtigen, sagte ihr Kollege Martin Schmid.

So haben die Forscher zum Beispiel eine Karte aus dem Jahr 1601 gefunden, in dem der Wiener Arm (der Vorläufer des heutigen Donaukanals) als breiter, geradlinig fließender Strom eingezeichnet ist, während der sogenannte Wolfsarm auf der Zeichnung als mickriges Flüsschen im rechten Winkel nach Norden abzweigt, erklärte Severin Hohensinner vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur Wien. „Die Leute haben den Fluss aber nicht so gezeichnet, wie er damals war, sondern wie sie ihn haben wollten“. Denn der Wolfsarm war damals in Wirklichkeit der Hauptarm und der Wiener Arm drohte zu versanden. Das passte den Wienern überhaupt nicht, denn sie brauchten den Fluss nahe der Stadt - etwa als Transportweg und zum Schutz bei Angriffen der osmanischen Heere.

Jahrhundertlanges Ringen

Die Wiener haben daher jahrhundertelang versucht, das Wasser mit verschiedenen Regulierungsbauten oberhalb der Stadt (bei Nussdorf) wieder in den Wiener Arm zu leiten. Doch diese Bauten hielten nie lange. „Wenn man in den Berichten nachliest, verzweifelt man fast selbst: Wenn die Bauwerke nicht im selben Jahr von einem Hochwasser weggeschoben wurden, dann hat die Donau sie in zwei bis drei Jahren nach und nach abgetragen“, so Hohensinner.

Sogar die Brücken über die vielen Flussarme hat die Donau immer wieder demoliert oder weggespült, länger als ein paar Jahre hielten sie selten, so Winiwarter. Auch die Aulandschaft änderte sich ständig, die Donau spülte Inseln weg und ließ sie anderswo wieder entstehen

„Man ist bisher von einem viel zu statischen Bild der Donau ausgegangen“, meint Hohensinner. Dadurch habe man auch die Unannehmlichkeiten unterschätzt, die der Fluss den Wienern bereitet hat. „Wien hat europaweit eine spezielle Rolle, weil es eine Großstadt ist und an einem Fluss liegt, der an dieser Stelle noch Gebirgsflusscharakter hat“, sagte er. Darum sei es auch umso beachtlicher, was die Wiener im Wasserbausektor geleistet haben. Nachsatz: „Auch wenn ihre Anstrengungen bis zur großen Donauregulierung in den 1870er Jahren meist gar nichts bewirkt haben.“

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