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Wo es bei der "App auf Rezept" noch hakt

Wer in Tirol an Herzschwäche leidet, hat die Möglichkeit, als Teil seiner Therapie eine App zu verwenden. In der Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) “HerzMobil” können die Patienten regelmäßig Blutdruck, Gewicht, Medikation und Wohlbefinden eintragen, sie dient als eine Art Tagebuch für Gesundheitsdaten

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Diese Daten werden dann an niedergelassene Ärzte übertragen. Werden irgendwelche Auffälligkeiten entdeckt, kann etwa die Medikation angepasst werden, ohne zuerst in eine Praxis fahren zu müssen. Seit Ende 2022 ist die App in ganz Tirol verfügbar und wird auch von der Sozialversicherung unterstützt.

Rechtlich noch nicht abgesichert

“Solche Pilotprojekte sind vielversprechend und zeigen das Potenzial, das in solchen Anwendungen steckt”, sagt Sozialrechtler Johannes Warter von der Uni Salzburg. Er beschäftigt sich intensiv mit den rechtlichen Aspekten dieser DiGAs. Welche Apps zu Digitalen Gesundheitsanwendungen zählen, welche von der Krankenkasse übernommen werden und wer haftet, wenn eine App nicht wie gewünscht funktioniert, ist in Österreich nämlich nicht ausdrücklich festgelegt. Das soll sich bald ändern, weshalb man nach Frankreich, Belgien und Deutschland schaut.

Wellness-App und Digitale Gesundheitsanwendung

Wellness-Apps gibt es wie Sand am Meer: Manche überwachen die Herzfunktionen über eine Smartwatch oder Sportband, andere laden zur Mediation ein, wieder andere helfen beim Abnehmen, indem sie beim Kalorien-Tracken helfen. Der Unterschied dieser Apps zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist die Intention des Herstellers.

DiGAs sind nämlich explizit für die Krankenbehandlung vorgesehen. Will ein Physiotherapeut etwa eine App für Rückenübungen anbieten, die Patienten mit Rückenproblemen helfen soll, handelt es sich dabei um eine DiGA. Die App benötigt dann allerdings eine Zertifizierung nach der Medizinprodukteverordnung.

Eine Fitness-App, die ähnliche Übungen anbietet, fällt nicht in die Kategorie. Diese darf dann allerdings nicht damit werben, dass dadurch Rückenprobleme besser werden. Auch von der Krankenkasse wird diese App nicht übernommen.

Dort sind Digitale Gesundheitsanwendungen nämlich bereits etabliert, zumindest rechtlich. In Deutschland gibt es ein öffentliches Register mit 64 Anwendungen, die offiziell als Medizinprodukte gelten und auf Kassenkosten verschrieben werden können. 

Die meisten davon behandeln die Psyche - Depressionen, Einschlaf- und Angststörungen oder Bulimie können damit behandelt werden. Es gibt aber auch Apps gegen Tinnitus, Rückenschmerzen, Brustkrebs, Diabetes und chronische Herzkrankheiten. Bei allen Programmen gilt: Sie ersetzen klassische Therapien nicht, sondern unterstützen sie nur.

Kritik am Preis

Diese Unterstützung hat allerdings einen Preis, der oft kritisiert wird. Die Apps kosten nämlich von einigen 100 Euro bis hin zu 2.000 Euro pro Quartal. “Das wird auch in Österreich die Preisspanne sein”, sagt Christoph Hörhan, Co-Gründer des Austrian Health Forum, einem Netzwerk aus Vertretern von Ministerien, Bundesländern, Sozialversicherung und Kammern. Vielen dieser Apps geht eine lange Entwicklungszeit voraus, außerdem werden keine Daten gesammelt und verkauft und keine Werbung angezeigt, wodurch der Preis gedrückt werden könnte.

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“In Deutschland ist die Rechtslage so, dass die Hersteller der Apps den Preis im ersten Jahr grundsätzlich selbst festlegen können”, sagt Warter. Dieser kann dann deutlich über dem Marktpreis liegen. Auf der anderen Seite fallen bei der Entwicklung aber auch Kosten an. So kosten etwa die Verfahren der Medizinprodukteverordnung bis zu 100.000 Euro. Zudem müssen Studien durchgeführt werden, die zeigen sollen, dass die App auch wirksam ist.

Medizinischer Nutzen oder "Verfahrensverbesserung"

In Deutschland müssen solche Apps nicht unbedingt einen medizinischen Nutzen haben, sondern es reichen bereits “patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen”. Diese werden etwa erreicht, indem man Patienten über ihre Krankheit und Therapie aufklärt oder sich damit Behandlungen besser umsetzen lassen, z. B. wenn man sich von einer App erinnern lässt, seine Medikamente zu nehmen. 

“In der Praxis ist es allerdings so, dass die meisten in Deutschland zugelassenen DiGAs den Fokus auf den medizinischen Nutzen legen”, sagt der Mediziner Reinhard Jeindl. In Österreich denkt man daher darüber nach, dass von der Sozialversicherung künftig nur solche DiGAs übernommen werden, die beide Aspekte abdecken.

Symptomchecker neigen zu Fehl- und Überdiagnosen

Studien, die den medizinischen Nutzen ermitteln sollen, sind allerdings aufwändig und können auch negative Ergebnisse liefern. Sogenannte Symptomchecker, in denen man seine Symptome eingibt und man Diagnosevorschläge erhält, neigen etwa zu Fehl- und Überdiagnostik. 

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Auch eine Künstliche Intelligenz, die etwa bei Darmspiegelungen eingesetzt wurde, um Krebs zu erkennen, kann falsch positive Diagnosen liefern. “Solche Anwendungen neigen dazu, übervorsichtig zu sein”, sagt Jeindl. “Die Hersteller wollen auf der sicheren Seite sein und alarmieren lieber zu viel als zu wenig.” 

Apps gegen Depressionen auf dem Prüfstand

Im deutschen DiGA-Verzeichnis sind noch keine Symptomchecker vertreten. Stattdessen finden sich dort viele Hilfsprogramme für Depressionen, darunter auch das in Österreich entwickelte Programm Edupression. Die Medizinische Universität Wien stellte diesem erst vor wenigen Monaten ein positives Zeugnis aus. Bei der Behandlung von Depressionen verbesserte das Programm die Lebensqualität der Patienten signifikant - verglichen mit Patienten, die das Angebot nicht nutzten. 

Doch auch bei positiven Studienergebnissen muss man laut Jeindl achtsam sein. Obwohl die Hersteller von DiGAs immer betonen, dass ihr Programm nur begleitend zu einer Therapie eingesetzt werden soll, untersuchen viele Studien oft das Gegenteil: “Oft wird untersucht, ob eine Behandlung mit einer DiGA besser ist als gar keine Therapie. Da sieht man nämlich einen deutlicheren Effekt”, sagt der Mediziner. Im Vergleich zur Therapie ohne DiGA sei der Effekt dann oft geringer.

Boomender Markt lässt auf sich warten

Als Ende 2020 in Deutschland DiGAs auf Rezept eingeführt wurden, erwarteten sich viele einen boomenden Markt in dem Bereich. 4 Jahre später weiß man es besser. “Die Verschreibung von DiGAs steigt zwar, aber der Anstieg ist nicht so rasant. Unter vielen Ärzten und Patienten sind sie auch gar nicht so bekannt”, sagt Jeindl. "Außerdem ist die tatsächliche Nutzung von DiGAs oft nur von kurzer Dauer: Ein großer Teil der Anwender stellt die Nutzung bereits nach wenigen Wochen ein."

Wie erkennt man eine gute DiGA?

Auch für Patienten und Patientinnen gibt es einige Fragen, die man sich vor Augen führen sollte, um eine geeignete DiGA zu erkennen. Diese wären:

  • Welches Ziel verfolgt sie? 
  • Wie häufig habe ich vor, diese DiGA zu verwenden?
  • Ist die DiGA DSGVO-konform?
  • Hat sie ein CE-Zertifikat?
  • Stammt die Software von einem bekannten Hersteller?
  • Gibt es Werbung innerhalb der App bzw. ist mir Werbefreiheit wichtig?
  • Welche Informationsquellen nutzt die App und entsprechen diese den medizinischen Leitlinien?

Antworten findet man meistens auf den Webseiten der Hersteller.

Dass sich DiGAs durchsetzen werden, davon ist man beim Austrian Health Forum überzeugt. “Am Ende des Tages führt kein Weg dran vorbei”, sagt Co-Gründer Hörhan. Alleine weil die Zahl von medizinischem und Pflegepersonal sinkt, sind Unterstützungsmaßnahmen auf allen Ebenen nötig. 

In Österreich seien außerdem bereits viele Start-ups in dem Bereich entstanden, die ihre ersten Erfolge allerdings im Ausland erzielen. Ein Beispiel ist die Grazer App SkinScreener, ein Tool zur frühzeitigen Erkennung von Hautkrebs. Das Unternehmen konnte erst kürzlich das portugiesische Gesundheitsministerium als Kunden gewinnen.

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Noch ist zudem nicht komplett geklärt, ob DiGAs das Gesundheitssystem eines Landes finanziell überhaupt entlasten können. Momentan wird etwa untersucht, wie sich DiGAS auf das Verhalten von Patienten auswirken. Etwa ob Menschen, die eine DiGA gegen psychische Erkrankungen einsetzen, sogar mehr Psychotherapie und Psychopharmaka in Anspruch nehmen, als jene, die keine solchen Tools verwenden. Ob Patienten dadurch auf eine bestehende Erkrankung sensibilisiert werden oder es zu einer Übertherapie kommt, stehe noch nicht fest.

Wer haftet bei Problemen?

Und was, wenn die DiGA gar nicht hilft, sondern dem Gesundheitszustand eher schadet? Haftet hier der Hersteller, der verschreibende Arzt oder gar der Nutzer? Der Arzt haftet laut Jurist Warter ähnlich wie bei der Verschreibung von Medikamenten: Bei einem Behandlungsfehler, also wenn er eine komplett ungeeignete App verschreibt, oder bei Aufklärungsfehlern, wenn er nicht ordnungsgemäß über die DiGA informiert.

Bei defekter Software muss der Patient allerdings beweisen, dass die kaputte App für seinen verschlechterten Zustand verantwortlich ist, damit der Hersteller haftet. "Das ist in der Praxis oft sehr schwer nachzuweisen", sagt Warter. "Die EU-Kommission ist allerdings gerade dabei, die Richtlinie zu novellieren", sagt Warter.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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