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Alibaba: Der größte IT-Börsengang aller Zeiten

Das Aktienkürzel „BABA“ klingt nach Abschied, tatsächlich ist es aber ein Anfang. Am Freitag startet die Aktie des chinesischen Internet-Riesen Alibaba an der New Yorker Börse. Mit einem Emissionsvolumen von voraussichtlich 25 Milliarden Dollar zieht Firmengründer Jack Ma den größten Börsengang aller Zeiten durch.

Handelsbeginn an der Wall Street ist zwar, wie jeden Handelstag, um punkt 15.30 Uhr MESZ. Die erste Kursbildung für Alibaba wird es aber erst ein, zwei Stunden später geben, erwarten Börsenkenner. Begründung: Im Vorfeld des Börsengangs konnten große institutionelle Investoren Alibaba-Papiere ordern, Kleinanleger gingen leer aus. Die Börse New York müsse sich daher auf einen Riesenansturm einstellen. Bis realistische Kurse zustande kommen, brauche es einfach Zeit. Die Börse wolle mit allen Mitteln Peinlichkeiten wie beim Facebook-Börsengang vermeiden, als an der Nasdaq die Handelssysteme zusammenbrachen.

Ausgabepreis angehoben

Schon am Donnerstag wird Alibaba mit den begleitenden Banken festlegen, zu welchem Preis die Aktien ausgegeben werden. Zum Wochenbeginn wurde die Preisspanne auf 66 bis 68 Dollar angehoben. Eine weitere Anhebung würde Analysten nicht wundern.

Die aktuell geltende Preisspanne bedeutet: Der Konzerngewinn je Aktie ist knapp 30-mal im Kurs enthalten (auf Börsianisch: Kurs-Gewinn-Verhältnis, KGV, von knapp 30). Ein derartiger Wert gilt als vergleichsweise teuer.

„Die Bewertung ist sportlich, da ist sicher ein gewisser Enthusiasmus enthalten“, meint Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria. Für Alibaba spreche allerdings, dass Internet-Titel derzeit gefragt seien. Und dass die Anleger angesichts der tiefen Zinsen gerne bei Aktien zugreifen. Vom KGV her ist Facebook teurer als Alibaba.

Nach Ansicht des Analsyseunternehmens Morningstar ist der voraussichtliche Preis von 66 bis 68 USD zu niedrig. Eine faire Bewertung liegt bei gut 90 Dollar. Grundlage für diese Einschätzung sind eine jährliche Wachstumsrate von 32 Prozent. Zudem habe das Unternehmen deutliche Wettbewerbsvorteile in einem noch jungen e-Commerce-Markt in China, heißt es. Neue Marktteilnehmer und Wettbewerber dürften es dadurch schwer haben, dem Internetriesen Alibaba auf lange Sicht in China Konkurrenz zu machen.

Laut der Studie ist das Investment dennoch mit einigen Risiken behaftet. Die Expansionspläne in den internationalen e-Commerce-Markt dürften durch die starke Konkurrenz etablierter Player erschwert werden. In den USA wird es Alibaba vermutlich nur auf einen Nischenplatz schaffen, da Amazon und Ebay mit ihren etablierten Käufer-Verkäufer-Netzwerken kaum zu verdrängen sein dürften. Unvorhersehbare neue Regelungen in China könnten die Nutzung des Bezahldienstes Alipay, über den knapp 80 Prozent der Alibaba-Zahlungsströme abgewickelt werden, deutlich erschweren. Die chinesische Regierung wirft immer häufiger ein Auge auf online und mobile Bezahlsysteme. Nach Ansicht von Morningstar ist die Alibaba-Aktie daher eher etwas für Risiko-tolerante Anleger, die insbesondere von der wachsenden Konsum-Mittelschicht und den Sektoren e-Commerce, Technologie und Logistik in China profitieren möchten.

Gewinn gegen Blase

Baut sich hier eine neue dot.com-Blase auf? „Nein“, sagt Rosen-Philipp. Im Gegensatz zu früher seien Anleger jetzt viel kritischer und würden darauf achten, ob das jeweilige Unternehmen auch Gewinne macht.

Gewinne macht Alibaba, und zwar beträchtliche. Im heurigen zweiten Quartal konnte der Konzern den Gewinn sogar verdreifachen – auf 1,52 Milliarden Euro.

Alibaba-Konglomerat

Alibaba ist eigentlich ein Konglomerat aus mehr als 200 Gesellschaften, von Plattformen für den Online-Handel über einen Bezahldienst, der wie Paypal funktioniert, bis zu Expressversendern. Ein undurchsichtiges Firmengeflecht, sagen die Kritiker. Kreativ und enormes Potenzial, sagen die Fans. Fakt ist, dass Aktienkäufer an der Alibaba Group Holding Ltd. beteiligt sein werden, die auf den Cayman Islands sitzt. Die Lizenzrechte gehören einer Gruppe rund um Firmengründer Jack Ma.

Über seine Plattformen verkauft Alibaba keine eigenen Waren, sondern kassiert für den Zugang und für Werbung. Bereits rund 8,5 Millionen private Händler bieten ihre Waren über Alibaba-Plattformen an. Geschichten über die chinesische Landbevölkerung, die Produkte über Alibaba verkauft und damit reich oder zumindest wohlhabender geworden ist, machen die Runde. Nach Asien will Alibaba jetzt auch andere Märkte erobern – allen voran die USA.

Investoren wittern Gewinne

Welches Potenzial Investoren hinter Alibaba wittern, war in den vergangenen Wochen an den Aktien des US-Internet-Konzerns Yahoo und des japanischen Telekom- und Investment-Riesen Softbank abzulesen. Die beiden halten 24 bzw. 34 Prozent an Alibaba. Seit dem Sommer zog der Yahoo-Kurs um rund 30 Prozent an. Bei Softbank waren es rund 25 Prozent.

Bei den großen Börsengängen der letzten Jahre brachten nicht alle Hoffnungsträger nachhaltige Kursgewinne. Manche sorgten dagegen mit enormen Kurssteigerungen für Aufsehen.

Facebook

Im Bereich Internet schaffte Facebook den bisher größten Börsengang (16 Mrd. Dollar). Am 17.5.2012 startete der von großem Trubel begleitete Aktienhandel an der US-Technologiebörse Nasdaq. Durch eine Börsenpanne war der Handel lange unterbrochen – die Nasdaq musste dafür blechen. In den ersten Monaten ging es mit der Facebook-Aktie bergab, der Kurs halbierte sich. Nach einer längeren Durststrecke zog der Kurs kräftig an. Hintergrund: Die Unternehmensgewinne wurden kräftig in die Höhe gefahren.

Twitter

Der Kurznachrichtendienst Twitter brachte es im November 2013 auf ein Emissionsvolumen von 1,82 Mrd. Dollar. Seit dem Börsengang an der New York Stock Exchange hat die Aktie eine wahre Berg- und Talfahrt absolviert. Die anfängliche Euphorie der Anleger ließ bald nach, viele trennten sich wieder von den Papieren. In den vergangenen Monaten profitierte zwar auch Twitter von der neuen Lust auf Internet-Aktien. Der Kurs liegt allerdings erst wieder in der Nähe des Ausgabekurses. Twitter schreibt noch immer Verluste.

Google

Der US-Suchmaschinenbetreiber Google feierte vor kurzem sein zehnjähriges Börsenjubiläum. Emissionsvolumen im August 2004: 1,67 Mrd. Dollar. Vor einer Dekade kostete eine Google-Aktie noch um die 50 Dollar. Jetzt notiert sie bei 580 Dollar. Das macht einen Kursgewinn von mehr als tausend Prozent. Zu Beginn des Jahres notierte die Google-Aktie sogar noch bei mehr als 1200 Dollar. Dann führte der Konzern einen Split durch, für eine Aktie gab es zwei. Dadurch wurde der Titel billiger, allerdings nur rein optisch.

Zynga

Der US-Spieleentwickler Zynga galt mit Spielen wie „Farmville“ einst als Überflieger und konnte sich Ende 2011 eine Mrd. Dollar von Anlegern holen. Auch hier war die anfängliche Euphorie bald vorbei, Zynga schaffte es nicht, mit neuen Spiele-Hits an frühere Erfolge anzuknüpfen. Das Unternehmen verbrennt außerdem auf dem Weg ins mobile Internet viel mehr Geld als erwartet. Von Mai bis Juni fuhr Zynga einen Quartalsverlust von 62,5 Mio. Dollar ein. Die Aktie notiert 70 Prozent unter dem Börsenstart-Wert.

Jack Ma, der 50-Jährige Gründer und Kopf von Alibaba, verkörpert die chinesische Version des amerikanischen Traums. Bis 1995 hat er angeblich nie einen Computer gesehen. Bereits vier Jahre später legte Ma ohne technische Kenntnisse, gemeinsam mit 17 Mitstreitern und einem Startkapital von 60.000 Dollar den Grundstein für Alibaba.com, Chinas erster Handelsplattform. Als Büro diente seine Wohnung in Hangzhou. Was folgte, klingt wie ein Märchen: Innerhalb von 15 Jahren baute Ma ein Online-Imperium mit 25.000 Mitarbeitern und 300 Millionen Kunden auf und wurde dadurch zum reichsten Mann Chinas. Sein Vermögen wird auf 16,5 Milliarden Dollar geschätzt.

„Bill Gates von China“

Der Multi-Milliardär, der zweimal durch die Aufnahmeprüfung an der Universität geflogen ist, gilt als „Bill Gates von China“ und wird in seiner Heimat Popstar ähnlich verehrt. Mit exzentrischen Auftritten, die fast etwas Religiöses haben, hat Ma in China Kultstatus erreicht. So lässt er sich gerne in bunten Kostümen feiern, während er vor Publikum seine Gesangskünste zum Besten gibt. Frisch verheirateten Mitarbeitern gibt er persönlich seinen Segen und der Belegschaft impft Ma beim jährlichen „Alifest“ die Unternehmens DNA-ein.

Mit der autoritären chinesischen Regierung und der strengen Internetzensur hat sich Ma, der den Spitznamen „Das Krokodil vom Jangtse“ trägt, stets arrangiert. So schaffte es der frühere Englischlehrer und nunmehrige Internet-Pionier den Handel und die Geschäftskultur in der Volksrepublik an die Gegebenheiten der digitalen Welt anzupassen.

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Christine Klafl

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