Analysten: Kein Call of Duty mehr für PlayStation
Die Luft an der Spitze der Videospiel-Hersteller wird für Branchenprimus Sony dünner. Mit der geplanten 70-Milliarden-Übernahme des "Candy Crush"-Entwicklers Activision Blizzard erhöht Microsoft bei dem japanischen Spielkonsolen-Hersteller den Handlungsdruck. Bisher stand Sony mit seiner Playstation, gemessen an den Verkaufszahlen, an der Spitze des Gaming-Marktes, verfolgt eher von Nintendo als von Microsoft mit der Spieleplattform Xbox.
Doch nun geht der US-Konzern in die Vollen und macht mit dem teuersten Firmenkauf aller Zeiten in der Branche einen großen Schritt nach vorne, um sich für den Kampf um das "Metaversum" in Stellung zu bringen - die virtuelle Erlebniswelt, in der die Nutzer spielen, einkaufen und miteinander kommunizieren.
Call of Duty vielleicht nur noch für Xbox
"Sie versuchen im Grunde, ein Monster zu bauen", beschreibt Serkan Toto, Gründer des Beratungsunternehmens Kantan Games in Tokio, die Strategie von Microsoft. Activision Blizzard hat Spiele wie "Call of Duty", "World of Warcraft und "Overwatch" im Angebot, mit 400 Millionen Nutzer*innen. Anleger befürchten, Microsoft könne neue Spiele dieser Serien nur noch für Xbox-Konsolen und Windows-PCs veröffentlichen. Die Aktien von Sony brachen am Mittwoch deshalb um 13 Prozent ein. "Ich glaube nicht, dass Microsoft 70 Milliarden Dollar ausgibt, um ein Softwareanbieter für Sony-Plattformen zu werden", sagt Toto.
Der Mega-Merger-Ansatz von Microsoft kontrastiert mit der Strategie von Sony, seine Spiele-Palette eher mit kleinen Zukäufen zu erweitern. In der Liste der größten Übernahmen in der Branche taucht der japanische Konzern gar nicht auf. Er setzt zudem auf ein Netzwerk hauseigener Gaming-Studios, die Blockbuster wie "Last of Us" und "God of War" entwickelt haben. "Sony könnte unter Druck geraten, mehr bei M&A zu tun", glaubt Jefferies-Analyst Atul Goyal. In der Branche ist derzeit viel in Bewegung: Vor ein paar Tagen gab der Activision-Konkurrent Take-Two Interactive bekannt, für rund 11 Milliarden Dollar den "FarmVille"-Schöpfer Zynga zu schlucken.
Microsoft hat mehr Kapitalkraft
Sony müsste es allerdings mit einem kapitalstarken Gegner aufnehmen - Microsoft ist an der Börse 14-mal mehr Wert als die Japaner. "Sollte es keine regulatorischen Engpässe geben, könnte sich Microsoft in nicht allzu ferner Zukunft nach weiteren Übernahmezielen umschauen", mutmaßt Goyal. Der IT-Konzern aus dem Silicon Valley hat schon öfter Milliarden für die Übernahme von Videospielefirmen ausgegeben und 2014 etwa den "Minecraft"-Entwickler Mojang Studios gekauft.
"Sony steht vor einer gewaltigen Herausforderung, sich in diesem Zermürbungskrieg zu behaupten", kommentierte Amir Anvarzadeh, Marktstratege bei Asymmetric Advisors. "Die meisten Analysten haben während dieser Entwicklungen ein Nickerchen gemacht und Sonys starkes Film- und Musikgeschäft bejubelt, um eine höhere Bewertung zu rechtfertigen."
Der Markt für Videospiele ist seit Jahren im Aufwärtstrend, die Nachfrage hat seit Beginn der Corona-Pandemie wegen der weitverbreiteten Lockdowns noch deutlich zugenommen. Auch große Tech-Konzerne wie Apple und Amazon sind in den vergangenen Jahren in den Markt vorgestoßen.
Der Vormarsch der Cloud-Technologie lässt die Bedeutung von Spielekonsolen abnehmen. Die Nutzer*innen werden immer mehr Zeit in der virtuellen Welt verbringen. Manche Experten vergleichen diesen Schwenk mit der Entwicklung in der Automobilbranche von Verbrennern hin zu elektrischen und autonomen Fahrzeugen. Sony hat aber schon einen Pfeil dafür im Köcher: Der Konzern entwickelt gerade die nächste Generation von VR-Brillen, die PS VR2, mit denen Nutzer*innen in die virtuellen Welten eintauchen können.