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Dorf online mieten: „Gegenteil von dekadent“

Das "rent a village"-Konzept ist verblüffend einfach. Um einen Betrag ab 30.000 Euro lässt sich ein ganzes Dorf für einen Tag mieten. Dafür gibt’s mehrere Hundert Betten in gehobenen Pensionen und Mehr-Sterne-Hotels, im optimalen Fall in Gehnähe zueinander. Eine Tombola am Begrüßungstag entscheidet, wer wo landet. Der Bürgermeister übergibt symbolisch den Schlüssel des Orts, der je nach Firmenwunsch auch entsprechend mit Bannern und einem adaptierten Ortstafelschild mit dem eigenen Firmenlogo versehen werden kann.

Wie kommt man auf die Idee, ein ganzes Dorf vermieten zu wollen?
Schwärzler: Die Idee wurde eigentlich aus der Not heraus geboren. In meinem Heimatort Brand war 1996 ein Kunde auf der Suche nach einem Hotel mit 260 Zimmern. Da dort aber kein solches Angebot existiert, kam es schließlich dazu, dass wir den gesamten Ort als Ressort ins Auge fassten.

Gab es da keine Vorbehalte im Ort?
Überhaupt nicht. Aber uns war es von Anfang an wichtig, dass alle im Dorf in das Projekt involviert sind und davon profitieren. Es gibt ja das Phänomen, dass man bei Katastrophen und Festen zusammenhält. Die „rent a village“-Events haben schön gezeigt, dass sich auch im Tourismus so eine Eigendynamik entwickeln kann. Mittlerweile haben wir 11 Gemeinden im Programm, darunter auch Mondsee und Alpbach.

Das „rent a village“-Konzept war vergangenes Jahr groß in den Medien, als der US-Rapper Snoop Dogg Liechtenstein buchen wollte. Kritiker warfen Ihnen damals vor, dekadenten Event-Tourismus zu betreiben.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit Kosten von 150 Euro pro Person und Tag für Unterkunft, Essen und Freizeitprogramm bewegen wir uns im mittleren bis unteren Preissegment im Event-Tourismus. Dazu kommt, dass 60 bis 70 Prozent der Wertschöpfung im Ort bleiben. Übernachtungen, Outdoor-Aktivitäten, Catering – das wird alles lokal organisiert. Da es sich um Firmenevents handelt, finden diese normalerweise in Tourismus-Randzeiten statt, was sich wiederum positiv auf die Auslastung im Ort auswirkt.

Während Airbnb vor wenigen Wochen noch damit Werbung machte, dass man ein ganzes Land - eben Liechtenstein - mieten kann, scheint das Fürstentum nun nicht mehr auf. Konnte die Politik nicht damit leben, dass ihr Land um weniger als 50.000 Euro "gemietet" werden kann?
Aufgrund vieler - teilweise auch unseriöser - Medienberichte hat uns die Regierung tatsächlich gebeten, die Angebote für Liechtenstein zurückzuziehen. Dazu muss man sagen, dass Liechtenstein aufgrund der geringen Zimmerkapazität und der Aufteilung auf mehrere Dörfer ohnehin schwieriger zu vermieten war und dadurch auch nicht ganz dem Ursprungskonzept von "rent a village" entsprach.

Als Sie mit „rent a village“ begonnen haben, spielte das Internet noch keine große Rolle. Inwiefern trägt das Web zum Erfolg des Projekts bei?
Der persönliche Kontakt mit Firmenverantwortlichen – etwa über Eventmessen – spielt immer noch eine große Rolle. Gleichzeitig kommt man über das Internet viel leichter an die Zielgruppe heran und kann sich ohne viel Aufwand im Web präsentieren. Viele dieser persönlichen Kontakte bahnen sich außerdem im Netz an.

Durch die

Kooperation
mit Airbnb gab es einmal mehr eine Welle an internationaler Berichterstattung, „rent a village“ und etwa die Vorarlberger Gemeinde Brand schaffte es auf große US-Nachrichtenportale. Wodurch kam die Zusammenarbeit zustande?
Airbnb ist von sich aus auf uns zugekommen und hat uns gefragt, ob sie unsere Angebote auf ihrer Plattform integrieren können. Airbnb verzeichnet ein bis zwei Millionen Klicks pro Monat. Das war ein gutes Argument, auch kostet uns das Ganze ja nichts. Airbnb wiederum hat von umfangreicher Berichterstattung profitiert, indem sie mit dem Vermieten von Dörfern und eines ganzen Landes – Liechtenstein - punkten konnte.

Hat sich die Kooperation bereits in tatsächlichen Buchungen niedergeschlagen?
Bisher noch nicht, aber medial hat es uns wieder einiges an Aufmerksamkeit verschafft. Das ist auch das Faszinierende am Internet. Über die Snoop-Dogg-Anfrage etwa wurde auf sämtlichen Portalen im Web berichtet, allein auf Google haben wir damals 46.000 Erwähnungen gezählt.

Welche Pläne verfolgen Sie mit „rent a village“ noch? Macht die globale mediale Aufmerksamkeit Lust auf mehr?
Natürlich ist es reizvoll, „rent a village“ auf Regionen außerhalb des deutschsprachigen Raumes auszuweiten. Es gibt immer wieder Anfragen, etwa aus Italien, Skandinavien und dem arabischen Raum. Hier wäre es vorstellbar, das Konzept als Franchise mit Lizenzpartner zu exportieren. Die Qualität müsste aber stimmen und vor allem müsste es authentisch bleiben, wenn es unter unserer Marke angeboten wird.

Ein ganzes Dorf zu vermieten will also gelernt sein?
Es ist sicherlich komplizierter, als man denkt. Denn anders als bei einem Kongresshotel mit 1000 Betten sind hier viele Hotel- und Pensionsbetreiber mit unterschiedlichen Angeboten involviert. Bei großen mehrtägigen Veranstaltungen geht es um Beträge von mehreren Hunderttausend Euro. Das finanzielle Risiko für den Kunden, die Tourismusbetreiber im Dorf, aber auch für uns als Veranstalter muss so gut wie möglich abgefedert sein. Aber auch die Koordination und Sicherstellung der angebotenen Dienstleistungen ist eine Herausforderung.

Wieviele Events führen Sie jährlich durch?
Wir bekommen etwa 20 bis 30 Anfragen pro Jahr. Manchmal dauert es auch bis zu drei Jahre, bis die Rahmenbedingungen passen, der richtige Ort zum richtigen Zeitpunkt verfügbar ist. Andere Events werden innerhalb von drei bis vier Wochen auf die Beine gestellt. Im Schnitt führen wir fünf bis zehn Veranstaltungen im Jahr durch, bei den größten in Pertisau in Deutschland begrüßen wir um die 1000 Gäste.

Ihr Unternehmen, xnet, das hinter "rent a village" steht, ist in Schaan in Liechtenstein angesiedelt. Ein guter Ort, um auch international zu operieren?
Liechtenstein bietet aufgrund der geringeren steuerlichen Belastungen einige Vorteile. Aber auch das Umfeld passt. Gerade im Rheintal, aber auch in der ganzen Bodenseeregion finden sich viele junge Unternehmen mit innovativen Ideen. Und der Tourismus bietet ebenfalls gute Möglichkeiten.

Wie hat sich die Wirtschaftskrise auf ihr Geschäft ausgewirkt?
Gerade der Event- und Kongresstourismus hat unter der Krise stark gelitten, denn Unternehmen haben zuerst in diesem Bereich eingespart. Davon blieben auch wir nicht verschont. Aber man spürt – es geht wieder aufwärts. Außerdem haben wir mit unseren Kommunikations- und Marketing-Services ein zweites Standbein gegründet, um in Zukunft wirtschaftlich noch unabhängiger zu sein.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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