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Hochsicherheit: Kapsch bunkert Daten im Berg

Strengste Zutrittskontrollen, mehrfache Überwachungs-Systeme, redundante Anbindung an Hochgeschwindigkeits-Netzwerke, unabhängige Energie-Versorgung - mit diesen Tugenden bietet Kapsch BusinessCom in den steirischen Alpen ein besonders sicheres Umfeld für hochsensible Daten an. Der futurezone wurde einer der seltenen Einblicke in den earthDATAsafe des österreichischen ICT-Serviceproviders gewährt, einem Rechenzentrum, das tief im Berg vor jeglichen Umwelteinflüssen geschützt ist. Hier werden unter anderem die Daten des Bankomat-Betreibers PayLife oder die Kundendaten der Volksbanken-Gruppe beherbergt. Der earthDATAsafe ist jedoch nicht nur Datenspeicher, sondern gewissermaßen eine Cloud im Berg.

Als Private Cloud Provider verwaltet Kapsch BusinessCom die Daten von Unternehmen, die ihre Informations- und Kommunikations-Technik (ICT) outsourcen und so Kosten sparen wollen. Durch ausgelagerte ICT-Infrastruktur lassen sich flexible, skalierbare Dienste anbieten, die je nach Aufwand und Nachfrage erweiterbar sind. Zusätzlich müssen Daten auch jederzeit ortsunabhängig abrufbar und redundant gespeichert sein. Im Gegensatz zu anderen Anbietern von Cloud-Computing, die Daten auf mehrere, geografisch teils weit entfernte Server verteilen, "weiß man beim earthDATAsafe allerdings genau, wo die Daten gespeichert sind", erläutert Kapsch BusinessCom-COO Jochen Borenich den Vorteil des eigenen Angebots.

Von der Nazi-Produktionsstätte zum Datencenter
Der earthDATAsafe wurde in einem Stollensystem errichtet, das von 1943 bis 1945 als Produktionsstätte für Getriebeteile in der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie diente. Die insgesamt 900 Meter langen Gänge reichen 320 Meter weit in den Berg hinein. Die Röhren, welche teilweise die Größe von Straßentunnel-Schächten erreichen, bieten 4.000 Quadratmeter Grundfläche. Am Design des Röhrensystems erkennt man die dunkle Vergangenheit: Die Hauptröhren führen nicht gerade in den Berg hinein, sondern machen nach wenigen Metern einen Knick - als Sicherheitsmaßnahme, damit Panzer im Angriffsfall nicht direkt in die Produktionsstätte schießen konnten. Im Jahr 2002 begann Daimler-Chrysler das Tunnelsystem zum Datencenter umzubauen. Nach finanziellen Schwierigkeiten übernahm Kapsch 2008 den Standort.

Mehrfache Zutrittskontrolle
An der Oberfläche ist der earthDATAsafe durch eine große Kuppel zu erkennen, die direkt neben der Semmering-Schnellstraße aus dem Wald ragt. Mit seinen runden Sichtluken ähnelt es einem gerade gelandeten UFO. Hinter einem automatischen Tor wird man von mehreren Überwachungskameras beäugt. Durch die schusssichere Türe der auf Stelzen gebauten Kuppel des Datenzentrums kommt nur, wer angemeldet und in Begleitung eines Kapsch-Mitarbeiters ist. Der Leitstand des earthDATAsafe ist rund um die Uhr besetzt. Ist man erst einmal im Gebäude, merkt man, dass es sich bei der Kuppel um eine Art Ballon handelt, der mit Luftdruck über dem eigentlichen Zugangsgebäude gehalten wird. Wer weiter in das Datenzentrum vordringen will, muss seinen Ausweis mitbringen und sich vom Sicherheitspersonal begutachten lassen.

Durch das Zugangsgebäude geht es mit einem Aufzug 30 Meter in die Tiefe. Unten wird man durch lange, teilweise sporadisch beleuchtete Gänge geführt, an deren Decken sich kleine Tropfsteine gebildet haben. Das Gangsystem besitzt neben dem Lift-Eingang noch zwei Notausgänge. Hinter einem davon befindet sich eines der Dieselaggregate, die im Fall eines Stromausfalls Energie erzeugen. Um eine unterbrechungsfreie Stromversorgung sicherzustellen, werden Akkus verwendet, die normalerweise über das Stromnetz gespeist werden. An der Decke der unterirdischen Gänge laufen dicke Kabelstränge entlang. Der earthDATAsafe ist durch Glasfaser-, aber auch Kupferleitungen mit dem Internet verbunden.

Trainierte Sicherheit
Hinter Türen mit riesigen Buchstaben-Bezeichnungen findet man kürzere Stollen. In diese baute Kapsch große Server-Zellen ein. Darin befinden sich Rechner, Datenspeicher und Netzwerk-Infrastruktur. Jede Datei wird im Datenzentrum gespiegelt und parallel in verschiedenen Zellen gespeichert. Diese Zellen-Struktur wurde vom Betreiber für erhöhte Sicherheit bei Bränden eingeführt. In den unterirdischen Räumen sieht man unter anderem dicke Rohre, durch die entstehender Rauch abgeleitet werden kann. Dazu gibt es hochsensible Brandsensoren und Löschsysteme. Zu einem Ernstfall ist es bisher noch nicht gekommen. Um gegen Notfälle gewappnet zu sein, gibt es jedoch monatliche Trainings.

Vorbereitet ist man im earthDATAsafe auch für katastrophale Umstände. Mit den vorhandenen Treibstoffreserven kann das Datenzentrum bis zu fünf Tage lang ohne externe Stromversorgung auskommen. Die Nähe einer Tankstelle käme bei noch längerer Überbrückung mit den Diesel-Generatoren gelegen. Neben der physischen Bedrohung der Daten ist man auch auf Angriffe aus dem Internet vorbereitet. Das vierstufige Firewall-System wurde bisher noch nie überwunden. Auch auf dem elektronischen Sektor gibt es ständige Überprüfungen, etwa durch "friendly attacks". Weniger freundschaftliche Angriffsversuche auf elektronischem Weg gibt es täglich.

Erweiterbares Konzept
Derzeit ist die Serverfarm im Berg zu ca. 60 Prozent ausgelastet. In den unterirdischen Stollen sind momentan sechs Server-Zellen in Betrieb. Platz wäre für bis zu 15. Erweitert werden könnte die Serverfarm im Fels auch sichtbar. Für Großkunden besteht laut Kapsch die Option, neben der eigenen etwa eine weitere Kuppel an der Oberfläche zu errichten, mit eigenem Leitstand und Konferenzräumen.

Ein mit dem earthDATAsafe vergleichbares Angebot gibt es in Österreich derzeit nicht. Auch europaweit befindet sich die Alpenfestung für Daten in einem illustren Kreis. Andere zivile Datenspeicher unter der Erde gibt es etwa in Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen oder der Schweiz. Daneben besitzen nur militärische Organisationen eine ähnlich ausfallsichere IT-Infrastruktur.

Fakten zum earthDATAsafe:

Die Stollen wurden 1943 - 1945 errichtet.
Umgebendes Gestein: Gneis, extrem hart und beständig.
Stollenlänge: 2.200 Meter.
Davon ausgebaut: 900 Meter.
70 Kilometer Stromkabel.
50 Kilometer Datenkabel.

8 Sicherheitszonen.
38 elektronische Zutrittskontroll-Punkte mit Aufzeichnung der zurückgelegten Wege.

10 Lüftungskreise
24 Ventilatoren
58 Brandschutzklappen
47 Klimamesspunkte
9 Brandabschnitte
24 Brandmelder
2 Fluchtwege

Kühlwirkung des Berges für Leitstand und Serverzellen.
Überschüssige Wärme-Energie wird zur Beheizung von Büroräumen verwendet.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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