Marissa Mayer: „Hatte für Yahoo nie den großen Plan“
Yahoo-Chefin Marissa Mayer hat sich auf der diesjährigen Dreamforce in San Francisco als Team-Player präsentiert. "Viele Firmenchefs glauben, sie machen einen guten Job, je mehr Dinge sie selbst in die Hand nehmen und persönlich umsetzen. Mein Zugang ist, dass das Team die Offensive anführt und die Führungskraft aus der Defensive agiert, also den Mitarbeitern den Rücken stärkt, Steine aus dem Weg räumt und das Team vor den Neinsagern beschützt", sagte Mayer, die in diesem Zusammenhang Googles Eric Schmidt als wichtigen Mentor nannte.
Interne Stärken
Im Gespräch mit Salesforce-CEO Marc Benioff, der wie schon am Vortag mit Dropbox-CEO Houston das Interview persönlich auf der Bühne führte, machte Mayer auch deutlich, dass sie nie einen großen Masterplan für Yahoo gehabt habe: "Meine Aufgabe sah ich immer darin, Yahoo dabei zu helfen, die eigenen Stärken wiederzuentdecken, die ohnehin im Unternehmen vorhanden waren." Außer Frage stand für Mayer allerdings die Notwendigkeit, den Konzern zu modernisieren und auf die mobile Nutzung der angebotenen Services hin auszurichten.
So wurde unter Mayers Führung das Team für mobile Entwicklungen von maximal 60 im Konzern verstreuten Leuten auf über 400 ausgebaut. Der Fokus-Wechsel von Yahoo vom Desktop auf mobile Endgeräte sei die heikelste bisherige Herausforderung gewesen. Auch bei dieser Aufgabe setzte Mayer eigenen Angaben zufolge vor allem auf die internen Stärken im Team anstatt alles mit neu rekrutierten Mitarbeitern umzukrempeln.
Kein Wirtschaftsabschluss
"Das für mobile Entwicklungen zuständige Team ist auf mich zugekommen. Sie wussten, was nicht funktioniert und wie sie die Probleme lösen können, haben aber eine Führungsperson gebraucht, die ihnen grünes Licht gibt - und das habe ich getan", sagte Mayer, die wie Salesforce-CEO Benioff angab, nie eine Wirtschafts-Universität besucht zu haben.
Bei der Entwicklung von Services und Produkten müsse man als Unternehmen darauf achten, dass diese nicht für Experten-User gestaltet werden, sondern die Kernfunktionalität von jedem sofort verstanden werden kann. Dazu gehöre auch, Designprozesse, wie etwa des User-Interfaces, schon bei der Konzeption einfließen zu lassen und dieses nicht erst am Schluss über das jeweilige Produkt drüberstülpen zu wollen. In dieser Hinsicht habe die gesamte Industrie in den vergangenen Jahren aber enorm hinzugelernt.
Mitarbeiter beraten den Aufsichtsrat
Wie sich die internen Prozesse bei Yahoo in den vergangenen eineinhalb Jahren verändert haben, veranschaulichte die ehemalige Google-Managerin anhand ihres Umgangs mit dem Aufsichtsrat. Der Umstand, dass sie ihre dem Aufsichtsrat präsentierten Strategiefolien schon am nächsten Tag mit der Belegschaft teilte, habe bei den Aufsichtsratmitgliedern zunächst die Alarmglocken schrillen lassen. Dem Beispiel von Mozilla folgend werden für den Aufsichtsrat bestimmte Strategie-Folien nun aber überhaupt von den Mitarbeitern selbst mitgestaltet. Von dieser Transparenz würden sowohl der Aufsichtsrat, als auch die eigene Belegschaft profitieren, da jeder wisse, was aktuell gerade Sache ist.
Karriere und Familie
Die von Benioff verklausuliert gestellte, aber offenbar obligatorische Frage, wie Mayer die Herausforderungen als Top-Managerin und ihr Privatleben - sie ist Mutter eines einjährigen Kindes - unter einen Hut bringt, beantwortete die Yahoo-Chefin nüchtern und pragmatisch: "Wenn man so eine Karriere machen will, muss man ganz klare Prioritäten setzen - für mich sind das derzeit die Familie und Yahoo."
Auch tägliche, nach Prioritäten gereihte To-do-Listen können laut Mayer helfen, Tag für Tag über die Runden zu kommen. "Man muss dann allerdings den Umstand zelebrieren, dass man es nie zum Ende der Liste schafft. Das wäre auch ein schlechtes Zeichen, weil es heißen würde, dass man viel Zeit mit der Abarbeitung von unwichtigen Dingen verbracht hat", so Mayer.
Das öffentliche Gespräch zwischen der Yahoo-Chefin und Salesforce-CEO Benioff wurde zwischenzeitlich von einer Gruppe von Protestanten gestört, wobei im Saal nicht klar war, ob sich der Protest gegen Mayer oder die Konferenzveranstalter richtete.