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ÖBB: Mit HoloLens, 3D-Druck und KI in die Zukunft

Auf die Österreichischen Bundesbahnen kommen in den nächsten Jahren einige Herausforderungen zu. Private und geschäftliche Kunden wollen Dienstleistungen, die am Puls der Zeit sind, technische Entwicklungen im Fahrzeugbereich wie Elektrifizierung und Automatisierung verschärfen die Konkurrenz. Währenddessen bahnt sich ein Generationenwechsel in der Belegschaft an. Ein Viertel der Mitarbeiter wird das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren altersbedingt verlassen. Um trotz aller Faktoren effizient, profitabel, innovativ und alles in allem "leading edge" zu bleiben, wurde nun innerhalb von fünf Monaten eine digitale Geschäftsstrategie entwickelt.

Tauglichkeit neuer Technologien

Mitte 2017 gründeten die ÖBB dazu eine teilautonome Arbeitsgruppe namens Digi@ttack, die neue Technologien auf ihre Tauglichkeit für die Geschäftsfelder der ÖBB überprüfen soll. "Digi@ttack berichtet direkt an die Geschäftsführung des BCC, unseres internen IT Dienstleisters", meint Marcus Frantz, seit dem Frühjahr 2017 Chief Information Officer des Unternehmens, bei einem Besuch der futurezone in der ÖBB-Zentrale. "Die Gruppe soll anders arbeiten, soll agil und flexibel sein."   "Im Rahmen der digitalen Geschäftsstrategie wollen wir das Motto 'Simplify, Connect, Act' befolgen", meint Frantz. Geschäftsprozesse müssen transparenter und weniger komplex sein. Innerhalb des Unternehmens samt seiner Teilgesellschaften ebenso wie hin zu externen Partnern müssen Verbindungen geschaffen und schlanke Strukturen ermöglicht werden. Lehren, die man aus Innovationsprozessen ziehe, müssen zudem konsequent umgesetzt werden, ist Frantz überzeugt.  

Fünf große Themenfelder

In der digitalen Geschäftsstrategie wurden fünf große Themenfelder bestimmt, in denen man die Digitalisierung stark vorantreiben will:

  • Connected Traveller: Die ÖBB wollen Kunden ein modernes, vernetztes und nahtloses Reiseerlebnis bieten. Dazu zählen etwa eine einheitliche österreichische Buchungsmaschine für alle öffentlichen Verkehrsmittel oder die Ausstattung von Zugbegleitern mit Tablets, um Kunden stets die ganze Palette an Reiseoptionen anbieten zu können.
  • Connected Logistics: Hier geht es um den Aufbau einer digitalen Spedition, die den Transport von Gütern über mehrere Länder und die komplette Wertschöpfungskette abdecken soll. Ein Schritt zu diesem Ziel ist etwa ein Preisberechnungs-Werkzeug, das im Rahmen eines Hackathons entwickelt wurde.
  • Connected Assets: Züge,  Triebfahrzeuge und Waggons sollen mit Sensoren ausgestattet werden. Echtzeit-Informationen zum Zustand der eigenen Anlagen soll sowohl bei der Wartung ("condition-based maintenance") als auch bei der Kundeninformation ("Wo ist meine Ware?") helfen.
  • Connected Operations: Die Verfügbarkeit immer genauerer Daten soll Planungsprozesse erleichtern. Die ÖBB wollen im Betrieb zudem immer mehr digitale Endgeräte einsetzen, um die Effizienz zu steigern und Papier zu sparen.
  • Connected Employee: Laut Frantz soll jeder ÖBB-Mitarbeiter eine digitale Identität erhalten. Fast alle Mitarbeiter sollen mit Smartphones und Tablets ausgestattet werden, um Informationen schneller austauschen und Know-How weitergeben zu können.  
ÖBB Güterverkehr

Beispiele

Eine der neuen Technologien, deren Einsatz für die ÖBB von Digi@ttack getestet wird, ist etwa die Microsoft HoloLens. Die Mixed-Reality-Brille könnte etwa die Themenfelder Connected Operations und Connected Employee bereichern. ÖBB-CIO Marcus Frantz führt beim futurezone-Besuch etwa vor, wie man mit der HoloLens virtuelle Zugbauteile in 3D begutachten, drehen und vergrößern kann. Die Brille könnte in Zukunft in der Ausbildung von Lehrlingen verwendet werden. Das Innovations-Team des BCC probiert neben dem Microsoft-Produkt aber auch Datenbrillen anderer Hersteller aus.

Ebenfalls ausprobiert wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Koordination von Fahrplänen. "Wir hatten zuletzt etwa einen Kabelbrand in Linz, der ganze Bahnhof musste plötzlich gesperrt werden. Der Fahrplan ist aber eng getaktet, wir mussten uns schnell Ausweichrouten überlegen. Heute passiert so etwas durch mehrere Mitarbeiter mit viel Erfahrung", schildert Frantz. "Nach dem Vorfall in Linz hat es dennoch fast zwei Wochen gedauert, bis wir unseren Fahrplan wieder vollständig eingehalten haben. Gemeinsam mit den Kollegen der Produktion  haben wir uns deshalb gefragt, ob wir nicht eine Künstliche Intelligenz dazu bringen können, die Planung neu zu koordinieren, um den Normalzustand schneller wiederherzustellen."

Bereits weiter gediehen sind die Pläne der ÖBB zum Einsatz von 3D-Druck. Selbst hergestellte Bauteile könnten etwa bei der Instandhaltung von  Zügen eingesetzt werden. "Manchmal benötigt man nur ein winziges Bauteil, wie eine Abdeckung für einen Wärmetauscher. Das Originalprodukt ist 30 bis 40 Jahre alt, den Hersteller gibt es nicht mehr", meint Frantz. Dann stehe man vor der Entscheidung, teure Restbestände zu kaufen oder das entsprechende Bauteil einfach selbst mit 3D-Druck herzustellen. Mitarbeiter der „Technische Services“ der ÖBB hätten bereits erfolgreich mit 3D-Druck experimentiert und setzten die Bauteile im operativen Betrieb ein. Das Unternehmen evaluiert nun ein eigenes Service Center für 3D-Druck zu errichten, das allen Teilgesellschaften zur Verfügung stehen soll.

Innovatives Arbeitsumfeld

Mit all diesen Maßnahmen wollen die ÖBB nicht nur möglichst profitabel wirtschaften, sondern in Zukunft auch attraktiver für neue Mitarbeiter werden. "Wir müssen uns am Markt als interessanter Arbeitgeber positionieren", meint Frantz. "Gerade in der IT werden wir ziemlich viele Leute brauchen." Mobile Endgeräte für den "Connected Employee" und moderne Arbeitsabläufe sollen Fachkräfte anlocken, die aufgrund eines Generationenwechsels im Unternehmen vermehrt benötigt werden.   Gleichzeitig ändern sich aber auch die Arbeitsplätze der Mitarbeiter durch zunehmende Automatisierung. Frantz: "Wir müssen ein Bewusstsein schaffen, dass sich etwas ändert und Mitarbeitern aufzeigen wo sie sich hin entwickeln können.

ÖBB-CIO Marcus Frantz

Zusammenarbeiten

Dass die ÖBB die Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung meistern kann, davon ist Frantz überzeugt. "Ich selbst war überrascht, wie innovativ die ÖBB in Teilbereichensind." Eine Sondereinheit wie Digi@ttack gebe es nicht in vielen Unternehmen. "Wir brauchen junge Leute, die uns mit neuen Technologien konfrontieren. Raus aus der Spielzeugecke, rein in den praktikablen Nutzen." Bei bestimmten Technologien scheue man auch nicht vor der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen oder Start-ups zurück. "Bei bestimmten Dingen wollen wir aber eine gewisse Kompetenz im Unternehmen behalten."

"Wir müssen eine Kultur innerhalb unserer Organisation etablieren, dass wir alle Inputs verwenden, egal woher sie kommen - ob von Digi@ttack oder einem engagierten Mitarbeiter der „Technische Services", resümiert Frantz. "Nur gemeinsam können wir realisieren, was wir in unserer digitalen Geschäftsstrategie formuliert haben."

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und den ÖBB.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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