"Siri ist nicht so intelligent, wie viele denken"
Von künstlicher Intelligenz spricht Matthias Ledig, der bei der deutschen Bosch Gruppe für die Gestaltung und Weiterentwicklung des globalen Konzernkundenservice zuständig ist, nicht so gerne. Im Wesentlichen gehe es darum, Prozesse zu automatisieren, sagt Ledig. Weshalb er lieber den Ausdruck intelligente Automatisierung verwendet.
"Intelligent" sei bei der Technologie aber zunächst einmal gar nichts. „Denn die Systeme machen nichts, das man ihnen nicht vorher antrainiert hat“, erzählt Ledig, der am 17. Oktober beim Austrian Innovation Forum am Wiener Erste Campus zu Gast ist. "Wir haben keine Intelligenz, wir haben einen Algorithmus, der darauf trainiert wird, eine bestimmte Datenmenge zu erfassen und Abweichungen zu interpretieren. Grundlage hierfür ist eine breite Datenbasis."
Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten
Bei der Bosch Gruppe, die als Zulieferer für die Automobilindustrie ebenso fungiert, wie als Hersteller von Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten und auch in der Gebäudetechnik und Verpackungstechnik tätig ist, kommen solche Automatisierungslösungen in vielen Bereichen zum Einsatz. Anwendungsfälle reichen von Kundenservice, Marketing und Personalentwicklung bis hin zum vernetzten und automatisierten Fahren und der Verbesserung von industriellen Produktionsprozessen. "Maschinen produzieren viele Daten. Früher hatten wir drei bis vier Messpunkte. Heute sind es viel mehr", sagt Ledig: "Jetzt sind wir in der Lage die Prozesse in Echtzeit zu analysieren."
Mit der Technologie könne man in der Produktion viel Geld sparen, Standzeiten ließen sich vermeiden und der Ausschuss reduzieren. Man müsse die großen Versprechen der künstlichen Intelligenz aber in Relation zum Aufwand sehen. "Bei komplexeren Prozessen, bei denen Maschinen künftig selbstständig Entscheidungen treffen müssen, macht die Technologie Sinn. Bei Unternehmen mit komplexen Fertigungsprozessen, die ein Zusammenspiel verschiedener Maschinen erfordern, ergeben sich in der Zukunft signifikante Effekte."
Ledig selbst beschäftigt sich mit dem Einsatz intelligenter Automatisierungslösungen im Kundendienst. "Spannend wird es, wenn ich durch eine mathematische Methode Anfragen verlässlich vorklassifizieren und dem Bearbeiter Antwortvorschläge geben kann", meint der Bosch-Manager: "Dann können wir die Bearbeitungszeiten senken und trotzdem qualitativ hochwertigen Service bieten."
"Kein Selbstläufer"
Dort hin zu kommen, sei aber nicht so einfach. "Es ist kein Selbstläufer", sagt Ledig. Wenn man künstliche Intelligenz einsetzen wolle, brauche man eine Datenbasis und Datenmodell. Man habe aber in dem Bereich eine eigene Sprache, die von der KI verstanden werden müsse, um Anfragen in den richtigen Zusammenhang zu setzen. Und die sei in jedem Unternehmen verschieden: "Die künstliche Intelligenz, die ich in einer Bank zum Einsatz bringe, passt nicht unbedingt zu einer anderen Bank", erläutert Ledig: "Ich muss jedes Mal die Datenbasis schaffen, um überhaupt die Anwendungsdomäne und den Kontext zu verstehen. Da krankt es."
Chatbots, um die die vor 2 Jahren ein regelrechter Hype entbrannt war, würden oft nicht für den Kunden zufriedenstellend funktionieren, weil die Datenbasis nicht ausreiche, um das System so zu trainieren, dass es die Komplexität eines Gesprächs beherrsche. "Was ich an Umsetzungen gesehen habe, hat mir die Nackenhaare aufgestellt", sagt Ledig.
Nicht ohne Grund würden Unternehmen wie Apple und Google die Sprachaufzeichnungen ihrer digitalen Assistenten auch von Menschen anhören lassen. "Sie justieren das System nach, Siri ist nicht so 'intelligent', wie viele denken. Die Technologie wächst mit der Intelligenz der Masse und Menschen radieren Fehler aus."
"Wissen nicht aus der Hand geben"
Unternehmen, die KI einsetzen wollen, sollten ihr spezifisches Industriedomänen-Wissen deshalb auch nicht aus der Hand geben. "Das haben weder Google noch Apple", sagt Ledig. "Wenn ich dieses Wissen nicht im Unternehmen bewahre, verschaffe ich anderen einen Wettbewerbsvorteil."
Bosch gehe mit künstlicher Intelligenz sehr offensiv um. Für ein Unternehmen das zu den weltweit führenden Anbietern von Sensorik gehöre, sei dies auch eine logische Weiterentwicklung. „Bosch bündelt seine Kräfte intern und fokussiert die eigene angewandte Forschung an mehreren Standorten, unterstützt aber auch Grundlagenforschung an den Hochschulen Stuttgart und Tübingen.“
Wie verändert der Einsatz von künstlicher Intelligenz die Arbeit der Mitarbeiter, führt er zu Arbeitsplatzabbau? Veränderungen seien noch nicht spürbar, meint der Bosch-Manager. Prognosen zu stellen, sei schwierig. "Wer jemals versucht hat solche Projekte umzusetzen, weiß wie lange das dauern kann."
Disclaimer: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und dem Austrian Innovation Forum entstanden.