Innovation: "Warum ist das Auto dümmer als das Smartphone?"
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Wie können Innovationen aus einer anderen Branche für das eigene Unternehmen genutzt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Innovationsexpertin Ellen Enkel beim Austrian Innovation Forum, das am 17. und 18. Oktober am Wiener Erste Campus stattfindet. Die futurezone hat mit der Leiterin des Dr. Manfred Bischoff Institutes für Innovationsmanagement der Airbus Group an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen über Cross-Industry-Innovation, Anforderungen an innovative Mitarbeiter und Milchschäumer aus dem Chemielabor.
futurezone: Was können Unternehmen von Firmen aus anderen Branchen lernen?
Ellen Enkel: Vor allem Unternehmen, die in Branchen mittlerer Innovationsgeschwindigkeit angesiedelt sind, wie etwa der Maschinenbau oder die Mobilitätsindustrie, können viel von der bereits gemachten Erfahrung, der Technologie und den Geschäftsmodellen aus schnelleren Industrien lernen. Kunden und Nutzer haben sich stark verändert. Sie wollen, dass Fortschritte, die in einem Gebiet gemacht wurden, auch auf andere Gebiete übertragen werden. Sie sind es etwa von Smartphones gewohnt, dass sie viele Sachen online erledigen können. Wenn sie im Auto sitzen, fragen sie sich, warum das Auto dümmer ist als das Smartphone. Für Unternehmen ergeben sich aus der Nutzung vorhandener Innovationen und Technologien auch viele Vorteile.
Zum Beispiel?
Kostenvorteile, weil Unternehmen vorhandenes Wissen und Technologien nutzen können. Das ist auch günstiger, weil sie anderswo meist bereits seit Jahren verwendet werden. Man muss die Innovation allerdings immer den Anforderungen der eigenen Branche und des Marktes anpassen. Ein Beispiel dafür ist der Nespresso Milchaufschäumer. Das Prinzip ist alt und stammt aus Chemielaboren, wo durch Magnete in der Heizplatte und im Flüssigkeitsbehälter durch die magnetische Wirkung Flüssigkeit gleichzeitig erhitzt und gerührt wird. Nespresso hat sich das Prinzip zunutze gemacht und es einem neuen Zweck zugeführt. Etwas, das wir seit Jahren kennen und verstehen, ist auch leichter zu verkaufen.
Wie wichtig ist die branchenfremde Inspiration für Unternehmen?
Der Innovationsdruck hat stark zugenommen. Kunden wollen Neues und sie wollen es immer schneller haben. Sie sehen in anderen Bereichen, was alles machbar ist. Unternehmen müssen also Produkte schneller entwickeln. Die Innovationsgeschwindkeit seit dem Jahr 2000 stark zugenommen. Unternehmen haben aber nicht unbedingt mehr Geld. Das bedeutet, dass sie mit weniger Ressourcen Neues entwickeln müssen, um Schritt halten zu können.
Wie kann das funktionieren?
Das können sie aus eigener Kraft gar nicht schaffen. Sie müssen zusammenarbeiten und Ressourcen der Außenwelt geschickt nutzen. Sie müssen auf vorhandenes Wissen zurückgreifen und darauf aufbauen. Das Ummodellieren vorhandener Technologie ist für Unternehmen eine Überlebensnotwendigkeit geworden.
Wie lassen sich solche Prozesse systematisieren?
Innovationsmanagement funktioniert heute nicht mehr so wie früher. Früher musste man ein Auge auf den Konkurrenten haben, technische Entwicklungen in der eigenen Branche beobachten und dann eigene Entwicklungen anstoßen. Heute müssen technische Entwicklungen aus allen Branchen und auch Kundenentwicklungen mitberücksichtigt werden und das global. Man muss seinen Technologieradar unendlich erweitern. Das ist von den Ressourcen her nicht mehr abbildbar. Die Arbeit vervielfacht sich.
Was ist die Lösung?
Eine Lösung ist die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, auch mit Partnern aus anderen Industrien. Im Netzwerk ist man stärker. Man teilt die Ergebnisse seiner Einschätzungen und kann gemeinsam Entscheidungen treffen.
Viele Unternehmen arbeiten auch mit Start-ups zusammen.
Das ist ein anderer Trend. Sie entwickeln auch eigene Inkubatoren, in denen sich Start-ups weiterentwickeln können. Die Unternehmen machen das, weil sie so leichter Zugang zu Veränderungen am Markt haben. Wichtig ist, dass die neuen Aktivitäten im Innovationsmanagement auch strategisch fest verankert sind. Die Wenigsten machen das systematisch. Es bleibt bei Einzelmaßnahmen, die nicht miteinander verknüpft sind.
Reicht es, Innovationen auszulagern und zu kooperieren?
Die Zusammenarbeit mit Start-ups ist nur ein Punkt. Es braucht viele neue Aktivitäten. Wenn ich das Wissen im eigenen Unternehmen auch mit Wissen von Außen anreichere bin ich besser aufgestellt. Man muss die Mitarbeiter, die über das interne Wissen verfügen, ständig weiterbilden. Auf altem Wissen lassen sich keine neuen Produkte aufbauen. Mitarbeiter zu schulen ist eine Beschleunigung des Wandels.
Die Schwerkraft in traditionellen Unternehmen ist manchmal sehr groß.
Es gibt das Wort von der trägen Innovationskultur. Was Firmen machen können, ist Organisationen umzuformen und auch kleiner Organisationsformen zu schaffen, die anders arbeiten. Digital-Labs entstehen überall. Sie arbeiten anders und sind deutlich schneller. Die Herausforderung ist es, dass sie als Elfenbeinturm angesehen werden. Man muss darauf achten, dass die Abgrenzung nicht zu groß wird und die Integration im Unternehmen noch erfolgreich sein kann.
Wie kann das bewerkstelligt werden?
Zum Beispiel durch Job-Rotation. Wenn man etwa in der Einheit die als Thinktank fungiert keinen festen Mitarbeiterstamm hat, sondern die sich neben jungen und offenen Mitarbeitern auch aus etablierten Mitarbeitern zusammensetzt, die an konkreten Projekten arbeiten. Wenn sie wieder in ihre Fachbereiche zurückkehren nehmen sie das Wissen mit. Langfristig sind dann in allen Abteilungen Mitarbeiter, die neue Formen des Innovierens und der Kreativität gelernt haben.
Welche Anforderungen stellen die offenen Innovationsformen an die Mitarbeiter?
Bislang wurden von Personalabteilungen Leute gesucht, die über eine breite Grundausbildung und eine sehr spezifische Fachausbildung verfügen. Heute sollten innovationsorientierte Mitarbeiter nicht nur in einer Industrie geschult sein. Sie sind keine Superspezialisten, aber sie sind in unterschiedlichen Bereichen anschlussfähig. Wir müssen Interdisziplinarität wieder stärker in die Ausbildung einbringen. Das führt auch dazu, dass sich Mitarbeiter früh ein Netzwerk durch die Studienkollegen aufbauen, das viele unterschiedliche Branchen umfasst.
Disclaimer: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und dem Austrian Innovation Forum entstanden.
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