Wenn Roboter Kühe melken
Die rote Box ist etwa 3,5 Meter lang und etwas mehr als zwei Meter hoch. Auf einer Seite wird sie von einem Gitter eingegrenzt, hinter dem eine Kuh Platz findet. Ein Greifarm passt dort die Melkbecher an den Euter des Tieres an und leitet den Melkvorgang ein.
Mit dem Astronaut des niederländischen Herstellers Lely, hielten vor mehr als 25 Jahren Roboter Einzug in den Kuhstall. Mittlerweile ist das automatisierte Melksystem in seiner fünften Generation auf dem Markt und soll dabei mithelfen, den Weg für die vollautomatisierte Landwirtschaft zu ebnen.
"Die Bevölkerung und der Nahrungsmittelbedarf wachsen", sagt Martijn Boelens, der bei Lely für Kundenlösungen zuständig ist. Bis 2050 müsste weltweit um 60 Prozent mehr Lebensmittel erzeugt werden. Auf der anderen Seite seien immer weniger Leute bereit, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Um unter solchen Bedingungen nachhaltig produzieren zu können, seien Innovationen notwendig. Alle Routinetätigkeiten - vom Melken bis zum Ausmisten und der Zusammenstellung der Futtermittel - müssten künftig automatisiert werden, sagt Boelens. "Der Bauer kann sich dann um die wichtigen Sachen kümmern und muss nur noch in Ausnahmefällen eingreifen."
Datenanalyse
Neben dem Melkroboter hat das 1948 gegründete Familienunternehmen, das heute weltweit 500 Millionen Euro jährlich an Umsatz erwirtschaftet und 1200 Angestellte zählt, unter anderem automatisierte Stallreiniger, Futterschieber und Fütterungssysteme im Angebot. Die Daten, die Sensoren in den Geräten sammeln, fließen in einem Datenmanagementsystem zusammen und helfen etwa bei der Optimierung der Futtermischung und beim Energiesparen.
Künftig sollen sie auch Auskunft darüber geben, welche Teile der Maschinen ausgetauscht werden müssen, um den reibungslosen Betrieb aufrechtzuerhalten. "Die Daten in der Landwirtschaft werden immer mehr", erzählt Boelens. Wichtig sei, daraus konkrete Ratschläge für die Landwirte abzuleiten. "Sie müssen wissen, was zu tun ist."
"Die Kuh muss sich wohlfühlen"
Ziel bei der Automatisierung sei es, so wenig wie möglich ins natürliche Verhalten der Tiere einzugreifen, sagt der Lely-Manager. Dafür sorgt bei dem Melkroboter unter anderem Technik des deutschen Automatisierungsspezialisten Festo, der mit Leyle an der jüngsten Version des Systems zusammengearbeitet hat. Ein pneumatischer Zylinder stimmt die Bewegung des elektrisch angetriebenen Schwenkarms auf die Bewegung der Kuh ab und soll ein möglichst störungsfreies Melken ermöglichen. "Die Kuh muss sich wohlfühlen", sagt Boelens: "Wenn sie das nicht tut, kommt sie nicht zurück."
Identifiziert werden die Tiere über einen Chip, auf dem auch Größe, Gewicht, empfohlene Futtermenge und der letzte Melkvorgang gespeichert sind. Nach einer Eingewöhnungsphase von knapp einer Woche kommen die Tiere von sich aus zum Melken. Menschen würden meist länger brauchen, um sich an die Robotersysteme zu gewöhnen, meint Tim Joosten, Produktmanager bei Lely. Unfälle oder Zwischenfälle habe es bisher keine gegeben. Im Notfall kann das System über einen roten Knopf gestoppt werden.
Die Kosten für einen Melktroboter, die im niederländischen Örtchen Maassluis in der Nähe von Rotterdam zusammengebaut werden, belaufen sich auf rund 100.000 Euro. 60 bis 70 Kühe können damit pro Tag auch mehrmals gemolken werden, erzählt Boelens. Ein Melkvorgang dauert acht Minuten. Von seinen Melkrobotern hat Lely weltweit bislang mehr als 30.000 Stück verkauft, mit einem Marktanteil von 65 Prozent ist das niederländische Unternehmen Weltmarktführer in dem Bereich. Die größten Märkte liegen in Deutschland, Frankreich und Nordamerika. Aber auch in Österreich sind mehr als 300 Stück im Einsatz.
Zunehmend Normalität
Bis wann wird die vollautomatisierte Landwirtschaft Realität? 2025 könnte es soweit sein, meint Joosten. "Roboter in der Landwirtschaft werden zunehmend zur Normalität. Auch technisch weniger avancierte Landwirte zeigen sich interessiert." Der Milchausstoß leide unter der automatisierten Umgebung jedenfalls nicht. Der Sonntag sei in vielen Betrieben, die einen Melkroboter im Einsatz haben, der einzige Tag, an dem der Landwirt überhaupt nicht im Stall sei, erzählt der Lely Manager: "Meist gibt es dann die besten Ergebnisse. Man muss eben loslassen können."