Digital Life

5G ganz ohne 4G: Drei startet Test mit Standalone-Netz

Der Mobilfunker Drei kündigt einen Test in Wien an, der den nächsten Schritt in der Evolution von 5G darstellen soll. Während 5G-Netze in Österreich bisher im Non-Standalone-Modus (NSA) betrieben werden, startet Drei in Wien mit 10 Sendestandorten erstmals ein 5G-Standalone-Netz (SA). "Wir wollen damit das Potenzial ausloten, das 5G auf dem Reißbrett hat", erklärt Drei-CTO Matthias Baldermann bei einem Pressegespräch am Donnerstag.

Non-Standalone vs. Standalone

Bisher ist es so, dass 5G-fähige Endgeräte - etwa Smartphones - mit Mobilfunknetzen eine Verbindung über 4G bzw. LTE aufbauen. 5G-Technologie kommt zwar bei der Datenübertragung zum Einsatz, bestimmte Eigenschaften und Funktionen, mit denen 5G seit Langem beworben wird, kommen dabei aber nicht zum Einsatz. Erste 5G-Nutzer*innen werden z.B. schon die Erfahrung gemacht haben, dass versprochene ultraschnelle Latenzzeiten von 5G in der Praxis nicht annähernd erreicht werden.

Der Non-Standalone-Betrieb ergibt sich, weil das so genannte Zugangsnetz der Mobilfunkanbieter bereits auf 5G hochgerüstet worden ist. Das Kernnetz (Core Network) allerdings arbeitet immer noch mit den Signalisierungstechnologien von 4G/LTE. Im Prinzip stellt 5G NSA also einen Hybrid-Modus dar, der einfach dem Übergang auf eine neue Technologie geschuldet ist.

Alles besser durch Eigenständigkeit

Mit 5G Standalone gibt es eine eigenständige 5G-Infrastruktur. Auch das Kernnetzwerk ist auf 5G umgestellt und Endgeräte wählen sich nur im 5G-Netz ein. Was sich dadurch ändert:

  • Mehr Endgeräte können das Netz gleichzeitig nutzen (1 Mio. statt 100.000 pro km2)
  • die Latenzzeit reduziert sich um ca. die Hälfte (von 35 auf 20 ms)
  • der Stromverbrauch reduziert sich um 20 Prozent
  • neue technische Möglichkeiten eröffnen sich - etwa Network Slicing, also das Reservieren von Netzwerkteilen für bestimmte (kritische) Anwendungen

Durch Standalone-Netze sollen all jene Visionen, die 5G von Anfang an umschwirren, mehr in Reichweite rücken. Dazu zählt etwa der massive Ausbau des Internet der Dinge, umfassende Automatisierung gemäß der Industrie 4.0, diverse Echtzeit-Anwendungen, etwa zur Kommunikation von Straßeninfrastruktur und (selbstfahrenden) Autos, sowie Edge Computing - also die ultraschnelle Datenverarbeitung direkt am Senderstandort, durch die man sich quasi weite Datenübertragungswege ersparen soll.

Drei-CTO Matthias Baldermann ist von den Fähigkeiten von 5G überzeugt

Endgeräte dafür kommen erst

"Durch 5G NSA haben wir eine Art Fußfessel", meint Baldermann. Diese hoffe man nun durch 5G SA loszuwerden. Dazu notwendig ist freilich nicht nur eine Veränderung im Mobilfunknetz, sondern auch in der Landschaft der Endgeräte, erklärt Mario Paier, der Leiter der Netzwerkstrategie und -technologie bei Drei. Sämtliche 5G-fähige Smartphones, die derzeit auf dem europäischen Markt angeboten werden, arbeiten derzeit noch mit 5G NSA.

Im Laufe des Jahres sollten allerdings die ersten Geräte, die 5G SA unterstützen, in den heimischen Handel kommen, ist Paier überzeugt. Drei befinde sich dabei im engen Austausch mit der Mobilgeräteindustrie. Zuletzt habe man etwa Vertreter von Qualcomm empfangen und die Zusage erhalten, dass künftige Smartphone-Chips nicht nur 5G SA unterstützen, sondern auch das Frequenzband 1500 MHz. Dieses wird international kaum für 5G verwendet, in Europa aber schon. Ähnliche Zusagen gebe es auch schon von Endgeräteherstellern, etwa Huawei.

Experimentieren mit 5G-Technologien

Inzwischen werde Drei mit seinem 5G-SA-Test in Wien diverse Konfigurationen ausprobieren, um sich mit der Technologie vertraut zu machen. Unterstützt wird der Mobilfunker dabei von mehreren Netzwerkausrüstern, allen voran ZTE. Derzeit betreibe Drei in ganz Österreich rund 500 5G-Senderstandorte. Damit erreiche das 5G-Netz von Drei derzeit eine Indoor-Netzabdeckung von 15 bis 18 Prozent. Outdoor sei es das Doppelte.

Die Konkurrenten A1 und Magenta hätten derzeit mehr Senderstandorte, ein Vergleich der Netzabdeckung sei allerdings schwierig, meint Paier. Drei setze für seinen Teil darauf, bei der Ausstattung von Sendern mit 5G-Antennen sofort die bestmöglichen Technologien einzusetzen. So bringe Drei etwa 64x64 Massive MIMO-Antennen an. Sie stellen mit jedem Netzwerknutzer parallel mehrere Kommunikationskanäle her, was die Bandbreite erhöht.

5G-Experimente führt Drei in Wien außerdem in der Seestadt Aspern durch, wo seit Herbst 2020 die Industrie 4.0 Pilotfabrik der TU Wien versorgt wird. Mit dem Florido Tower im 21. Bezirk wurde im Dezember außerdem das erste vollständig mit 5G versorgte Bürohochhaus vorgestellt.

Ganz Wien in 2 Jahren mit 5G versorgt

Drei-CTO Baldermann rechnet damit, dass ganz Wien innerhalb der nächsten 2 Jahre mit 5G abgedeckt sein wird. In ganz Österreich werde der Netzausbau in ca. 5 Jahren abgeschlossen sein, so die Prognose. Der Netzaufbau sei ein enormer organisatorischer, planerischer, technischer und bürokratischer Aufwand. Für alle Senderstandorte brauche man neue Genehmigungen für 5G-Antennen. In manchen Gemeinden seien auch andere Widerstände zu überwinden: "Es gibt viele Mythen und Verschwörungstheorien, die da herumgeistern."

Diejenigen, die besonders von 5G profitieren sollen, also Unternehmen, zeigen bislang noch kein überragend großes Interesse an der Technologie. "Die Unternehmen sind momentan in der Selbstfindungsphase", sagt Baldermann: "Es ist noch früh und Erfahrungen von Unternehmen in der Industrie gibt es noch selten." Man sei aber intensiv im Dialog und versuche, Unternehmen davon zu überzeugen, welche Möglichkeiten 5G eröffne und wie wichtig für den Wirtschaftsstandort es sei, Expertise rund um die Technologie aufzubauen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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