Amazon-Fahrer: Keine Klopausen, bis zu 200 Pakete pro Tag
Vor Weihnachten rund um den "Black Friday" und "Cyber Monday" floriert der Online-Handel. Alle wollen ihre Pakete rechtzeitig vor Weihnachten erhalten. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie es dabei auf der anderen Seite aussieht: Nämlich bei all jenen, die diese Pakete zustellen müssen.
200 Pakete pro Tag sollen sie ausliefern. Die Route wird von Amazon vorgegeben. Sie sind aber nicht beim US-Konzern angestellt, sondern arbeiten als Selbstständige. Amazon zahlt ihnen 12 Pfund pro Stunde plus Bonus und Benzinkosten. Die Selbstständigen geben aber an, dass ihnen nach Abzug der Kosten für die Transport-Fahrzeuge und Benzin nur 160 Pfund pro Woche übrig bleiben. Das ist in Großbritannien unter dem Mindestlohn. Die Rede ist von Amazon-Paket-Zustellern in England, über deren unzumutbare Arbeitsbedingungen jetzt die britische Zeitung „Daily Mirror“ berichtet, die einen Fahrer auf seiner Tour begleitet hat.
Urinieren in die Flasche
Arbeitszeiten von 12 Stunden seien üblich, obwohl das Gesetz ein Maximum von elf Stunden pro Tag vorschreibt. Manchmal seien es gar 14 Stunden, heißt es in dem Bericht. Die Paket-Zusteller geben zudem an, in mitgeführte Flaschen zu urinieren, weil Klopausen in den von Amazon vorgegebenen Routen nicht eingeplant seien.
Das mit den Flaschen hat sich auch schon bis zum Management von Amazon herumgesprochen – dort wollte man mit einer Anweisung an Sicherheitskräfte bereits gezielt verhindern, dass die Paket-Zusteller Flaschen zu diesem Zweck mit sich führen, berichtet die Zeitung.
Routenberechnung per App
Amazon selbst sagt, dass sie „fair zahlen“ würden und dass es sich bei den Fahrern klar um keine angestellten Dienstnehmer handle, sondern um Selbstständige. Diese geben jedoch an, sich an die Routen halten zu müssen, die Amazon ihnen per App vorgibt.
Die App würde aber nicht die aktuelle Verkehrslage berücksichtigen, ebenso wenig aktuelle Wetterverhältnisse oder Geschwindigkeitslimits. Laut dem Bericht sei es praktisch unmöglich, alle Pakete innerhalb der regulären Arbeitszeit auszuliefern. Viele Fahrer gaben deshalb auch an, sich nicht immer an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Amazon selbst sagt dazu, dass die Routen mit Hilfe einer ausgeklügelten Software berechnet würden, die Verkehrsmuster und Geschwindigkeitsbegrenzungen berücksichtigen würde.
Klage und Untersuchung
Sieben Paket-Zusteller haben sich nun an eine Anwaltskanzlei gewandt, um gegen die Missstände vorzugehen. Jetzt will sich auch die Prüfstelle „Driving and Vehicle Standards Agency“ des britischen Transport- und Verkehrsministeriums diesen arbeitsrechtlichem Chaos annehmen. Die Agency hat eine Untersuchung angekündigt.
Die Anwaltskanzlei hat bereits einmal erfolgreich gegen Uber prozessiert und für Fahrer Anspruch auf Urlaubsgeld, Krankengeld und den britischen Mindestlohn von 7,50 Pfund pro Stunde ausverhandelt. Das wollen auch die Paket-Zusteller, die für Amazon arbeiten.
In Deutschland kämpft unterdessen die Gewerkschaft "verdi" seit Jahren für bessere Bedingungen von Amazon-Mitarbeitern, die in den Werken beschäftigt sind. Amazon lehnt seit Jahren jede Tarifbindung für Mitarbeiter ab.