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Bürger-Sensoren: "Smart City auf der Grätzel-Ebene"

Das Schlagwort von der "Smart City" ist in aller Munde. Mit technischer Unterstützung soll die Stadt effizienter und ressourcenschonender gestaltet werden. Die Bewohner spielen dabei oft nur eine untergeordnete Rolle. Das Festival Vienna Open will das ändern und Bürgern Werkzeuge in die Hand geben, die es ermöglichen, ihr Umfeld zu analysieren und aktiv mitzugestalten.

Bürger-Sensoren

Dazu wurde das "Vienna Citizen Sensor Projekt" ins Leben gerufen, das an einem mit Sensoren ausgestatteten Gerät arbeitet, mit denen Bürger Daten erheben und untereinander austauschen können.

Kernstück des Tools für smarte Bürger ist die Computing-Plattform Arduino, an die Sensoren zur Messung von Luftqualität, Lärmbelastung und Verkehrsaufkommen angeschlossen werden. Die von Bürgern gesammelten Daten sollen dann online zusammengeführt und miteinander verglichen werden können.

Es gebe zwar Datenerhebungen der Stadt, diese würden jedoch Durchschnittswerte abbilden. "Wir bringen Daten auf den Punkt", sagt Initiator Gerin Trautenberger: "Wir wollen die Daten der Stadt mit den Daten der Bürger ergänzen und zeigen, was Smart City auf Grätzel-Ebene bedeuten kann."

Vorbild aus Barcelona

Vorbild für das Projekt ist das im Fab Lab Barcelona entwickelteSmart Citizen Kit, das ebenso Bürger mit Sensoren ausstattet. Es hat allerdings einen groben Fehler: Den Preis. Etwas mehr als 210 Euro kostet das Open-Source-Tool samt Versand und Steuern. Das Wiener Projekt will es schaffen, ein solches Messinstrument für knapp 30 Euro anbieten zu können.

Dazu hat man sich mit der Amsterdamer Waag Society zusammengeschlossen, die die kreative Nutzung neuer Technologien untersucht und ebenfalls an Sensoren für Bürger arbeitet. Den Sommer über will man in einem Smart Citizen Lab im Wiener Resselpark an technischen Umsetzungsmöglichkeiten feilen. In September soll ein funktionierender Prototyp fertig sein - eine Box, die Basisdaten liefert und von ihren Nutzern auch erweitert werden kann, wie Mit-Initiator Thomas Thurner erzählt.

Erste Experimente

Erste Experimente wurden bereits durchgeführt. "Die ersten Sensoren sind bereits online", sagt Thurner. Gemessen werden etwa Luftgüte, Luftdruck und Lichtstärke. "Es sind Daten, die mit der eigenen Lebens- und Wohnwelt zu tun haben." Interessant seien auch Verkehrsdaten oder Lautstärkenmessungen. Mit Sensoren könne etwa auch festgestellt werden, ob Fahrradständer voll oder das Kinderfreibad ums Eck stark besucht sei.

Daten ungenau

Die Waag Society hat auch das spanische Vorbild und dessen Anwendungen untersucht und evaluiert. Anreize das Smart Citizen Kit zu verwenden waren für viele Nutzer die Sensoren zur Messung der Luftqualität. Die funktionierten aber oft nur mangelhaft, auch bei der Übertragung der Daten kam es laut dem Prüfbericht mehrmals zu Problemen. Daneben beklagten sich Nutzer auch über die mangelnde Vergleichbarkeit der Daten.

Auch bei den Wiener Experimenten sei die Datenqualität "noch grottig schlecht", erzählt Thurner. Das könne man aber in den nächsten Monaten in den Griff bekommen. Die erhobenen Daten könnten dann für die jeweilige Nachbarschaft gemeinsam mit Verkehrsdaten der Stadt Wien (Durchfahrtszeiten, Verspätungen der Wiener Linien), Wetterdaten und offiziellen Daten zur Luftqualität in einem "Grätzel-Dashboard" online ausgetauscht werden.

Finanzierung offen

Die Wiener Initiative tüftelt auch bereits an Konzepten zur Produktion und Finanzierung der Bürger-Sensoren. Förderansuchen für öffentliche Finanzierungen stehen dabei ebenso zur Diskussion wie eine Crowdfunding-Kampagne.

"Für uns ist die wichtigste Frage die, wie die Smart City für die Bürger aussieht", sagt Trautenberger. Sie dürfe kein technologisches und kaltes Utopia zum Ziel haben, sondern müsse eine lebendige Stadt sein, an der die Bürger teilnehmen. "Eine Smart City braucht zu allererst smarte Bürger."

Das Vienna Citizen Sensor Project ist Teil des FestivalsVienna Open, das am Donnerstag, den 9. April im Mobilen Stadtlabor am Wiener Karlsplatz beginnt. In mehreren Blöcken, die von April bis September stattfinden, werden dabei offene Daten und smarte Bürger erörtert. Den Sommer über wird dabei In einem Smart Citizen Lab im Resselpark, das nach dem Modell desWikiHouseauch mit digital gefertigten Teilen entstehen soll, mit dem Citizen Sensor experimentiert.

Museum der Zukunft

Ideengeber des Festivals ist auch der Wiener Ökonom und Volksbildner Otto Neurath (1882 - 1945). Dessen Konzept des "Museums der Zukunft", das sich dem Wissen der Leute anpasst, ist auch Vorbild für das Bürgerlaboratorium im Resselpark. "Es ist ein offener Prozess", sagt Festivalleiter Gerin Trautenberger.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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