Das Kennzeichen an der Windschutzscheibe
Elektronische Fahrzeugregistrierung oder EVR (electronic vehicle registration) bedeutet ein automatisches Abgleichen der Daten von Fahrzeugen auf der Straße mit einer zentralen Verwaltungsdatenbank. Neben der Nummerntafel wird bei EVR ein Onboard-Modul oder ein RFID-Tag erkannt, der eine fälschungssichere Erfassung von Fahrzeugdaten ermöglicht.
Wie Peter Ummenhofer, der Leiter der Abteilung Verkehrstelematiklösungen bei Kapsch TrafficCom, erklärt, soll das EVR vier Probleme bekämpfen: Die lückenhafte Fahrzeugregistrierung, fehlende Versicherungen, fehlende Sicherheitsüberprüfungen und Einnahmeverluste durch unzustellbare Verkehrsstrafen.
Onboard-Units und Lesestationen
Auf der Intertraffic, einer Fachmesse für Intelligente Transportsysteme (ITS), stellte Kapsch seine EVR-Lösung vor. Diese besteht aus mehreren Komponenten. Zunächst wären da Onboard-Units. Diese können entweder kleine elektronische Boxen sein, die auf der Innenseite der Windschutzscheibe angebracht werden, oder RFID-Tags. Diese Onboard-Units werden einem Fahrzeugbesitzer beim Zulassungsprozess in Kombination mit einem herkömmlichen Kennzeichen ausgehändigt. Sie enthalten wichtige Daten in verschlüsselter Form: Die Kennzeichennummer, die Versicherungsnummer, den letzten Überprüfungstermin ("Pickerl") und potentiell zusätzliche Informationen über das Fahrzeug.
Erfassung der Nummerntafeln
Der zweite Bestandteil sind Stationen auf der Straße, die das Kennzeichen mittels automatischer Nummerntafelerkennung erfassen und per Funk mit dem Onboard-Unit kommunizieren. Die Daten darauf werden abgelesen und mit einer zentralen Datenbank verglichen. So kann schnell festgestellt werden, ob das physische Kennzeichen mit dem elektronischen übereinstimmt, ob das Fahrzeug versichert ist, ob es verkehrstauglich ist oder ob es gar polizeilich gesucht wird.
Leichtere Lesbarkeit
Wie Kapsch in einem Video (siehe unten) zeigt, können Kontrollstationen als fixe Installation auf Straßen, etwa auf Überkopfbrücken an der Autobahn, als mobile Stationen auf einem Stativ neben der Straße, als fahrbare Stationen in speziellen Polizeiautos oder als Handheld-Geräte erscheinen. Die Vorteile gegenüber einer visuellen Kennzeichenerfassung sind eine leichtere Lesbarkeit und eine erhöhte Fälschungssicherheit. Physische Kennzeichen kann man im Vergleich zu verschlüsselten Daten relativ einfach fälschen.
Fokus auf Schwellenländer
"Die Lösung richtet sich primär an Schwellenländer beziehungsweise Emerging Markets. Die haben oft das Problem, dass die Zahl der registrierten Fahrzeuge nicht hundertprozentig mit der tatsächlichen Fahrzeuganzahl übereinstimmt", meint Peter Ummenhofer. "Südamerika ist zum Beispiel eine Region, wo es nicht ganz so super läuft mit der Registrierung. Andere Regionen sind Südostasien oder der Mittlere Osten."
In Schwellenländern sei auch oft die Versicherungsthematik ein entscheidendes Problem, das mittels eines EVR gelöst werden könnte."Im Schadensfall muss jemand für die Kosten aufkommen. Derjenige, der den Unfall verursacht hat, hat dann vielleicht keine Versicherung, dazu auch noch kein Geld und kann deshalb nicht belangt werden."
Fahrzeugsicherheit
Auch die Überprüfung der Fahrzeugsicherheit sei in den Zielgebieten ein häufiges Problem. "Bei der Fahrzeuginspektion tauchen unregistrierte Fahrzeuge nicht auf. Vom technischen Zustand her sind sie oft nicht am neuesten Stand und stellen daher ein Verkehrsrisiko dar", schildert Ummenhofer.
Nicht zuletzt bietet ein EVR auch einen deutlichen Vorteil im Bereich öffentliche Sicherheit. "Für manche Behörden steht nicht so sehr die Registrierung im Fokus, sondern die Kriminalitätsbekämpfung. Mit einem EVR kann man Fahrzeuge besser tracken." Dass damit auch Schindluder getrieben werden kann, ist Ummenhofer bewusst. "Wir hoffen, dass Behörden das System nicht dazu nutzen, um die Bevölkerung zu überwachen."
Einfache Einführung
In einigen Ländern gäbe es schon bedeutende Fortschritte bei der Einführung von EVR-Systemen, erklärt Ummenhofer. "In Bermuda läuft so ein System bereits. Mexiko, Thailand und Brasilien bereiten die Einführung vor." In Mexiko rechnet sich Kapsch eine gewisse Chance auf eine Beteiligung beim EVR-Aufbau aus: "Die Tags wurden dort schon ausgegeben. Was noch fehlt, ist die Lese-Infrastruktur. Wir sind da eines von mehreren Unternehmen, die sich darum bemühen."
Die notwendige Hardware zum Aufbau eines EVR-Systems ist bei Kapsch bereits vollständig lieferbar. "Feldstationen, Equipment auf der Straße, Handheld-Geräte - das sind alles Produkte, die wir auch für das Mautgeschäft brauchen. Das kann man Eins zu Eins für ein EVR verwenden. Im Grunde ist es eine Wiederverwertung unserer existierenden Lösungen", meint Ummenhofer.
Reaktions-Erwartungen
Was die Reaktion innerhalb der Bevölkerung betrifft, kann sich Ummenhofer kontroverse Positionen vorstellen. "Das hängt ein bisschen von der Kultur ab. Wenn man so etwas in Deutschland oder Österreich einführen würde, gäbe es sicher mal einen Aufschrei."
Dabei gehe es nicht darum, Privatpersonen zu überwachen. "Die Polizei hat einfach bestimmte Aufgaben, die sie erfüllen muss. Die Versicherung muss gewährleistet sein. Es geht um Fairness im Straßenverkehr." Im Endeffekt hofft Ummenhofer darauf, dass man sich vor Augen führt, was mit einem EVR erreicht werden soll, wozu es eigentlich dient.
Kosten
Was die Kosten für ein EVR betrifft, sei es schwer, eine pauschale Antwort zu geben, meint Ummenhofer. Klarerweise hänge der Preis für ein Gesamtsystem, bestehend aus Onboard-Units, Lesestationen, Datenbanksystem und die technische Wartung, von der Dimension des Einsatzgebietes ab. In einem "mittelgroßen Land" mit 10 bis 20 Millionen Fahrzeugen könne man aber von einer dreistelligen Millionensumme ausgehen.
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