DLD: Europäisches Internet und Wege aus der Klimakrise
"Wir sollten aufhören uns zu beklagen und beginnen, zu handeln", hieß es am Samstag zum Auftakt der Innovationskonferenz DLD in München, die heuer das Motto ausgab: "What Are You Adding?" ("Was trägst du bei?"). Die Teilnehmer der vom Medienkonzern Burda veranstalteten Konferenz forderte DLD-Gründerin Stephanie Czerny auf, nicht nur über Ideen zu sprechen, sondern konkrete Vorschläge, konkrete Pläne und messbare Maßnahmen vorzulegen.
Probleme gibt es genug. Sie reichen von der Klimakrise über die negativen Auswirkungen der Digitalisierung bis hin zu Armut und Ungleichheit. Digitale Technologie könne die Politik und Gesellschaft zum Besseren verändern und Grenzen überwinden, sie könne aber auch Hass schüren", sagte Clara Barnett, die für die britische Regierung Digitalstrategien entwickelt. Mit einer solchen Macht müsse verantwortungsvoll umgegangen werden.
Es gehe darum, Technologie in Wege zu lenken, die zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen. Dabei müssten auch grundlegende Fragen gestellt werden, mahnte Barnett. Viele Anwendungen seien absichtlich so entwickelt worden, dass sie süchtig machen. "Wir müssen uns fragen, ob wir das als Gesellschaft wollen." Systeme müssten so gestaltet werden, dass sie die Rechte der Nutzer und den Datenschutz berücksichtigen und möglichst viele Leute daran teilhaben könnten.
Künstliche Intelligenz mit Vorurteilen
Die Computerwissenschaftlerin Joy Buolamwini arbeitet mit der von ihr gegründeten Algorithmic Justice League daran, auf Fehlentwicklung in der künstlichen Intelligenz aufmerksam zu machen. Viele Gesichtserkennungssysteme würden gesellschaftliche Vorurteile verstärken, warnte Buolamini. Frauen und Farbige würden etwa von Gesichtserkennungssystemen am häufigsten falsch klassifiziert.
"Wir wollen dazu beitragen, gesellschaftliche Schäden zu verringern", sagte Buolamwini. Man müsse sich aber auch fragen, ob solche Systeme für die Gesellschaft überhaupt von Nutzen seien. Technologiefirmen würden sie auch der Polizei zur Verfügung stellen, die damit gezielt nach ethnischen Merkmalen suchen könne.
Zerschlagung der Techkonzerne
Ihr Fett bekamen die Platzhirschen der Techbranche ab. Peter Sunde, der einst The Pirate Bay gründete, forderte die Zerschlagung der Techkonzerne, die das Internet kontrollieren. Internet-Kritiker Andrew Keen machte sich für ein europäisches Internet stark, das auf demokratischen Prinzipien aufbaut und die Rechte seiner Nutzer respektiert. "Das werden weder die Amerikaner, noch die Chinesen machen", sagte Keen.
Die philippinische Journalistin Maria Ressler, die mit dem von ihr gegründeten Online-Nachrichtendienst Rappler gegen die Verbreitung von Fake-News und eine demokratische Gesellschaft kämpft, verwies darauf, wie sehr Plattformen wie Facebook mit der Verbreitung von Wut und Hass autoritären Tendenzen in der Gesellschaft zum Durchbruch verhelfen.
Dass man als Einzelner viele Handlungsmöglichkeiten habe, stellte der an der Stanford University tätige Autor ("Future Politics") und Jurist Jamie Susskind in Abrede: "Als Einzelner kann man fast gar nichts machen." Es sei egal, ob man sein Facebook-Konto lösche, denn Facebook habe mehr Mitglieder als das Christentum. "Politische Probleme können nur gemeinsam gelöst werden. Wir müssen die Regeln setzen", mahnte Suesskind: "Wir müssen über die gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen machtvoller digitaler Plattformen genauso nachdenken, wie über ihre wirtschaftlichen und technischen Implikationen."
Klimakrise
Lösungen wurden bei der Konferenz auch für die Klimakrise gesucht. "Wir sehen erst die Spitze des Eisbergs, das ganze Bild kennen wir noch nicht", sagte der US-Klimaexperte Sebastian Copeland.
Der Big-Data-Spezialist J. Carl Ganter vom Vector Center zeigte Wege auf, wie mit Datenanalysen der Wasserknappheit entgegengewirkt werden kann. Der US-Entrepreneur und Gründer des Inkubators IdeaLab, Bill Gross, skizzierte Möglichkeiten, wie die Kosten erneuerbarer Energie mithilfe von zunehmender Rechenleistung verringert werden können und Christian Kroll von Ecosia zeigte, wie Suchmaschinen zum Umweltschutz beitragen können: Sein Unternehmen pflanzt mit den Gewinnen aus dem Suchgeschäft Bäume.
Die DLD findet noch bis Montag in München statt. Themen sind neben dem Klimawandel und künstlicher Intelligenz auch Quantencomputer und die Erschließung des Weltalls. Als Gäste haben sich unter anderem Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der frühere britische Vizepremier Nick Clegg, der heute für Facebook tätig ist, und Snapchat-Mitgründer Evan Spiegel angekündigt.