Digital Life

Dubiose Website will frustrierte Ehemänner abzocken

Frustrierte Ehemänner sollen sich um 29 US-Dollar Werbeanzeigen kaufen, die ihre Frauen dazu bringen sollen, öfters den sexuellen Akt zu initiieren. Das verspricht die Website "The Spinner" potentiellen Kunden. Funktionieren soll dies folgendermaßen: Der Ehefrau wird von ihrem Mann ein Link geschickt. Der Mann kann dabei aus drei vorgegebenen Themen wählen, oder ein eigenes Thema aussuchen und einen dazu passenden Link eingeben. Das soll die Chancen erhöhen, dass seine Frau darauf anspringt. Wenn diese dann auf den Link klickt, werden in Folge auf ihrem Smartphone entsprechende Tracking-Cookies platziert. In den nächsten Monaten werden der Ehefrau Werbeanzeigen angezeigt, die laut dem Anbieter dazu führen sollen, dass wieder mehr Leben ins Schlafzimmer des Paares kommt.

Auf ihrem Handy sollen zehn verschiedene Artikel mit Headlines wie „Fünf Wege, um Ihren Mann dazu zu bringen, Sie für immer zu lieben“ oder „Drei Gründe, warum Sie öfters Sex mit ihrem Mann anstoßen sollten“ oder „Zehn Tipps, die jede verheiratete Frau braucht“ rund 180 Mal innerhalb von drei Monaten ausgespielt werden, heißt es auf der Website. Die Artikel mit anziehenden Headlines sind von einer Gruppe von Psychologen verfasst, um das Ziel – in dem Fall die Ehefrau – auf einer unterbewussten Ebene zu beeinflussen, damit diese ihren Ehemann im Schlafzimmer verführt.

Auf der Website gibt es auch ein Video, das optisch wie ein Nachrichtenbeitrag aussieht. Darunter befinden sich User-Kommentare wie „Ist schon die nächste Folge Black Mirror erschienen?“ Auf Social-Media-Kanälen rätselten in den vergangenen Tagen zahlreiche Nutzer, ob es sich dabei um ein Satire-Projekt handeln könnte, das Überwachungskapitalismus oder etwa die fehlende Diversität der Tech-Branche kritisieren möchte, oder einen PR-Gag einer großen Firma. All das ist nicht wirklich ausgeschlossen. Aber vieles deutet darauf hin, dass es sich um ein Unternehmen handelt, das einfach nur abzocken möchte.

Ratings sehen Fake aus

Was uns zu diesem Verdacht bringt? Wenn man seine Daten auf der Website eingibt, um Informationen zur Kampagne zu erhalten, landet man als Nutzer nach Eingabe seiner Mail-Adresse und eines Passworts automatisch bei der Seite, auf der man seine Kreditkartendetails eingeben muss. Bestätigungsmail nach dem Anlegen eines Accounts: Fehlanzeige.

Wenn man sich auf der Website genauer umsieht, entdeckt man zudem einige Schlampigkeitsfehler beim Wording. Wörter, die in GROSSBUCHSTABEN auftauchen, gebrochenes Englisch auf diversen Unterseiten. Zudem gibt es die Sektion „Ratings and Reviews“, die zwar mit zahlreichen Bewertungen – auch schlechten – versehen ist, aber man kann als User selbst keine eintragen. Auch gibt es hier seit mehreren Wochen keine Änderung. Eine statische Bewertungsseite macht besonders stutzig. 

Die futurezone kontaktierte den Betreiber der Website per E-Mail und vereinbarte ein Telefon-Interview. Es rief Elliot Shefler an, der sich als „Vice President“ der Firma ausgegeben hat. Im Netz ließ sich zu dem angeblichen „Vice President“ nichts finden. Er rief von einer unterdrückten Nummer an, weshalb wir diese nicht überprüfen konnten.

Sein Akzent war stark und er beantwortete uns unfreundlich und genervt unsere Fragen, die vorerst darauf abzielten, ob das Angebot echt gemeint sei, oder ob es sich um einen PR-Stunt handle: „Wir werden die ganze Zeit gefragt, ob wir gegen Überwachungskapitalismus protestieren“, sagte Shefler im Gespräch mit der futurezone.

Protest dagegen sei "legitim"

„Es ist auch legitim, dagegen zu protestieren. Viele Menschen hassen uns, weil wir die Privatsphäre von Menschen verletzen. Viele Frauen hassen uns, weil wir damit das Vertrauen verletzen. Jeder hat das Recht darauf, sich dabei unwohl zu fühlen. Aber seien wir mal ehrlich: Es ist das Geschäftsmodell von Facebook, großen Marken und vielen Medienhäusern, Nutzer im Netz zu verfolgen und sie dazu zu bringen, ihr Produkt zu kaufen oder zu konsumieren.“

Sheflers Antworten wirkten so, als wäre die Website ernst gemeint. Doch wir werden stutzig, als er nicht sagen möchte, wer genau dahinter steckt. Laut Shefler werde der Dienst von einer großen, britischen Agentur betrieben, die seit Jahren nichts anders als „Native Advertising“ für Marken und Politik gemacht habe. „Mit der Politik ist jetzt Schluss, nach dem Cambridge-Analytica-Skandal haben wir nichts mehr mit Werbeanzeigen für Politiker am Hut“, so Shefler. „Jetzt ist es eben auch für Privatpersonen möglich, andere private Personen gezielt mit Werbung zu adressieren.“

Die Psychologie dahinter sei einfach, so Shefler. „Wenn ein Mensch eine Werbeanzeige immer wieder und wieder angezeigt bekommt, geht sie ins Unterbewusstsein über.“ Laut Shefler sei eine Beeinflussung von Ehefrauen durch derartige Anzeigen „bei weitem nicht das Schlimmste, was man machen kann“. Jetzt könne einfach der „Durchschnittsmann“ gezielte Werbeanzeigen schalten. „Manche Paare lügen, betrügen, bekämpfen sich. Da gibt es viel schlimmere Dinge.“

Falsche Adresse in der Fleet Street

Auf die Frage nach dem Firmenstandort sagte Shefler: „In Großbritannien, aber wir haben auch Leute in San Francisco und Berlin.“ Als Firmenadresse gibt die Website einen prominenten Standort in Londons Fleet Street an. Ein Fahrradkurier fuhr auf Nachfrage von uns bei der Adresse vorbei und schickte uns Bilder: In dem Gebäude, in dem die Firma laut Website sitzen soll, befindet sich eine Bäckerei. Zu den Obergeschoßen gibt es keinen direkten Zugang. Es gibt keine Nummernschilder, keine Namenstafeln, keinen Eingang. In den benachbarten Häusern befindet sich Wohnungen auf der einen, Büros auf der anderen Seite. 

Hier soll das Unternehmen laut Website sitzen, tut es aber nicht

Das Unternehmen ist zudem nicht im Unternehmensregister in Großbritannien eingetragen. Wir konfrontierten Shelfer noch einmal mit unseren Recherchen und bekommen tatsächlich binnen einer Stunde einen Rückruf. Man sei Teil einer großen Agentur und die Firma möchte nicht öffentlich bekannt werden, begründet Shefler den fehlenden Eintrag im Register. Zum Standort in London sagte er, dass es sich dabei um die Adresse ihres Anwalts handle. Unsere weitere Recherche im „Whois“-Register ergab ebenfalls, dass der Besitzer seine Daten nicht öffentlich bekannt geben möchte.

Laut der WebsiteThe Best Stunts and Campains in One Place“ soll Elliot Shefler nicht der echte Name des Mannes sein. Er heiße Halib und sitze in Berlin, heißt es. Dort konnte man auch seine Nummer zurückverfolgen und sie führte zu einem Anschluss in New York und wurde von Nutzern zu 96,3 Prozent als Spam eingestuft. Damit verdichten sich alle Indizien, dass es sich bei der Website um einen Betrugsversuch handelt, um an das Geld von frustrierten Männern und deren Daten zu gelangen. Denn mit E-Mail-Adresse und Passwort lässt sich im Internet-Zeitalter recht viel anfangen. Viele Nutzer verzichten nämlich darauf, mehr als ein Passwort zu verwenden.

Windows-Vista-Screenshot

Shefler gab gegenüber futurezone an, dass die Agentur bisher zehn verschiedene Tech-Ad-Packages angeboten habe seit sie im Jänner 2018 mit dem gezielten Targeting von Privatpersonen an den Start gegangen ist. „Wie ich meine Frau beeinflussen kann“ sei bisher die erfolgreichste Kampagne gewesen. Bisher verzeichne man zwischen 5.000 und 10.000 Kunden, die die Sex-Ad-Tech-Kampagne erworben haben, erklärte Shefler.

In dem Screenshot, den Shefler per E-Mail mitgeliefert hat, ist ein rechtsbündiges Windows Vista als Betriebssystem mit einem offenen Winamp zu sehen. Damit wollte Shefler beweisen, dass sie tatsächlich wie bezahlt entsprechende Werbeanzeigen ausspielen. Aus dem Screenshot ist aber auch ersichtlich, dass kaum ein Mensch auf die ausgespielten Artikel drauf geklickt hat.

Die privaten Ad-Tech-Kampagnen sollen, wenn es nach Ansicht des Unternehmens geht, legal sein. „Das Attachment von Cookies ist legal“, betonte Shefler. Privacy-Experten aus Großbritannien sind sich da aber nicht so sicher. Zudem müsse man prüfen, ob derartiges in Großbritannien nicht unter „Stalking“-Gesetzgebung falle, heißt es in einem Medienbericht, der mit dem Anruf eines „Mr. Elliot Sheflers“ automatisch von der Echtheit des Angebots ausgegangen ist.

 „The Best Stunts and Campains in One Place“ hat zudem noch nachgeforscht, wer als Erstes über das Projekt getwittert hatte. Es war ein Fake-Account mit dem Bild eines Menschen, der garantiert nichts davon weiß und komplett gefälschten User-Daten. Wir wollten ursprünglich über dieses Web-Service berichten, weil es einmal mehr zeigt, wohin Microtargeting heutzutage führen und wie sexistisch die Branche sein kann.

Gezieltes Microtargeting kein Einzelfall

Die Praxis, gezielt Personen mit Werbeanzeigen anzusprechen, gibt es beispielsweise auf Facebook seit längerem. Ein jüngst bekannt gewordener Fall betraf etwa den britischen Oppositionsführer Jeremy , der im Parlaments-Wahlkampf 2017 durch seine eigene Parteizentrale per Microtargeting manipuliert worden war. Führende Funktionäre kauften Werbeanzeigen auf Facebook, die ausschließlich Corbyn und seinen Vertrauten angezeigt worden waren. Das Ziel: Corbyn zu suggerieren, dass seine Inhalte breit gestreut werden.

Die Idee, die von der Website aufgegriffen wurde, zeigt auf jeden Fall die Auswüchse des Überwachungskapitalismus, der sich in den vergangenen Jahren im Netz etablieren konnte. Und: Wer jetzt noch glaubt, dass er den Service unbedingt ausprobieren muss, ist selbst schuld.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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