Elektroautos: Branche fordert Aus für Querparkverbot
Bei Elektromobilitäts-Events bekennen sich Politiker gerne zu Innovation, Nachhaltigkeit und neuem Lebensstil. In der Praxis steht der Verbreitung von Elektrofahrzeugen jedoch wesentlich weniger Veränderungswillen gegenüber. Stattdessen scheitern "E-Mobility"-Bemühungen an starren Verordnungen und scheinbar statischer Politik.
Visionen
Ein Konzept, das die Elektromobilitäts-Allianz Austrian Mobile Power (AMP) vorlegt, veranschaulicht die Problematik. AMP schlägt vor, eigene Parkplätze mit Schnellladestationen für Elektroautos im öffentlichen Straßennetz zu schaffen. Dort sollen Elektrofahrzeuge nur relativ kurze Zeit (etwa 20 Minuten) stehen bleiben und aufgeladen werden, um danach weiterzufahren.
Zusätzlich sollten kleine Elektroautos wie der Renault Twizy bei Parallelparkplätzen auch quer eingeparkt werden können. Autos wie der Twizy fallen unter die Fahrzeugklasse L7e. Sie sind so klein, dass sie auch beim Querparken nicht die Breite üblicher Autos überschreiten. Sie quer zu parken würde enormen Platz sparen. Auf der Fläche, die ein normales Auto einnimmt, könnte man zwei bis drei quer parkende L7e-Fahrzeuge unterbringen.
Laut AMP wäre die Einführung dieser Maßnahmen ein klares Bekenntnis zu Elektromobilität. In dicht bebautem Gebiet könnten öffentliche Ladestationen das Enstehen neuer Transportformen fördern, etwa elektromobilen Lieferdiensten, Carsharing oder Taxidiensten mit Elektroautos. Für eine Ladestation müssten lediglich zwei reguläre Parkplätze geopfert werden. Allerdings könnten auch Zusatzeinkünfte für die Gemeindekasse generiert werden, etwa durch Abgaben auf verkauften Strom. Investitionen in die Ladeinfrastruktur könnten sich so relativ rasch amortisieren.
Realität
In Realität stehen öffentliche Ladestationen und Querparken allerdings vor einer mehrfachen Blockade. Querparken für L7e-Fahrzeuge würde eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung oder zumindest einzelner Landesverkehrsordnungen verlangen. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie hat eine solche Novellierung bisher nicht umgesetzt.
In Wien scheitern Ladestationen im dichten urbanen Raum an der politischen Linie von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die den Individualverkehr im Allgemeinen einschränken will, auch den elektrischen. Im öffentlichen Raum sollen deshalb keine Ladestationen stehen, nur in Garagen.
Doch auch bei der Installation von Ladestellen in Garagen sind die derzeitigen Vorschriften eher erschwerend als befördernd. Kritik wird vor allem an einer Wiener Vorschrift zum verpflichtenden Einbau einer Lüftungsanlage geübt. Diese Lüftungsanlage sollte Gase ableiten, die bei bestimmten, eher älteren Batterietypen während des Ladevorgangs entstehen können. Moderne Batterien sind davon nicht betroffen, die Vorschrift gilt jedoch unterscheidungslos.
Wünsche
Für Befürworter der Elektromobilität ist die Situation verbesserungswürdig. "Die Fahrzeugklasse L7e wird weltweit immer wichtiger", meint AMP-Geschäftsführer Heimo Aichmaier. "In Österreich kann das mit den derzeitigen Vorschriften nicht passieren. Es gibt keinen Anreiz, dass dieser Markt zu wachsen beginnt."
"Bei der Autobahneinfahrt ist die Rede von der 'Smart City Wien', die ihre 1,7 Millionen Gehirne nutzen soll", meint Aichmaier weiter. "Aber was nutzt einem das, wenn nichts umgesetzt wird. Man muss vom Denken zum Tun kommen. Zu einer Smart City gehören neben smarter Technologie auch smarte Planung, smarte Vorschriften."
Renault würde die Erlaubnis für das Querparken von L7e-Fahrzeugen sehr begrüßen. "In einer Parklücke für einen PKW mit einer durchschnittlichen Länge von rund vier Metern würden drei Renault Twizy Platz finden", teilt der Konzern der futurezone mit. Die Wiener Marschrichtung, individuelle Mobilität im Allgemeinen zurückzudrängen, stößt bei Renault auf Unverständnis:
"Individuelle Mobilität hat vor allem im Bereich der Nahversorgung existentielle Bedeutung. Elektrofahrzeuge würden dabei die Lebensqualität verbessern. Deshalb ist es unverständlich, warum Wien als einzige Großstadt Österreich öffentliche Ladestationen verhindert und die Installation von Ladestationen in Wohnhausgaragen durch veraltete Gesetze erschwert, während andere Städte die Zeichen der Zeit erkannt haben und Elektromobilität für Private sogar finanziell fördern."
"Elektromobilität in Wien ist tot"
"Die Politik sieht das Thema Förderung sehr eindimensional. Es geht aber nicht immer nur um finanzielle Förderung", meint Gerald Kiska. Er war maßgeblich an der Entwicklung des dreirädrigen Elektrofahrzeugs KTM E3W beteiligt, das im August 2011 enthüllt wurde. Kiskas Meinung zufolge wird in Österreich von politischer Seite aus zuwenig getan, um Elektromobilität zu verbreiten.
"Derzeit muss man sich als Elektroautofahrer selbst geißeln. Es gibt kaum steuerliche Erleichterungen, kaum Infrastruktur. Die Politik müsste Fahrern von Null-Emissions-Fahrzeugen einen Vorteil bieten, etwa die exklusive Einfahrt in Innenstädte oder privilegierte Fahrspuren. Damit würden Elektroautos Mehrwert und Prestige erhalten." Die Wiener Weigerung, den öffentlichen Raum mit Ladestationen auszustatten, sieht Kiska als fatal: "Damit ist das Thema Elektromobilität in Wien tot."
Wandel
Im Verkehrsministerium kennt man die Kritikpunkte der Elektromobilbranche. Wie BMVIT-Juristin Daphne Frankl-Templ betont, habe das Ministerium allerdings die Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen von Elektromobilbranche, Energieversorgern und Bundesländern auszugleichen. Zusätzlich verfolgt das Ministerium eine eigene Linie.
Von Schnellladestationen im öffentlichen Raum ist das BMVIT etwa nicht überzeugt. "An den Hauptkorridoren wie Autobahnen, sind Schnellladestationen geplant oder werden bereits gebaut, etwa von Smatrics. Da macht es Sinn", meint Frankl-Templ. "In der Stadt selbst macht es nicht besonders viel Sinn. Wirklich viele Kilometer macht man bei Fahrten in der Stadt durchschnittlich nicht."
Auch Elektroautos seien Autos und verbrauchen Platz. Statt individuellem Autobesitz bevorzugt das BMVIT Carsharing-Modelle für die urbane Zukunft. Dabei wird vor allem auf Carsharing-Unternehmen mit fixen Standplätzen (etwa Zipcar oder Flinkster) gesetzt. Deren Kunden seien laut Studien mehr als jene von Free-Floating-Carsharing-Diensten (wie Car2Go oder DriveNow) bereit, völlig auf ein eigenes Auto zu verzichten. Außerdem seien fixe Standplätze gut geeignet, um Elektroautos aufzuladen.
Reformbedarf wird gesehen
Das BMVIT sieht allerdings den Bedarf nach Reformen, unter anderem bei der Errichtung von Ladestationen in Garagen. Eine neue EU-Richtlinie, die im Oktober 2014 in Kraft getreten ist, will das Ministerium zum Anlass nehmen, um mit den Bundesländern ein einheitliches Genehmigungsverfahren zu entwickeln. Auch die Straßenverkehrsordnung soll novelliert werden.
Auch das Thema Kennzeichnung von E-Fahrzeugen und Elektromobilitäts-Infrastruktur soll dabei eine Rolle spielen. Dieses Thema wurde in anderen Ländern bereits behandelt. "In Deutschland ist ein neues Gesetz eingeführt worden, das von den Regionen nicht gut angenommen wurde. Das wollen wir vermeiden", meint Frankl-Templ. Die neue EU-Richtlinie sorge zudem für mehr Einheitlichkeit, das Abwarten sei daher sinnvoll gewesen.
Querparken erscheint dem BMVIT allerdings als weniger verfolgenswerte Strategie. Angesprochen auf das Beispiel Renault Twizy heißt es: Mit einer Länge von 2,30 Meter würde ein quer parkender Twizy die Außenlinie der sonstigen geparkten Autos um mindestens 30 Zentimeter übertreffen und in die Fahrbahn hineinragen. Das Fahrzeug würde damit die Verkehrssicherheit gefährden.