Familie verzichtet auf Strom, weil sie keinen Smart Meter will
„Wir haben es uns gut überlegt und haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Familie M. (Name der Redaktion bekannt) aus einem Ort nahe der oberösterreichischen Hauptstadt Linz hat beschlossen, künftig ohne Strom zu leben. Die Familie mit zwei Kindern im Alter von zehn und elf Jahren will keinen neuen, digitalen Stromzähler in ihrem Eigenheim. Der Netzbetreiber lässt keine Alternative zu. Nun hat die Familie per Ende November den Vertrag mit dem Netzbetreiber gekündigt. „Für uns ist das die letzte Wahl“, erklärt die Mutter im Gespräch mit der futurezone.
Stromzählertauschquote
Doch warum kommt es soweit, dass in
Österreich jemand eine nach außen hin derart radikale Entscheidung trifft? Bis 2020 müssen 80 Prozent der österreichischen Stromkunden neue, digitale Stromzähler bekommen. Das sieht das Gesetz vor. Analoge, mechanische Stromzähler werden durch elektronische Zähler ersetzt, die bidirektional kommunizieren und digitale Daten empfangen und senden können.
Doch damit kommt es zu großen Herausforderungen: Die Daten vom Zähler müssen irgendwie zum Netzbetreiber kommen. Beim mechanischen Zähler geschah dies durch Ablesung. Bei digitalen Zählern werden die Daten entweder per Mobilfunk übertragen oder per Powerline-Communication (PLC). Dabei wird das Datensignal über die Stromleitung an die nächste Trafo-Station übertragen.
Zahlreiche Bedenken
Viele Menschen haben deshalb einerseits Datenschutz- und Sicherheitsbedenken, andererseits Angst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine erhöhte Strahlungsbelastung. So auch Familie M. „Wir haben mehrere Gründe, die neuen, digitalen Zähler abzulehnen und wir haben keine Wahl, außer den Netzvertrag zu kündigen.“
Die Bedenken erscheinen teilweise berechtigt: So gab es bereits Fälle auf Malta, bei denen die Stromzähler von Kriminellen manipuliert wurden. Außerdem warnen IT-Experten immer wieder vor Gefahren eines Blackouts, hervorgerufen durch die Manipulation von digitalen Zählern. Zudem gab es bereits erste Fälle, bei denen Stromverbrauchsdaten von Kunden für Gerichtsverfahren herangezogen wurden.
Was sich mit dem neuen Zähler ändert
Mit den digitalen Zählern ändert sich nämlich auch das Ausleseverhalten der Verbrauchsdaten. Standardmäßig wird der Verbrauch nach der Umstellung auf den digitalen Zähler einmal pro Tag ausgelesen. Kunden können sich auch für die „intelligente“ Variante entscheiden, dann werden die Daten von den Netzbetreibern im 15-Minuten-Intervall gemessen. Bei einem Opt-Out wiederum wird der Energieverbrauch wie bisher einmal pro Jahr gemessen und digital gesendet. Die Opt-Out-Möglichkeit gibt es für alle Kunden per Gesetz. Der Widerspruch muss schriftlich eingereicht werden.
„Bei der Opt-out-Konfiguration werden keine Verbrauchsdaten im Gerät selbst gespeichert. Auch die Abschalt- und Leistungsbegrenzungsfunktion wird nicht verwendet. Es wird nur eine anlassbezogene Fernauslesung für Abrechnungszwecke durchgeführt“, heißt es auf futurezone-Anfrage beim Netzbetreiber
Linz Netz.
Drohung mit Gerichtsverfahren
Die Linz Netz war im Februar 2018 an die Familie herangetreten, um sie über den „dringend notwendigen Zählertausch“ zu informieren. Es folgten Telefongespräche mit dem zuständigen Sachbearbeiter, bei der Familie M. ihre Bedenken vortrug. Zu einer Einigung kam es jedoch nicht. In einem Schreiben wurde die Familie laut eigenen Angaben „unmissverständlich“ dazu aufgefordert, dem Zählertausch zuzustimmen, weil sonst eine gerichtliche Durchsetzung beantragt werde.
Dazu will es die Familie, die die Gerichtskosten selbst tragen müsste, nicht kommen lassen. Da der Stromzähler offiziell der Besitz des Netzbetreibers ist, hat er vom Gesetz her das Recht, seinen Zähler gegen ein Gerät seiner Wahl – auch gegen elektronische - auszutauschen. „Es existiert keine Wahlfreiheit. Die meisten Menschen reagieren sehr sensibel auf den Eingriff in ihre eigenen vier Wände. Von hilfloser Ohnmacht und dem Gefühl des Ausgeliefertseins bis zu großer Wut bekommen wir täglich vieles zu hören“, heißt es auch seitens der Initiative „Stop
Smart Meter“, die Fälle wie den der Familie M. sammelt.
Gleichbehandlung aller Kunden
Der Netzbetreiber beruft sich bei seinen beharrlichen Aufforderungen auf seine gesetzliche Verpflichtung, die gesetzlich geforderte Quote von getauschen Zählern einhalten zu müssen. „Wir sind außerdem zur Gleichbehandlung unserer Netznutzer verpflichtet“, heißt es weiters auf futurezone-Anfrage. „Einzelne Wünsche, was den Zählerwechsel betrifft, haben wir bis dato immer zurückgewiesen. Im Sinne der Gleichbehandlung und um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden, ersuchen wir um Verständnis dafür, dass wir auch künftig dabei bleiben müssen und werden.“
Im konkreten Fall der Familie M. sei der Netzvertrag vom Kunden gekündigt worden. „Wenn jemand selbst kündigt und auch nach Aufklärung weiterhin auf eine Kündigung besteht, müssen wir als Netzbetreiber diese Entscheidung letztendlich akzeptieren. Wir weisen darauf hin, dass ein derartiger Fall absolut ungewöhnlich ist“, heißt es seitens der Linz Netz.
Auch die Regulierungsbehörde E-Control spricht von der Verpflichtung der Netzbetreiber, alle Kunden gleich zu behandeln. „Beim digitalen Stromzähler ist der kleinste gemeinsame Nenner der Opt-Out. Dabei wird nichts am Zähler gespeichert. Das dient auch der Investitionssicherheit der Netzbetreiber, damit diese durch den Wechsel keine überhöhten Kosten haben“, sagt Leo Kammerdiener von der E-Control im Gespräch mit der futurezone. „Wenn man überall das gleiche Gerät einbaut, kann man dieses den Kundenbedürfnissen anpassen, auch wenn jemand wieder auszieht und den Wohnort wechselt.“
Die Familie M., die den Stromzähler in ihrem eigenen Haus ablehnt, hat unterdessen einen Brief bekommen, dass sie nach dem 6. Jänner 2019 damit rechnen muss, dass ihr alter, mechanischer Stromzähler abgeklemmt wird.