Was smarte Stromzähler über uns verraten
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Frau Kramer verwendet nach Dienstschluss, wenn sie um 18.00 Uhr zu Hause angelangt ist, immer die Mikrowelle, nachdem sie den Radioapparat aufgedreht hat. Herr Müller sieht unter der Woche täglich zwischen 19.30 und 21.45 Uhr fern, meist läuft dabei der Sender ORF 2. Frau Gundlach wäscht immer sonntags um die Mittagszeit ihre Wäsche, während Herr Freudenschuß sonntags immer bis bis zum frühen Nachmittag schläft, weil er sich am Vorabend die Nacht um die Ohren geschlagen hat.
All diese Dinge lassen sich künftig feststellen, wenn intelligente Stromzähler in Privathaushalten eingesetzt werden, die die Daten in kurzen Intervallen speichern und an den Energielieferanten übertragen. Datenschutzexperten warnen seit längerem davor, dass durch die Aufzeichnung personenbezogener Verbrauchsdaten Rückschlüsse auf die Verhaltensweisen der sich im Haushalt aufhaltenden Menschen gezogen werden können.
15-Minuten-IntervalleIn Österreich wurde in einer Verordnung für intelligente Messgeräte festgelegt, dass die Energieverbrauchswerte künftig in einem Intervall von 15 Minuten gespeichert werden dürfen. Zusammen mit dem heimischen Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und dem Datenschutzgesetz bedeutet dies, dass künftig von allen Kunden Vierstelstundenwerte erfasst und ausgelesen werden müssen.
Dieses Intervall sei zu unregelmäßig, um detaillierte Informationen zu erhalten, meinte der E-Control-Vorstand Walter Boltz im
. Doch Experten bezweifeln dies. So können Daten, die in 15-Minuten-Intervallen erhoben werden, in einer Weise ausgewertet werden, dass feststellbar ist, wann sich Personen zu Hause aufhalten, wann sie schlafen und wann sie sich mit welchem Gerät (am Herd oder in der Mikrowelle) Mahlzeiten zubereiten, heißt es in einer im September erschienenStudie (PDF)des Labors für IT-Sicherheit der FH Münster.
Kühlschrank oder Waschmaschine"Die Anzahl der in einem Haushalt gleichzeitig betriebenen Geräte ist begrenzt. Entsprechend ist es möglich aus dem Lastgang einzelne Geräte eindeutig zu identifizieren - und damit etwa einen Kühlschrank von einer Waschmaschine oder einer Mikrowelle zu unterscheiden", erklärte der Datenschutzexperte Andreas Krisch von mksult zur futurezone. "In Summe kann man damit zu sehr detaillierten Aussagen über die Lebensgewohnheiten kommen."
Das geht sogar soweit, dass man mittels intelligenten Stromzählern das eingeschaltete TV-Programm oder auch den Film, der gerade abgespielt wird, identifizieren kann. Das stellte das Labor für IT-Sicherheit in Münster fest, als bei einer Untersuchung ein eigens generierten Testfilm abgespielt wurde, der Schnitte von hellen und dunklen Szenen im 30-Sekunden-Wechsel und 10-Sekunden-Wechsel aufwies.
Erst ab einer Stunde Unterschied messbarLaut dem Datenschutzexperten Klaus J. Müller zeigte sich im direkten Vergleich mehrerer Auswertungen mit unterschiedlichen, zeitlichen Auflösungen, dass zwischen einer Auflösung von einer Sekunde bis zu einer Auflösung von 15 Minuten "kaum ein Unterschied wahrnehmbar ist". Erst bei einer Auflösung von 60 Minuten werde ein deutlicher Unterschied sichtbar, so Müller.
"Von `zu unregelmäßig` ist hier also eher keine Rede", erklärte Krisch. "Im Gegenteil muss man dabei berücksichtigen, dass die Auswertung von Lastprofilen noch eine vergleichsweise junge Disziplin ist." Mit weiterer Verbreitung von Smart Metern werde es hier Fortschritte geben, wenn etwa Lastprofile bereits aus früheren Auswertungen bekannt sind und die Identifizierung dadurch noch deutlicher erreicht werde.
Personenbezogene Daten"Da der Strommarkt in 15-Minuten-Intervallen funktioniert, ist es prinzipiell durchaus sinnvoll, Viertelstundenwerte erfassen zu können", erklärte Stephan Renner von der Österreichischen Energieagentur Austrian Energy Agency gegenüber der futurezone. "Solange diese Daten allerdings personenbezogen sind, unterliegen sie dem Datenschutzgesetz, unabhängig davon, ob die Daten die Bildung von Verhaltensprofilen in Haushalten erlauben oder nicht", sagte Renner.
Die Daten dürfen dadurch nur zu einem "konkreten Zweck" erfasst werden. Im ElWOG wird als Zweck für die Datenerfassung "Energieeffizienz" genannt. "Dieser Zweck ist zu präzisieren. Darüber hinaus, ist zu definieren, für welche Zwecke personenbezogene Daten notwendig sind und für welche Zwecke aggregierte Daten ausreichen", erklärte Renner. Für die Netzsteuerung würden etwa aggregierte Daten genügen, so der Energie-Experte. Auch Krisch von mksult forderte, dass beispielsweise für Verrechnungszwecke alternative Messintervalle vorgesehen werden sollten, die sich nach dem vereinbarten Tarifmodell richten.
Individuelle RegelungenBei der Implementierung von Smart Metern sehen die beiden Experten bei den Datenschutz-Anliegen daher noch Defizite. So sei etwa unklar, wie das Datensammeln die Energieeffizienz verbessern soll, meinte Renner. "Es wäre viel sinnvoller, wenn die Zähler so eingerichtet werden können, dass jene Kunden Viertelstundenwerte erhalten, die diese auch wollen und brauchen können. Bei anderen Kunden dürfte es ausreichen, wenn die Tageswerte übertragen werden und monatlich eine Verbrauchsinformation aufgestellt wird", schlug der Experte vor.
Das Datenschutz-Team von mksult hatte in der Planungsphase der Verordnung einige Anregungen (PDF), wie etwa den Vorschlag zur Reduzierung der gespeicherten Energieverbrauchsdaten auf ein Mindestmaß, eingebracht. Dieser Vorschlag wurde in die Verordnung allerdings nicht eingearbeitet. Krisch warnte: "Beim Datenschutz ist es entscheidend, dass bereits sehr früh in der Planungsphase entsprechende Schutzmaßnahmen vorgesehen werden."
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Smart Metering in Österreich: In Österreich müssen bis 2020 80 Prozent der Haushalte mit intelligenten Stromzählern, sogenannten "Smart Metern", ausgestattet sein. Das schreibt eine Energieeffizienzrichtlinie der EU vor.
Um die Einführung von Smart Metern in Österreich umzusetzen, musste das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG) novelliert werden. Diese Novellierung wurde vor rund einem Jahr mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament beschlossen.
Die E-Control wurde damit beauftragt, eine Verordnung mit den Anforderungen an die intelligenten Messgeräte herauszubringen. Diese ist am 1. November 2011 in Kraft getreten.
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