Fehlerhafte Fußfessel-App terrorisiert entlassene Häftlinge
Wer sich durch Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Corona-Krise bereits eingesperrt fühlt, sollte diese Schilderung lesen: Im US-Strafvollzug kommen immer öfter Smartphone-Apps zum Einsatz, mit denen die Bewegung von auf Bewährung entlassenen Häftlingen auf Schritt und Tritt verfolgt wird. In dieser Eigenschaft ähneln die Apps elektronischen Fußfesseln, ihre Möglichkeiten gehen jedoch weit darüber hinaus - und ebenso ihre Fehleranfälligkeit.
GPS und Gesichtserkennung
Wie Gizmodo berichtet, sticht eine App dabei besonders heraus. Sie nennt sich Guardian. Mittels GPS kontrolliert sie, ob ihre Nutzer vorbestimmte Bewegungsradien einhalten und sendet Bewährungshelfern minütlich aktuelle Positionsdaten. Außerdem verlangt die App in bestimmten Abständen von Nutzern, auf dem Display angezeigte Zahlenfolgen in das Mikrofon zu sprechen und sich zusätzlich vor der Kamera per Gesichtserkennung zu identifizieren. So soll sichergestellt werden, dass das Smartphone ständiger Begleiter ist.
"Schlampig programmiert"
Das große Problem an Guardian ist, dass die App laut Experten "schlampig" und "verantwortungslos" programmiert wurde. Zahlreiche ehemalige Häftlinge, die zur Nutzung der App gezwungen werden, berichten, wie fehlerhaft die App ist. Eine Person mit dem Decknamen Layla beschreibt etwa, wie die App mitten in der Nacht einen Alarm von sich gab und behauptete, die Frau hätte ihren zugewiesenen Aufenthaltsort verlassen. Während einer Nacht wiederholte sich dies alle 30 Minuten. "Ich bin jedes Mal weinend aufgewacht. Ich dachte, wenn ich nicht reagiere, muss ich ins Gefängnis zurück."
Erschwertes Arbeiten
Die Befürchtung ist nicht unbegründet. Selbst kleinste Verstöße gegen Bewährungsauflagen führen in den USA oft zur erneuten Verhaftung. Fälle, in denen Menschen erneut eingesperrt wurden, weil die Überwachung per App nicht funktioniert hat, sind bekannt. Die Identitätsabfrage per verbaler Nummerneingabe führe außerdem dazu, dass ehemals Inhaftierten das Arbeiten extrem erschwert wird. Auch hier kommt es offenbar zu zahlreichen Fehlfunktionen. Ein Mann berichtet etwa, innerhalb einer Stunde zehn Mal zur Identifizierung aufgefordert worden zu sein. Mehrfach erkannte die App sein Gesicht nicht.
Jederzeit abgehört
Dazu kommen die weitreichenden Befugnisse der App, Daten über ihre Nutzer zu sammeln. Der App muss etwa Zugriff auf das Mikrofon gewährt werden, welches von den Behörden zu jeder Zeit aktiviert werden kann, um mitzulauschen. Das geht aus einer Analyse des App-Codes heraus. Für viele ehemalige Häftlinge ist die Benutzung einer App an sich bereits eine große Hürde. "Diese Typen saßen 43 Jahre im Gefängnis und plötzlich müssen sie sich ein Smartphone kaufen", meint der Bürgerrechtsaktivist James Kilgore.
90 Dollar pro Monat
Für die Nutzung der App muss schließlich auch bezahlt werden. Menschen auf Bewährung müssen dafür 90 Dollar pro Monat hinlegen, während ihnen das Leben dadurch laut eigenen Angaben zur Hölle gemacht wird. Für die Straßvollzugsbehörden sind Tracking-Apps hingegen eine willkommene Alternative zu elektronischen Fußfesseln - sie kosten viel weniger und können mehr. Nutzerin Layla formuliert das Dilemma so: "Du kannst nichts dagegen machen. Wenn du die App nicht akzeptierst, gehst du zurück ins Gefängnis. Du wirst als ihr Eigentum betrachtet. So sehen die das."