Wie entsteht eine Karte des Universums?
Eine Karte der Erde zu erstellen, könnte heutzutage nicht einfacher sein. Satelliten erfassen sie täglich, messen Berge, Täler und können Landmassen auf den Zentimeter genau bestimmen. Doch wenn wir in die andere Richtung blicken, also ins Universum, wird die Aufgabe deutlich komplizierter.
Dort existieren Sterne, Planeten, Asteroiden, Monde und Galaxien, die über enorme Strecken jenseits unserer Vorstellungskraft verteilt liegen. Um zu verstehen, wo sich ein Stern befindet, sind komplexe Messungen über einen langen Zeitraum nötig. Dabei muss nicht nur seine Entfernung, sondern auch seine Bewegung gemessen werden. Ein einfaches Foto des Himmels verrät zwar, wo wir einen Stern von der Erde aus am Himmel sehen, aber wir kennen seine Position im dreidimensionalen Raum nicht.
Gaia vermisst die Milchstraße
Mit Gaia hat die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) dafür ein Vorreiterprojekt durchgeführt, das am 15. Jänner nach über 10 Jahren die wissenschaftliche Arbeit abschließen wird. Jeden Tag erfasst das Weltraumteleskop das Universum. Nach Abschluss der Mission wurden etwa eine Million Gigabyte an Daten gesammelt.
Es dreht sich alles um Genauigkeit
Ungefähr 1,8 Milliarden Sterne wurden dafür immer wieder vermessen. Daraus entsteht die bisher detaillierteste 3D-Karte unserer Galaxie, der Milchstraße. „Wir müssen zu jederzeit präzise wissen, wo sich Gaia befindet, weil sich alles um Genauigkeit dreht. Das heißt, wir müssen die Flugbahn etwa alle 3 Monate korrigieren“, erklärt der Leiter des Missionsbetriebs von Gaia, Peter Collins, der futurezone.
Schon die kleinsten Abweichungen könnten die Position der aufgenommenen Sterne verfälschen. Um die Entfernung eines Sterns zu erfassen, muss dieser von 2 verschiedenen Positionen aus beobachtet werden. Dabei wird ein parallaktischer Winkel ermittelt.
Den Effekt kann jeder nachmachen: Man blickt auf ein entferntes Objekt und hält eine ausgestreckte Hand daneben. Dann schließt man erst das eine, dann das andere Auge. Durch den Augenabstand scheint das Objekt hin und her zu springen. Daraus lässt sich die Parallaxe ableiten.
Gaia muss dabei einen präzisen Abstand von 300 Millionen Kilometern zwischen den beiden Aufnahmepunkten einhalten. Dadurch erhält man, zusammen mit dem Winkel, ein Dreieck und die Entfernung des Sterns kann berechnet werden.
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Beschleunigung der Sterne
Das ist aber nur ein Teil des Ganzen. Neben der Entfernung wird auch die Eigenbewegung des Sterns erfasst, also wie er sich tatsächlich im Raum bewegt. Auch seine Radialgeschwindigkeit wird gemessen. Sie gibt an, ob sich ein Stern auf Gaia zu oder von ihm wegbewegt. Aus dem Abstand, der Eigenbewegung und der Radialgeschwindigkeit, kann dann die Position des Sterns im Weltraum und seine Bewegung ermittelt werden.
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„Wir kommen alle 63 Tage zu einem ähnlichen Himmelsbereich zurück. Durchschnittlich wird jeder Stern 30-mal pro Jahr erfasst und das über einen Zeitraum von 10 Jahren“, sagt Collins. Mit jeder Messung des gleichen Sterns wird die Karte genauer. „Wir beobachten Tausende Sterne bei jeder Aufnahme und erhalten dadurch ein Netzwerk. So lassen sich Beziehungen zwischen den Sternen ziehen.“ Je mehr dieser Bezugspunkte man hat, desto präziser werden die Positionsberechnungen und damit auch die Karte des Weltalls.
Hohe Präzession
Nahe Sterne können mit einer Genauigkeit von 0,001 Prozent positioniert werden. Objekte, die 4.000-mal dunkler scheinen, als das bloße Auge erfassen kann, werden mit einer Genauigkeit von 24 Mikrobogensekunden gemessen. Das ist, als würde man den Durchmesser eines menschlichen Haares aus einem Abstand von 1.000 Kilometern bestimmen.
Die Karte hilft Wissenschaftern dabei, die Entwicklung der Milchstraße und der Sterne dort zu untersuchen. Sie verrät, wie sich die Materie in unserer Galaxie verteilt und wie und wo neue Sterne entstehen. Das Besondere ist auch, dass sich ein Bewegungsverlauf ermitteln lässt, um die Flugbahnen der Sterne in der Milchstraße für Hunderte Jahre in die Zukunft vorauszusagen.
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Die Verteilung von Galaxien im All
Während sich Gaia auf die Milchstraße konzentriert, blickt ein anderes europäisches Weltraumteleskop tiefer ins All. Euclid erfasst keine einzelnen Sterne, sondern Galaxien. Dabei geht es nicht um die präzise Positionierung im All, sondern um statistische Verteilungen.
Es bestimmt die Entfernung von Galaxien, indem ihre Rotverschiebung gemessen wird. Sie gibt an, mit welcher Geschwindigkeit sich eine Galaxie von uns entfernt. Daraus lässt sich die Distanz ableiten.
Aber auch die riesigen Räume zwischen den Galaxien sind im Fokus. Dort existiert Dunkle Materie, eine kosmische Kraft, die wir noch nicht erklären können.
Um zu ermitteln, wie sie sich im Weltraum verteilt, wird mithilfe optischer Kameras erfasst, wo die Dunkle Materie das Licht von Galaxien verzerrt. So lässt sich ihre Masse und Position ermitteln. Herauskommen soll dabei ein kosmisches Netz, das den Aufbau des Universums dreidimensional wiedergibt.
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