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Flüchtling klagt gegen Facebook: Entscheidung vertagt

Der syrische Flüchtling Anas M. machte ein Selfie mit der deutschen Bundeskanzlerin und stellte das Foto stolz auf Facebook. Es entstand in der Erstaufnahmeeinrichtung der Arbeiterwohlfahrt in Berlin-Spandau, als Merkel diese im Sommer 2015 besuchte. Der 19-Jährige rechnete nicht damit, dass das Bild rund um die Welt gehen würde – und zwar in einem völlig entfremdeten und verletzenden Kontext, der ihn dazu zwang, sich tagelang in der Wohnung eines Freundes zu verschanzen, weil er plötzlich als Terrorist dastand.

Als in der Weihnachtsnacht ein Obdachloser in einem Berliner U-Bahnhof angezündet wurde, wurde Anas M. von einem Facebook-Nutzer damit in Verbindung gebracht. Eine Fotomontage mit dem Titel „Obdachlosen angezündet. Merkel machte 2015 Selfie mit einem der Täter!“ wurde auf Facebook veröffentlicht – und verbreitete sich rasant weiter. Auch nach dem Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche tauchte sein Foto im Kontext des Anschlags auf.

Gericht vertragt Entscheidung

Anas M. Pflegeeltern sagten zu ihm: „Wir müssen jetzt dagegen vorgehen, sonst wird das niemals aufhören.“ Chan-jo Jun, ein auf IT-Recht spezialisierter Anwalt aus Würzburg, nahm sich des Falles an und geht mit dem syrischen Asylwerber jetzt vor Gericht gegen Facebook vor. Er will eine einstweilige Verfügung erwirken, die es verbietet, die Fake-News-Beiträge rund um das Obdachlosen-Gerücht zu teilen. Aber auch Facebook soll dazu verpflichtet werden, dass das Bild nicht mehr gepostet werden kann.

Zum Einsatz kommt dabei der Paragraf 186 des deutschen Strafgesetzbuches und geklagt wird wegen übler Nachrede. Das geteilte Bild verletzt schließlich die Persönlichkeitsrechte des jungen Flüchtlings. Vom Gericht geklärt werden soll nun auch, ob es die Aufgabe von Facebook sein kann, Verleumdungen vorab zu filtern. Die bisherige Praxis sieht nämlich vor, dass Facebook erst aktiv wird, wenn Falschmeldungen bereits auf Facebook zu finden sind und verbreitet werden.

Bei der Verhandlung kam es seitens des Landesgerichts Würzburg jedoch vorerst zu keiner Entscheidung. Facebook hat angekündigt, ein europaweites Löschen der Bilder prüfen zu wollen. Wenn es zu keiner außergerichtlichen Entscheidung kommen sollte, will das Gericht am 7. März entscheiden.

Was Verleumdungen ausmachen

Anhand des Beispiels des jungen Syrers wird ersichtlich, mit welcher Wucht Verleumdungen im Netz Menschen treffen und wie schlimm es für diese sein kann, wenn Gerüchte immer wieder in neuen Varianten auftauchen, ohne, dass sich eigentlich zurückverfolgen lässt, wer sie in die Welt gesetzt hat. Anas M. hat außerdem Angst, dass sein Gesicht jetzt sein Leben lang mit dem Begriff Terrorist in Verbindung gebracht werden könnte.

„Der Fall zeigt die Problematik sehr gut auf. Falschmeldungen sind nicht automatisch rechtlich problematisch, aber wenn Persönlichkeitsrechte Einzelner betroffen sind, sind sie das sehr wohl“, erklärte der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz der futurezone. Die Grünen haben den US-Konzern wegen Hasspostings im Netz verklagt. „Facebook greift nicht ernsthaft gegen Hass im Netz durch“, sagte Brosz. Aber Facebook zu verklagen könne als Privatperson ganz schön teuer sein. Eine rechtliche Unterstützung für Betroffene sei daher wünschenswert, so Brosz.

In Österreich soll 2017 eine eigene Melde- und Beratungsstelle gegen Hasspostings eingerichtet werden. Betroffene sollen dort beraten werden, ob ein juristisches Vorgehen im konkreten Fall Sinn macht.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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