Neue Therapie gegen Online-Sucht in Wien
Die grenzenlose Welt von Internet und Social Media verursacht bei manchen Menschen schlicht und einfach Abhängigkeit. "Online-Sucht ist kein Spiel", lautet die Devise eines neuen stationären Behandlungsprogrammes, das für Betroffene seit einigen Wochen am Anton Proksch Institut (API) in Wien besteht.
"Man kann davon ausgehen, dass zwei Prozent der Gesamtbevölkerung und vier bis sechs Prozent der jungen Menschen von Online-Sucht betroffen sind", sagte API-Psychiater Roland Mader gegenüber der APA. Mader beschäftigt sich seit Jahren mit "substanzunabhängigen" Suchterkrankungen.
"Im ambulanten Bereich haben wir Internetsüchtige seit rund 15 Jahren betreut, seit einigen Jahren auch stationär. Bisher haben wir diese Patienten im Rahmen unserer bestehenden Therapiegruppen mitversorgt. Damit waren wir aber nicht ganz zufrieden. Seit einem Jahr haben wir an dem Behandlungsprogramm im stationären Bereich gearbeitet. Im September haben wir es gestartet", sagte Mader. Es handle sich um das erste derartige Programm in Österreich, wird beim API erklärt.
Meist junge Patienten
Wie bei allen Suchterkrankungen nimmt auch bei der Online-Sucht mit Internet, Gaming und Social Media die Beschäftigung mit diesen Medien im Leben der Betroffenen einen immer größeren Anteil ein, führt zur Vernachlässigung der realen Lebenswelt, zu Isolation, Problemen mit Partnerschaften, Beruf, Ausbildung etc. Es gibt aber einige Besonderheiten. "Es handelt sich bei den Patienten zumeist um relativ junge Personen im Alter um die 20 Jahre. Unsere Alkoholkranken sind hingen zumeist 40 bis 60 Jahre alt", betonte Michael Musalek, Ärztlicher Leiter des API.
Wie bei anderen Suchterkrankungen besteht bei den Betroffenen in vielen Fällen nicht allein eine Abhängigkeit von Social Media-Gebrauch, von Gaming oder anderen Internet-Angeboten (z.B. Pornografie-Sucht). "An sogenannten Komorbiditäten (zusätzliche Erkrankungen; Anm.) kommen oft Angststörungen, Depressionen, Substanzabhängigkeit, zum Beispiel von aufputschenden Mitteln zum Wachbleiben beim Gaming, vor", sagte Musalek. Klassisch ist laut Mader bei den "Gamern" folgendes Verhalten: "Die Betroffenen bauen sich einen Avatar, ein Alter Ego. Der Avatar ist mutig, stark, behauptet sich der künstlichen Welt. Dort gibt es Anerkennung und Freunde. Oft sind die Patienten in der realen Welt aber unsicher, haben wenige Freunde und haben wenig Zuwendung."
Keine komplette Online-Abstinenz
Die nunmehr bei API für diese Patientengruppe maßgeschneiderte Therapie erfolgt in einer eigenen Patientengruppe mit solchen Störungen. Die Betroffenen mit einem Mindestalter von 17 Jahren werden acht Wochen stationär aufgenommen. Handys müssen am Beginn abgegeben werden. Im Lauf der Zeit kann beispielsweise der Gebrauch eines Smartphones auf eine Stunde pro Tag begrenzt werden. Im Rahmen des Programms gibt es Gruppen- und Einzeltherapien aus dem Angebot des API plus einmal pro Woche für eineinhalb Stunden die spezielle Gruppentherapie für die Internet-, Gaming- oder Social Media-Abhängigen.
"Vollkommene Internet-Abstinenz ist in unserer heutigen Gesellschaft unrealistisch. Wir verfolgen ein 'Ampel-System' für den späteren Gebrauch. Für einen Online-Gamer bleiben diese Spiele verboten. Andere Internet-Anwendungen soll er unter bestimmten Bedingungen nutzen können. Für ihn ungefährliche "grüne" Anwendungen solle er frei gebrauchen können", sagte Mader.
In der derzeitigen Anlaufphase des Programms besteht die Gruppe aus sechs Patienten. "Darunter befinden sich auch eine junge Frau als Social Media-Süchtige und ein Online-Porno-Süchtiger", erzählte der Psychiater. Bei den Online-Gamern geht es zumeist um folgende Frage: "Wenn der Avatar nicht mehr da ist, wer will ich eigentlich wirklich sein?" Eine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage zu erarbeiten und wieder den Übergang in die reale Welt zu finden, das ist das Ziel der Therapie.