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Open-Source-Mode: Recyclen und reparieren

Das Berliner Modelabel Pamoyo verkauft nicht nur Kleidungsstücke. Schnittmuster ausgewählter Stücke können auf der Website des von Cecilia Palmer gegründeten "Green Open Source Fashion"-Unternehmens unter einer Creative-Commons-Lizenz heruntergeladen werden. Daneben ist Palmer auch an zahlreichen Projekten - darunter Fashion Reloaded -  beteiligt, die sich um Open Source, Kleidertausch, Recyclen und gemeinsame Produktion von Kleidungsstücken drehen. Anfang November war die in Berlin lebende schwedische Designerin beim Open-Design-Festival Vienna Open in Wien zu Gast. Die futurezone hat Palmer über Open Source in der Modewelt befragt.

futurezone: Sie haben mit Pamoyo ein Open-Source-Modelabel gegründet. Was ist Open-Source-Mode?
Palmer: Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen. Als ich mit Pamoyo begonnen habe, habe ich mich an den Open-Source-Prinzipien orientiert, wie wir sie aus der Software-Welt kennen. Der Code soll frei verfügbar sein und auch geändert werden können. In unserem Fall bedeutet das, die Muster zur Verfügung zu stellen, sodass sie von anderen Leuten genutzt werden können. Sie stehen unter einen Creative-Commons-Lizenz zur freien Verfügung und können heruntergeladen und verändert werden.

Was kann eigentlich bei Kleidung geschützt werden?
Nicht sehr viel. Das variiert von Land zu Land. Designs können aber nirgendwo wirklich geschützt werden. Es gibt auch niemanden, der das versucht. Ein T-Shirt bleibt ein T-Shirt. Deshalb gibt es auch soviele Logos auf Kleidungsstücken, weil sich die Marken und das Logo schützen lassen. Davon abgesehen ist Mode vom rechtlichen Standpunkt aus aber ziemlich Open Source. Mode beruht auch seit jeher auf offenen Prinzipien. Sie war schon immer eine freie Kultur. Das ist auch eine Bedingung dafür, dass es überhaupt so etwas wie Mode gibt. Es würde keine Trends geben, wenn sich die Leute nicht gegenseitig kopieren würden. Mode basiert darauf, dass Stile und Designs kopiert und reproduziert werden.

Arbeiten Sie eigentlich mit Designprogrammen?
Unabhängige Designer und kleinere Modehäuser arbeiten fast ausschließlich mit der Hand. Die Muster werden auf Papier gezeichnet. Natürlich gibt es auch Software, mit der sich Schnittvorlagen erstellen lassen, sie ist aber proprietär. Die Lizenzen sind sehr teuer. Damit arbeiten vor allem größere Unternehmen. Bevor wir die Designs teilen können, sind also noch einige Arbeitsschritte notwendig.

Würde ein Open-Source-Programm für Schnittmuster das Teilen nicht erheblich erleichtern?
Das ist ein Projekt, das ich seit einiger Zeit verfolge. Es wäre wichtig eine Open-Source-Alternative zu den bestehenden industriellen Schnittmuster-Programmen zu haben. Aber wir sind noch in einer sehr frühen Phase. Eine solche Software würde sehr viele Möglichkeiten des Austausches von Mustern eröffnen.

Mit ihrem Label Pamoyo stellen Sie aber auch tatsächlich Kleider her.
Ja, wir sind ein ganz normales kleines Modelabel, das Kollektionen entwirft, sie produziert und verkauft. Idealerweise würden wir gerne jedes unserer Designs zum Download bereitstellen, aber das ist sehr viel Arbeit. Es gibt eben diese technologische Lücke.

Was passiert eigentlich mit Ihren Mustern, wenn sie heruntergeladen wurden?
Ich habe keine Ahnung. Ich erfahre davon nur, wenn ich Reaktionen auf die Muster bekomme. Man kommt darüber aber auf jeden Fall mit den Leuten ins Gespräch, die sich die Designs herunterladen und sie verändern.

Wer lädt die Designs herunter? Professionelle Designer oder Leute, die sie privat nutzen?
So weit ich weiß, sind das vorwiegend Leute, die sie privat verwenden. Wir bringen unsere Designs auch über Magazine oder andere Websites in Umlauf, deshalb kann ich auch gar keine Zahlen dazu nennen. Die Muster entwickeln ein Eigenleben. Solche Open-Source-Taktiken eröffnen für Konsumenten neue Möglichkeiten, wie sie mit Mode interagieren können.

Zum Beispiel?
Anstatt ein Kleidungsstück zu kaufen, das in China produziert wurde und sie über London oder Paris erreicht, können sie sich das Muster herunterladen und mit den Materialien, die ihnen vor Ort zur Verfügung stehen herstellen. Es gibt Alternativen zur globalisierten Herstellung.

Ist Open-Source-Mode nachhaltiger?
Nachhaltigkeit und Mode ist ein schwieriges Thema. Natürlich gibt es Ökomodelabels. Wir sind eines davon. In einer Industrie, die der Umwelt so viel Schaden zufügt, ist es auf jeden Fall vernünftig, so nachhaltig wie möglich zu produzieren. Wir haben eine massive Überproduktion. Es werden viel mehr Kleidungsstücke hergestellt, als wir jemals tragen können. Die Umwelt wird aber auch durch organische Materialien belastet. Die Textilproduktion ist nicht sehr ökologisch.

Kleidungsstücke werden heute vor allem billig in Schwellenländern produziert. Gehen die Fähigkeiten und die Kenntnisse der Produktion in Europa verloren?
Durch die Do-it-Yourself-Bewegung, die in den vergangenen Jahren immer stärker geworden ist, ist es hip geworden Dinge selbst herzustellen. Das ist eine gute Sache. Aber die Textilindustrie ist zu einem großen Teil abgewandert. Dadurch gehen viele Fertigkeiten verloren. Die Leute verlieren den Kontakt dazu.

Das Projekt "Fashion Reloaded", an dem Sie auch beteiligt waren, hat versucht, dagegen anzukämpfen.
Bei "Fashion Reloaded" ging es darum, dass Leute Kleidungsstücke, die sich nicht mehr getragen haben, mit anderen tauschten. So konnte Neues daraus entstehen. Es ging dabei auch darum, Fertigkeiten zu vermitteln. Die Leute haben bemerkt, wie einfach es sein kann, Kleidungsstücke zu verändern und auf diese Art selbst etwas zu kreieren. Sie bekommen dadurch auch ein Gefühl für das Handwerk der Mode. Wenn Leute Dinge selber machen, lernen sie auch die Qualtität zu schätzen und erkennen den Unterschied zwischen Kleidern, die von H&M oder Zara gekauft wurden, und qualitativ hochwertigen Produkten, die viel länger halten und deshalb auch wertvoller sind. Ich erwarte nicht, dass nun alle damit beginnen, ihre Kleidungsstücke selbst herzustellen. Aber solche Initiativen schaffen auch ein Bewusstsein für Handarbeit und helfen letztlich auch den unabhängigen Designern. In einer Zeit, in der T-Shirts fünf Euro kosten, ist es sehr schwer mit umweltfreundlichen Herstellungsmethoden mit der Industrie zu konkurrieren.

Do-it-Yourself-Plattformen wie Etsy oder DaWanda, auf denen handgemachte Kleidungsstücke verkauft werden, florieren.
Ich bin neugierig, wie sich dieser Trend weiterentwickelt. Die Do-it-Yourself-Revolution hat stattgefunden und auch dabei geholfen, Bewusstsein für Handwerk zu schaffen. Das beeinflusst auch die Highend-Mode. Exklusivität bedeutet heute zunehmend handgefertigte Kleidungsstücke in hoher Qualität. Sie können nicht in Massenproduktion hergestellt werden. Sie sind einzigartig.

Wie haben eigentlich das Internet und Social Media die Modewelt verändert?
Mode ist mehr als nur Kleidung. Es geht um die Bilder, die rundherum entstehen.  Die Art und Weise, wie Kleidung in Szene gesetzt wird, ist wichtiger als die Kleidungsstücke selbst. Mode- und Streetstyle-Blogs haben sehr viel verändert. Sie haben gezeigt, wie sich die Leute tatsächlich anziehen. Modemagazine leben von der Werbung. Was darin gezeigt wird, wird zu einem guten Teil von jenen bestimmt, die Anzeigen schalten. Das Internet hat andere Zugangsweisen ermöglicht. In Modeblogs geht es um Stil, um Dinge, die gut aussehen und nicht um Geld. Es sind auch viele Mode-Communities entstanden.

Hat nicht Streetwear immer schon die Mode beeinflusst?
Natürlich. Die Industrie hat geschaut, was die Leute auf der Straße tragen und sich davon inspirieren lassen. Heute gibt es aber viel mehr Raum, in dem Trends und persönlicher Stil enstehen und wachsen können - auch außerhalb kommerzieller Zusammenhänge.

Welche Rolle wird Open Source in der Zukunft der Mode spielen?
Ich glaube, das nächste große Ding wird das Ausbessern und Recyclen gebrauchter Kleidungsstücke sein. Die Leute werden weniger Kleider haben, die aber in guter Qualität. Und sie werden sie flicken und reparieren, solange es geht. Sie werden länger mit ihrer Kleidung leben. Es geht auch darum eine Ästhetik dafür zu entwickeln. Die Kleidung hat ein Leben und eine Geschichte. Wir sollten damit aufhören so viel zu produzieren und damit beginnen, ältere Sachen länger zu tragen und sie mit unserer eigenen persönlichen Note zu versehen.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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